Schleißen
, [
1521-1522] verb. irreg. Imperf. ich
schliß, (in einigen Gegenden schloß,) Mittelw. geschlissen, (in einigen
Gegenden geschlossen;) Imper. schleiß. Es ist eine Onomatopöie, welche den Laut
einer zwar schnellen, aber doch gleichförmigen etwas heftigen Bewegung
nachahmet, und daher in allen den Fällen gebraucht wird, wo dieser Laut Statt
findet, ob es gleich im Hochdeutschen sehr veraltet ist, und kaum noch hin und
wieder in einigen Fällen gebraucht wird. Es kommt in doppelter Gestalt vor. I.
Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, aber im Hochdeutschen
wenig mehr gebraucht wird. 1) Reißen, spalten, abgenutzet werden, vergehen,
alle in neutraler Bedeutung; Nieders. sliten. Die Kinder schleißen allgemach,
fangen an zu schleißen, zu reißen, im Oberdeutschen. 2) * Entweichen, die
Flucht ergreifen, einen Ort verlassen, wo es sich von lassen nur durch den
Zischlaut unterscheidet; eine noch in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche
Bedeutung. Wir mußten Haus und Hof schleißen, verlassen, Scheuchz. Nieders.
ehedem sleiten. 3) * Vergehen, ingleichen verfließen, von der Zeit;
Niedersächs. sliten. Ehe noch zehen Jahre schleißen, verfließen, in einigen
Oberdeutschen Gegenden. II. Als ein Activum, schleißen machen, in den
Bedeutungen des vorigen Neutrum. 1) Reißen, spalten; bey dem Ottfried sleizan,
der es auch figürlich für verletzen, übertreten gebraucht, da es denn von
laedere, und unserm letzen in verletzen nur durch den Zischlaut unterschieden
ist. Weiden schleißen, spalten. Kienholz schleißen, zu Schleißen spalten.
Federn schleißen, den weichen haarigen Theil von dem Kiele reißen; Nieders.
spleeten. Geschlissene Federn, in einigen Gegenden geschlossene; im Gegensatze
der ungeschlissenen. Rinden schleißen, wofür im Hochdeutschen schälen oder
abschälen üblicher ist. Im Oberdeutschen schleißet man auch Steine, welche man
im Hochdeutschen spaltet. In noch weiterm Verstande schleißet man in einigen
Oberdeutschen Gegenden Häuser, Mauern und Städte, wofür im Hochdeutschen
schleifen, üblicher ist; Nieders. sliten. 2) * Fortbewegen, fortgehen machen,
welche Bedeutung noch in verschleißen übrig ist, (
S. dasselbe.) 3) * Zu Ende bringen, endigen; eine im
Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, welche in dem Nieders. sliten sehr gangbar
ist. 4) Mit Schleißen versehen; Nieders. slesen. Zwey Breter schleißen, ihre
Fugen mit Schleißen verstopfen. So auch das Schleißen. Anm. Das Schwed. slita
hat alle Bedeutungen mit unserm schleißen und dem Niedersächsischen sliten
gemein, und bedeutet über dieß auch leiden, vermuthlich als ein durch den
intensiven Zischlaut aus leiden gebildetes Wort. Unser Schlitten und schlitzen
sind Intensiva von schleißen, welches überhaupt den Laut einer schnellen
einförmigen Bewegung auf einer Fläche nachahmet. Im Hochdeutschen sagt man fast
häufiger schließen, ich schloß und geschlossen, als schleißen, schliß und
geschlissen. (Siehe auch 1 Schließen.) In manchen Gegenden gehet es regulär;
ich schleißete, geschleißet. [
1521-1522]