2. Der Kern
2. Der Kern,
[
1551-1552] des -es, plur. die -e,
Diminut. das Kernchen, Oberd. Kernlein, ein Wort, in welchem sich die genau mit
einander verwandten Begriffe der Höhle, des darin befindlichen Körpers und der
Ründe vereinigen. 1. Einer Höhle; in welchem Verstande es nur noch in einigen
einzelnen Fällen vorkommt. 1) Eine Kerbe, d. i. unten spitzig zulaufende
Öffnung in einem Körper, heißt im Nieders. ein Kern. (
S. Kerbe,) 2) In der Geschützkunst ist es die innere
Höhlung einer Kanone, von der Mündung bis an den Boden, welche sonst auch die
Seele genannt wird. (
S. Kerngeschütz, Kernrecht, Kernstange,) 3) An den
Pferden ist es das mit einem schwarzen Flecke versehene Grübchen in den Zähnen
der Pferde, welches auch die Kennung und die Bohne heißt, und woraus das Alter
der Pferde erkannt wird. 4) Eben daselbst führet diesen Nahmen auch eine von
den Furchen, woraus der Gaumen an den Pferden bestehet. In der Feifel pfleget
man den Pferden den dritten Kern zu stechen.
S. Kernstechen. 2. Eines in einer solchen Höhle
verborgenen festen Körpers. 1) Eigentlich. (a) Bey den Gießern ist diejenige
Masse, welche in die Form gethan wird, damit der Guß inwendig hohl werde, die
innere Form, der Kern, zum Unterschiede von der äußern Form, welche der Mantel,
der Hobel, die Schale genannt wird. Dahin gehöret vermuthlich auch der Kern der
Schriftgießer, welches eine Platte in dem Gießinstrumente ist, an deren Ecken
der Buchstab zu liegen kommt; ingleichen der Kern der Schlösser, ein nach
Belieben gefeiltes Eisen, die Gesenke damit zu machen. (b) An Gewächsen wird
der Same mit der Hülfe oder Schale, welche ihn umgibt, häufig der Kern genannt;
doch nur in verschiedenen einzelnen Fällen. Im Oberdeutschen führet das
Getreide den Nahmen des Kernes, wofür die Hochdeutschen Korn sagen. Bey dem
Notker ist Chern der Weitzen, und Chornes Cherno ein Getreidekorn. Im Oberd.
ist der Kernen noch jetzt für Getreide üblich. Die Samenkörner aller Obstarten
und der Beeren tragenden Gewächse, heißen auch im Hochdeutschen Kerne.
Apfelkerne, Birnenkerne, Kerne der Weintrauben, der Vogelbeeren u. s. f. Auch
die mit einer harten steinartigen Schale umgebenen Samenkörner führet diesen
Nahmen, und werden zum Unterschiede hartschälige Kerne genannt, in Gegensatze
jener weichschäligern. Kirschkerne, Pflaumenkerne, Pfirschenkerne u. s. f. (
S. Kernobst,) (c) In engerer Bedeutung, der weichere
innere eigentlich fruchtbare Theil nicht nur dieser Kerne, sondern aller Arten
des Samens, im Gegensatze der Schale. Die Kerne der Nüsse, Nußkerne, der
Mandeln, Mandelkerne, der Eicheln, Kastanien, Kirschen u. s. f. Engl. Kernel,
Franz. Cerneau. Im engern Verstande sind die von den Hülfen befreyeten Körner
des Dinkels im Oberdeutschen unter dem Nahmen des Kernes bekannt, wo das Wort
als ein Collectivum nur im Singular üblich ist; welchen Nahmen zuweilen auch
der Gries und die Grütze von andern Getreidearten führet. (d) In den Flöten und
Orgelpfeifen ist es eine fast ganz runde Schreibe, welche das Mundstück bis auf
eine gerade schmale Spalte verschließt. 2) In weiterer Bedeutung das Innerste
eines Körpers. So wird das Innere der Samenkörner der Kern genannt. Der Weitzen
hat einen schönen Kern, wenn der innere mehlige Theil derb und von guter Art
ist. Das Innere der Artischocken, die innern Theile der Salat- und Kohlhäupter
und ähnlicher Gewächse, das Mark des Holzes, ingleichen das innere festere
Holz, zum Unterschiede des weichern Splintes, ist unter dem Nahmen des Kernes
bekannt; (
S. Kernholz, Kernschälig, Kernscheit,) Eben diesen
Nahmen führet der inwendige empfindliche, mit dem Hufe umgebene Theil eines
Pferdefußes. Der Kern schwindet, wenn dieser Theil schadhaft wird; (
S. Kernschwinden,) An den Sonnenflecken heißt der innere
ganz schwarze Theil derselben der Kern, anderer Fälle zu geschweigen. 3)
Figürlich, das Beste, Kräftigste eines Dinges. Das beste, feinste und weißeste
Mehl führet den Nahmen der Kernes, oder des Kernmehles, (
S. Mundmehl,) so wie das beste geschiedene Erz im
Bergbaue den Nahmen des Kernes. Die beste ausgesuchte Waare unter mehrern heißt
der Kern. Der Kern einer Armee. Der Kern einer Predigt, einer Rede, eines
Buches u. s. f. ein kurzer Auszug der wesentlichsten, wichtigsten und
wirksamsten Wahrheiten aus denselben.
Schweig nur, ich kenne dich, du bist der klare Kern, Rost.
ironisch, du bist der Kern aller leichtfertigen Vögel. Daher
dieses Wort oft in Zusammensetzungen gebraucht wird, etwas Vorzügliches in
seiner Art zu bezeichnen: kerngut, sehr gut, ein Kernspruch, ein auserlesener
kräftiger Spruch, eine Kernpredigt u. s. f. Im Oberdeutschen ist der Kern
theils der süße Milchrahm, zum Unterschiede von dem sauern, welcher daselbst
Milchrahm in engerer Bedeutung genannt wird, theils ein jeder Milchrahm; ohne
Zweifel so fern derselbe der kräftigste, nahrhafteste Theil der Milch ist.
S. Kernen. 3. Ein kleiner runder Körper. Das
Schießpulver ist gut von Kern, wenn es aus guten festen Körnern bestehet.
Vitriol-Kern, ohne Plural als ein Collectivum, Abgang in Körnern von dem
Vitriol. In den meisten übrigen Fällen ist dafür jetzt Korn üblicher, (
S. dasselbe,) Doch gebraucht man es noch zuweilen mit
dem herrschenden Begriff des Derben oder Festen,
S. Kernig. Anm. In der zweyten Hauptbedeutung in
Oberschwaben Chern, im Nieders. Karn, im Dän. Kiärne, Im Schwed. Kerne, im
Isländ. Kiarne. Es gehöret zu dem großen Geschlechte der Wörter, welche nicht
nur eine Vertiefung, sondern auch eine Erhöhung bedeuten. (
S. Kaue, Kahr, Korb, Kürbs und Korn,) So fern der Kern
das Beste einer Sache bedeutet, ist im Ital. Cerna, und im mittlern Lat.
Cernea, die Auswahl, und Cerneda ein Ausschuß der besten Soldaten, wohin auch
das Lat. discernere zu gehören scheinet, welches aber auch mit köhren, wählen,
verwandt seyn kann. Übrigens kommt dieses Wort in den Mundarten in allen drey
Geschlechtern vor, der die und das Kern, da es denn im sächlichen Geschlechte
im Plural auch Kerner hat, obgleich im Hochdeutschen nur allein das männliche
üblich ist. [
1553-1554]