Schleifen
, [
1515-1516] ein Zeitwort, welches so wie
alle, eine unmittelbare Nachahmung eines eigenthümlichen Lautes ist, und
hernach zu Bezeichnung aller derjenigen Handlungen gebraucht wird, welche mit
diesem Laute verbunden sind, oder doch zuerst unter demselben gedacht wurden.
Daher kommt es denn, daß es in mehrern, dem Anscheine nach so verschiedenen
Bedeutungen gebraucht wird. Es ist in doppelter Gestalt üblich. 1. Als ein
reguläres Zeitwort, welches wiederum in einer zwiefachen Form vorkommt. 1. Als
ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert, eigentlich einen
schleifenden Laut von sich geben, und in wei- terer Bedeutung, sich mit diesem
Laute fortbewegen; wo es noch in manchen Gegenden für schleichen und das sehr
nahe verwandte schliefen, dessen Intensivum schlüpfen und schlüpferig ist,
gebraucht wird. Nieders. slipen, Engl. to slipp, Angels. slipan, Schwed. släpa,
slipa, kriechen, ingleichen heimlich entfliehen. Daher ist für Schleichhandel
auch Schleifhandel, für Schleichweg auch Schleifweg, für Schleichtreppe auch
Schleiftreppe üblich. Im Hochdeutschen kommt es in dieser Bedeutung nur selten
vor. 2. Als ein Activum, einen schleifenden Laut hervor bringen, und in
weiterer Bedeutung diejenige Veränderung mit einem Dinge vornehmen, welche mit
diesem Laute verbunden ist. 4) Einen Buchstaben schleifen, ihn ohne Stoß
aussprechen. So wird das f geschleifet, dagegen das v gestoßen wird. In einem
andern Verstande wird ein Buchstab geschleifet, wenn er gelinde und ohne Stoß
mit dem folgenden Selbstlaute verbunden wird; z. B. Leibes, wo das b sanft in
das e übergehet. Eben so werden in der Musik zwey Noten geschleifet, wenn sie
ohne Stoß mit einander verbunden werden, daher zwey oder mehrere auf solche Art
verbundene Noten auch wohl ein Schleifer genannt werden. 2) Einen Knoten
schleifen, ihn vermittelst einer Schleife, eines um sich selbst geschlungenen
Bandes oder Fadens, hervor bringen. 3) Einen auf einer Fläche ausgedehnten
Körper unmittelbar auf derselben fortziehen. (a) Eigentlich, wo man es in
einigen Gegenden in allen den Fällen gebraucht, wo dieser Begriff Statt findet.
Z. B. ein Kleid schleifen, nach sich schleifen, einen Theil desselben auf der
Erde nach sich ziehen; ein Kleid schleifen lassen; der Mantel schleift, als ein
Neutrum, wird auf der Erde fortgezogen. Ich will Samaria zum Steinhaufen
machen, und will ihre Steine ins Thal schleifen, Micha 1, 6. Die Juden
schleifeten den Jason und etliche Brüder vor die Obersten der Stadt, Apost. 17,
6. In welchen sämmtlichen Fällen im Hochdeutschen schleppen üblicher ist, indem
man daselbst schleifen nur von größern Körpern gebraucht, wenn sie auf die
obige Art fortgezogen werden. Ein Stück Bauholz aus dem Walde schleifen, es
ganz oder zum Theil auf der Erde liegend, aus dem Walde fortziehen lassen.
