- Lich
- Lich,
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2045-2046] eine im Deutschen sehr
fruchtbare Ableitungssylbe Bey- und Nebenwörter zu bilden, wovon die erstern,
wenn es anders die Sache selbst leidet; nach der ordentlichen Regel compariret
werden; Compar. -licher, Superl. -lichste. Diejenigen Wörter, welche diese
Sylbe annehmen können, sind, I. Zeitwörter, welche insgesammt, einige wenige
ausgenommen, die Sylbe en, und wenn sie sich auf -ern oder -eln endigen, nur
allein das n, vorher wegwerfen. Sie sind, 1. Neutra, da denn die daraus
gebildeten Bey- und Nebenwörter, 1) die wirkliche Anwesenheit desjenigen
Zustandes bezeichnen, welchen das Zeitwort ausdruckt, und mit dem Mittelworte
der gegenwärtigen Zeit oft einerley Bedeutung haben. Tauglich, was wirklich
taugt, untauglich, behaglich, was behaget, beharrlich, beharrend, ersprießlich,
dienlich, schicklich, sehnlich, hinlänglich, schmerzlich, einträglich,
ziemlich, sich ziemend, gebührlich, sehr begehrlich seyn. Einige, besonders
Oberdeutsche Wörter dieser Art werden nur allein als Nebenwörter gebraucht.
Bittlich einkommen, bittend, beschwerlich vorbringen, beschwerend. Es ist mir
erinnerlich. Hierher gehören auch die Nebenwörter, welche von den Desiderativis
auf -ern gebildet werden, aber größten Theils eben so niedrig sind, als die
Zeitwörter selbst. Es ist mir nicht esserlich, es essert mich nicht, ich habe
keine Lust zu essen. So auch speyerlich, kotzerlich, tanzerlich u. s. f.
Lächerlich und weinerlich sind von ihnen nur allein in der anständigern
Sprechart aufgenommen, haben aber auch noch einige Nebenbedeutungen. 2) In
einigen bezeichnet es noch die Möglichkeit, in denjenigen Zustand zu gerathen;
welchen das Zeitwort ausdruckt. Ein sterblicher Mensch, der sterben kann und
muß, die unsterblichen Götter, einer Sache empfänglich seyn, sie empfangen
können, das ist mir nicht dienlich, kann mir nicht dienen. 2. Activa. Die davon
gebildeten Bey- und Nebenwörter werden so wohl im thätigen als leidendlichen
Verstande gebraucht. 1) Im thätigen. (a) Die Handlung, welche das Zeitwort
bezeichnet, wirklich verrichtend, so wie die Mittelwörter der gegenwärtigen
Zeit. Erbaulich, beförderlich, eine bewegliche Rede, einem hinderlich seyn, ein
verächtliches Kopfnicken, ein verderblicher Krieg, ein betrieglicher Mensch,
gedeihlich, vergeßlich, verkleinerlich, schrecklich, erfreulich, befremdlich,
schädlich u. s. f. Viele Sprachlehrer haben diese thätige Bedeutung getadelt,
und sie ganz auszumerzen angerathen, aber ohne einen triftigen Grund
anzuführen. Über dieß sind sie zu zahlreich, und zu allgemein eingeführet, als
daß man an eine Abschaffung derselben sollte denken können, wenn auch die
Zweydeutigkeit mit den folgenden passiven Bedeutungen dazu Bewegungsgrundes
genug wäre. (b) Was die Handlung des Zeitwortes thun, dessen Wirkung hervor
bringen kann, in welchem Verstande auch viele der schon angeführten gebraucht
wer. den. Erbaulich, was erbauen kann. So auch schmerzlich, erquicklich,
ergetzlich u. s. f. 2) Im leidendlichen Verstande. (a) Was wirklich gethan
wird. Merklich, was bemerket wird. Üblich, gebräuchlich, erforderlich, was
geübt, gebraucht, erfordert wird, und andere mehr. (b) Was gethan zu werden
verdienet. Eine bedenk- liche Sache, ein verächtlicher Mensch, ein
bedauerliches Unglück, ein anmerklicher Umstand, eine besorgliche Gefahr, ein
erbärmlicher Anblick u. s. f. (c) Noch häufiger aber, was gethan werden kann,
so wie die Beywörter auf -bar. Verdaulich, erweislich, ersinnlich, beweglich,
glaublich, begreiflich, erdenklich, thunlich, erhörlich bethen, baulich,
wohnbar, besorglich u. s. f. Welche in den meisten Fällen im Gegensatze auch
das un vor sich leiden; unverdaulich, unerweislich, unbeweglich u. s. f. Ja man
kann nach dieser Form auch verneinende Bey- und Nebenwörter machen, wenn gleich
ihr Gegensatz in der bejahenden Form nicht üblich ist. Unverbesserlich,
unermeßlich, unverletzlich, unaussprechlich, unerbittlich, untadelich,
(eigentlich untadellich,) unerforschlich, unergründlich, und tausend andere
mehr, deren bejahende Gegensätze verbesserlich, ermeßlich u. s. f. entweder gar
nicht, oder doch nur selten vorkommen. Anm. Einige wenige Wörter dieser Art
scheinen von dem Mittelworte der gegenwärtigen Zeit gebildet zu seyn;
flehentlich, hoffentlich, wissentlich, vermessentlich, von flehend, hoffend u.