Einen Missethäter auf einer Haut zum Richtplatze schleifen. Die Juden
steinigten Paulum und schleiften ihn zur Stadt hinaus meynten, er wäre
gestorben, Apost. 14, 19. Das Pferd schleifte seinen Reiter. Im Fischfange
schleifet man, wenn man mit einem Garne hart auf dem Grunde herfähret, (
S. Schleifhamen.) Man siehet hieraus, daß schleifen im
Hochdeutschen gerade nur in den Fällen üblich ist, wo der damit verbundene Laut
diesem Worte angemessen ist. Schleppen ist zwar gewisser Maßen des Intensivum
davon, allein es tritt in demselben auch der Begriff des schlapp mit ein, daher
dasselbe in mehrern Fällen üblich ist als schleifen. Wenn aber die
Oberdeutschen das letztere in allen Fällen für schleppen gebrauchen, so
scheinet sich alsdann der Begriff des schlaff damit zu verbinden. In noch
engerer Bedeutung schleifet man Waaren, Güter, Lasten u. s. f. wenn man sie auf
einer Schleife von einem Orte zum andern schaffet. (b) Figürlich. Eine
Feuermauer schleifen, sie nach einer schiefen Richtung führen, anstatt sie
senkrecht gehen zu lassen. Eine geschleifte Feuermauer.
S. auch Schleiflade. 4) Einreißen, zerstören. Im
Niedersächsischen ist ein Schiff slopen, es, wenn es baufällig ist, aus
einander nehmen oder einreißen. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur von
Städten und Schlössern, seltener von Gebäuden und Mauern, wenn sie mit Gewalt
zerstöret und gleichsam dem Erdboden gleich gemacht werden. Wir müssen das Land
räumen, denn sie haben [
1517-1518] unsere Wohnungen
geschleifet, Jer. 9, 19. Eine Stadt, ein Schloß schleifen lassen.
Die Mauern hast du ihm herunter lassen reißen, Und seine
Festungen ganz schleifen und zerschmeißen, Opitz. Ps. 89.
Mit andern Endlauten ist dafür im Nieders. sligten,
(schlichten, von schlecht, eben,) und in der Schweiz schleizen (
S. Schleißen) üblich. II. Als ein irreguläres Zeitwort;
Imperf. ich schliff; Mittelw. geschliffen; Imperat. schleife oder schleif. Auch
dieses wird in einer zwiefachen Form gebraucht. 1. Als ein Neutrum, mit dem
Hülfsworte haben. 1) Von dem Auerhahne sagt man, daß er schleife, wenn er im
Balzen einen aus Zischen und Kirren zusammen gesetzten Laut von sich hören
läßt, von welchem das Wort schleifen eine Nachahmung ist. 2) Stehend auf dem
glatten Eise fortfahren, auch als eine unmittelbare Nachahmung des damit
verbundenen Lautes.
S. Gleiten. 2. Als ein Activum, durch Umdrehung einer
scharf oder glatt machenden Scheide schärfen oder polieren. Messer, Scheren
schleifen, durch Haltung an den um seine Achse sich drehenden Schleifstein;
wodurch sich wetzen von schleifen unterscheidet. Ein geschliffener Degen. Glas,
Marmor, Edelsteine schleifen, ihnen vermittelst einer um ihre Achse beweglichen
Scheibe Glätte und Glanz ertheilen. Von den Edelsteinen sagt man auch
schneiden. Figürlich bedeutete es ehedem auch gesittet machen, welche Bedeutung
doch jetzt nur noch in dem Gegensatze ungeschliffenen übrig ist,
S. dasselbe. So auch das Schleifen, und in einigen
wenigen activen Bedeutungen des regulären Zeitwortes die Schleifung. Anm. Bey
dem Ottfried, der es auch für fortgehen, fortschreiten gebraucht, sleifan, in
dem alten Gedichte des heil. Anno in der letzten activen Bedeutung des
irregulären Zeitwortes slifan, wovon noch das irreguläre Imperfect und
Mittelwort unseres heutigen schleifen abstammen, im Österreich. schlaipfen, im
Nieders. slepen, sliepen, im Schwed. slipa, im Wallis. yslipanu, wo ohne
Zischlaut auch Ilifo schärfen, und Ilifio feilen ist, wohin auch das Lat.
laevis, glatt, laevigare, glätten, und Griech. -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - , glatt, gehören. Schleppen ist das Intensivum davon,
so wie auch schliefen und dessen Intensivum schlüpfen nahe damit verwandt sind.
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1517-1518]