s. f. in welchem Falle man sie auch richtiger mit einem d schreiben würde.
Allein da sich dieses t auch in öffentlich und ordentlich findet, ersteres von
dem Nebenworte offen, und letzteres vermuthlich von Ordnung, wir auch ein
eigenes t euphonicum haben, welches gerne dem n nachgesetzet wird,
S. T.: so scheinen sie vielmehr von dem vollständigen
Infinitiv gemacht zu seyn, obgleich auch diese Beybehaltung des -en, eine
Ausnahme von der Regel ist. Leserlich und fürchterlich, was gelesen werden
kann, was fürchten macht, sind vielleicht die einzigen, welche, vielleicht auch
um des Wohllautes willen, noch ein müßiges er annehmen, für leslich,
fürchtlich, wenn nicht dieses letzte vielmehr von dem Hauptworte Furcht gemacht
ist. Lächerlich, weinerlich, grauerlich, u. a. m. sind nach der Regel von den
Desiderativis lächern, weinern, grauern gebildet. II. Hauptwörter. Die davon
vermittelst dieser Ableitungssylbe gebildeten Bey- und Nebenwörter bezeichnen,
1. Eine Ähnlichkeit, welches die erste und eigentlichste Bedeutung dieses
Wortes ist, und figürlich auch eine in dieser Ähnlichkeit gegründete Sache.
Fürstlich leben, wie ein Fürst, königlich speisen, ein herrliches Gastmahl,
gräfliche Güter haben, ein männliches Betragen, der kindliche Gehorsam, eine
jugendliche Freude, ein väterliches Herz, sehr bürgerlich thun. So auch
feyerlich, spöttlich, wunderlich, göttlich, herbstlich, jämmerlich, menschlich,
schmerzlich, meisterlich, ehrlich, weltlich u. s. f. Wohin, 2. Auch diejenigen
gehören, welche eine Art und Weise bezeichnen, keine Comparation leiden, und
zum Theil nur als Nebenwörter üblich sind. Bildlich, in Gestalt eines Bildes,
käuflich, eidlich, nahmentlich, mit Nahmen, das Oberdeutsche nachrichtlich, in
Gestalt einer Nachricht, augenblicklich, im Augenblicke, wörtlich, mit Worten,
mündlich, mit dem Munde, schriftlich, persönlich u. s. f. Ingleichen jährlich,
täglich, monathlich, wöchentlich und stündlich, für alle Jahre, alle Tage, alle
Monathe, alle Wochen, alle Stunden, gleichsam jahrweise u. s. f. 3. Ein
Eigenthum, und zuweilen figürlich auch einen darin gegründeten Zustand;
gleichfalls ohne Comparation. Die bischöflichen Güter, die fürstliche Würde,
die königliche Krone, das gräfliche Wapen, die göttlichen Eigenschaften, die
weiblichen Vorrechte, die menschlichen Schwachheiten, häusliche
Angelegenheiten, die mitternächtlichen Länder, welche gegen Mitternacht liegen
u. s. f. Ohne Zweifel wird diese Ableitungs- [
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sylbe gemißbraucht, wenn man die damit gebildeten Wörter anstatt des Genitivs
eines Hauptwortes gebraucht, so gemein solches auch in vielen Fällen ist. Die
churfürstliche Frau Mutter, für, die Frau Mutter des Churfürsten, die
fürstlichen Herren Brüder, die Herren Brüder des Fürsten. Oder wohl gar, wenn
eine Apposition Statt finden sollte, der königliche Liebhaber, der ein König
ist, oder der mit der königlichen Würde begabte Liebhaber.
S. Königlich. 4. Einen Besitz und eine darin gegründete
Eigenschaft; anstatt der Sylbe -ig. Unglücklich, glücklich, Glück, Unglück
habend, Holländ. gelukkig, körperlich, einen Körper habend, füglich, räumlich,
ehrlich, gefährlich, zuversichtlich u. s. f. 5. Eine wirkende Ursache, eine
Verursachung. Nützlich, rühmlich, löblich, schändlich, schädlich, schimpflich,
was Nutzen, Ruhm, Lob u. s. f. bringt, bedenklich, Bedenken verursachend,
gefährlich, Gefahr bringend, abscheulich, Abscheu erweckend, erstaunlich u. s.
f. III. Beywörter, wo diese Sylbe vornehmlich eine doppelte Bedeutung hat. 1.
Bedeutet sie eine Ähnlichkeit, einen dem Begriff des Beywortes nahe kommenden,
aber doch geringern Grad. Bräunlich, bläulich, röthlich, schwärzlich, weißlich
u. s. f. dem Braunen, Blauen, ähnlich, in diese Farben fallend. Kältlich, ein
wenig kalt, kärglich, ein wenig karg, etwas gröblich zerstoßen. So auch
süßlich, bitterlich, härtlich, kränklich, länglich, laulich, ältlich, dicklich,
breitlich, weichlich, fälschlich, schwächlich, und hundert andere mehr. In
vielen Gegenden lautet diese Sylbe, besonders wenn von Farbe die Rede ist,
licht, und im Oberdeutschen mit Ausstoßung des Hauches let; röthlet, weißlet,
schwärzlet u. s. f. Die Schweden sagen auf eben dieselbe Art rödlett, hwitlett,
für röthlich, weißlich, welche Ihre von dem noch in dieser Sprache gangbaren
Hauptworte Let, Lit, die Farbe, ableitet, und es kann seyn, daß im Deutschen
ehedem eben ein solches Hauptwort üblich gewesen, von welchem die gedachten
Oberdeutschen Beywörter ihr let, leicht und licht entlehnet haben. Im
Hochdeutschen werden sie am häufigsten auf lich gemacht, welches einen eben so
guten Verstand gibt. In den Niederdeutschen Mundarten setzet man dafür die
Sylbe an voran, anroot, röthlich, ansöt, süßlich, anhart, härtlich u. s. f.
S. Ähnlich. 2. Hat diese Sylbe auch die Kraft,
Nebenwörter aus Beywörtern zu bilden, und zwar solche, welche als eine Figur
der vorigen Bedeutung, eigentlich eine Art und Weise bedeuten, aber hernach
auch sehr häufig für die adverbische Form des Beywortes selbst gebraucht
werden. Klärlich, auf eine klare Art, und hernach auch klar, d. i. deutlich,
selbst. So auch höchlich, gütlich, sichtbarlich, bitterlich weinen, treulich,
gänzlich, erstlich, wahrlich, säuberlich, sicherlich, mißlich, freylich,
kühnlich, leichtlich, schwerlich u. s. f. Wo denn dieses lich zuweilen auch
solchen Beywörtern angehänget wird, welche vermittelst der Endungen ig, bar,
sam und haft zu Beywörtern gebildet worden; gleichfalls in der Absicht,
Nebenwörter daraus zu bilden. Ewiglich, inniglich, gnädiglich, listiglich,
gehorsamlich, dankbarlich, sichtbarlich u. s. f. Im Hochdeutschen sind diese
Nebenwörter größten Theils veraltet, wenigstens in der Edlern Schreibart, weil
man dafür lieber das Beywort in der adverbischen Form selbst gebraucht; ewig,
gnädig, listig, u. s. f. Die Oberdeutsche Mundart, welche die Begriffe und
Sylben so gern auf eine unnöthige Art häuft, gebraucht sie noch ohne alle
Einschränkung, selbst als Beywörter; ein meineidigliches Betragen, für ein
meineidiges, mächtiglich, fleißiglich, [
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brünstiglich u. s. f. Da man denn auch den Beywörtern, welche eigentlich kein
ig am Ende haben, vor der Bildung noch ein unnöthiges ig aufzudringen, und an
dem lich in der adverbischen Gestalt noch ein en zu hängen pflegt;
jämmerlichen, herziglichen, wonniglichen, trauriglichen u. s. f. IV. Partikeln,
deren doch nur wenige sind. Öffentlich, von offen, widerlich, innerlich,
äußerlich, und vielleicht noch einige andere, welche zum Theil aber auch von
den gleichlautenden Beywörtern offen, innere, äußere, herkommen können. Anm.
Man muß die mit dieser Sylbe gemachten Wörter nicht mit denjenigen verwechseln,
wo einem mit l sich endigenden Worte das -ig angehänget wird. Adelig, kitzelig,
billig, selig, hügelig u. s. f. kommen von Adel, Kitzel, Bill, Sal und Hügel
her, und müßten, wenn sie mit dieser Sylbe zusammen gesetzet werden sollten,
adellich, kitzellich, hügellich u. s. f. heißen. Indessen gibt es doch Fälle,
wo bey einem zusammen kommenden doppelten l das eine weggeworfen wird, wie in
untadelich. In den Hauptwörtern Zwillich und Drillich ist die letzte Sylbe ein
eigenes Hauptwort, welches zu dem Geschlechte des Lat. Licium gehöret. Die mit
dieser Sylbe verbundenen Wörter verwandeln die Vocale a, o und u der zweyten
und dritten Sylbe vom Ende in den meisten Fällen in die verwandten laute ä, ö
und ü. Erträglich, sträflich, nützlich, körperlich u. s. f. Dagegen viele
dieselben unverändert erhalten; erbaulich, laulich, wunderlich, sonderlich,
ordentlich. In sehr vielen Fällen lassen sich aus diesen Beywörtern vermittelst
der Ableitungssylbe -keit Hauptwörter bilden; Höflichkeit, Seligkeit,
Beharrlichkeit u. s. f. (
S. - Keit.) Ehedem hängte man nur ein e daran, ähnliche
Abstracta daraus zu bilden; Armlichi, Notk. Ärmlichkeit, Armuth, Elend,
Sangleiche, Melodie, Willeram; welche Form aber veraltet ist. Auch Zeitwörter
wußte man aus solchen Bey- und Nebenwörtern zu machen. Guoudlichan, guotlichen,
gefallen, bey dem Willeram und Notker, mislichen, mißfallen, bey dem Willeram.
Auch diese sind größten Theils veraltet; doch hat man noch die Zeitwörter
ehelichen, verherrlichen, und vielleicht noch einige andere. Es gilt auch von
dieser Ableitungssylbe, was von den meisten übrigen gilt, nähmlich, daß es
nicht in unsrer Willkühr stehet, nach eigenem Gefallen neue Wörter vermittelst
derselben zu bilden, obgleich in einigen Fällen, welche aber doch der Analogie
sehr genau angemessen seyn müssen, dieses Recht erlaubt ist. Diese
Ableitungssylbe, welche bey den ältern Schriftstellern oft leich, licho,
lautet, ist sehr alt, und fast in allen Europäischen Sprachen anzutreffen. Im
Angelsächsischen lautet sie lic, im Engl. ly, im Schwed. und Dän. lig, und im
Lat. lis, regalis, puerilis u. s. f. Es ist wohl gewiß, daß es eben dasselbe
Wort ist, welches mit dem vorgesetzten Gaumenlaute jetzt bey uns gleich lautet,
und in vielen der vorhin angezeigten Fälle ist die erste und eigentliche
Bedeutung dieses Wortes noch vorhanden, von welchen die übrigen bloß Figuren
sind. (
S. Gleich.) Die Fürwörter solch, talis, und weich,
qualis, sind mit Ausstoßung des i gleichfalls daraus gebildet. (
S. diese Wörter). In jähling und vielleicht noch einigen
andern hat sich ein n mit eingeschlichen,
S. Ling. [
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