Zu
, [
1733-1734] eine Partikel, welche auf eine
dreyfache Art gebraucht wird, als eine Präposition, als ein eigentliches
Adverbium oder Beschaffenheitswort, und als ein Umstandswort. In den beyden
ersten Fällen hat sie allemahl den Ton, in dem letzten aber nur in Einer
Bedeutung. I. Eine Präposition, welche allemahl die dritte Endung des
Nennwortes erfordert, in welcher Gestalt sie in mehrern dem Anscheine nach
verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird, welche sich zwar in gewisse Classen
bringen lassen, wo sich aber die Fälle, welche in jede Classe gehören, nicht
leicht allgemein bestimmen lassen, weil es bey dieser Präposition mehr, als bey
irgend einer andern, auf den Gebrauch und das Herkommen ankommt, in welchem
Falle man in einer oder eben derselben Bedeutung zu, oder eine andere
Präposition zu gebrauchen hat. Aus dieser Ursache ist es auch nicht leicht
möglich, bey jeder Bedeutung alle dahin gehörige Fälle einzeln anzugeben. Sie
bezeichnet aber: 1. Einen Stand der Ruhe, an oder in einem Orte, oder Dinge.
(a) Eigentlich, wo doch ihre Bedeutung sehr eingeschränkt ist. Überhaupt leidet
sie in dieser Bedeutung nicht gern den Artikel, ob sie gleich in manchen Fällen
den Casum durch ein angehängtes m oder r bezeichnet, oder vielmehr den Artikel
nur sehr schwach anzeiget. Zu Hause seyn. Ich war gestern nicht zu Hause. Zu
ebener Erde wohnen, für im ersten oder untersten Stocke. Zu Tische sitzen, am.
Zu Bette liegen, im Zu Hofe dienen. Gut zu Pferde sitzen. Hier zu Lande, in
unserm Lande. Es ist mir nicht zur Hand, nicht bequem. Einem zur Seite sitzen,
an seiner Seite. Ich habe niemand zur Seite, der mir aufwarte, in der Nähe, zu
meiner Bequemlichkeit. Ein Treffen zur See, zu Lande. Einem zur Rechten sitzen,
auf der rechten Seite. Einem zur Linken gehen. Zur Ader lassen, Blut aus der
Ader lassen. Nur im Plural, (welche Fälle doch selten sind,) stehet der
Artikel, weil zun das Ohr beleidigen würde. Einem zu den Füßen liegen. Zu den
Barfüßern, zu den Predigern wohnen, im gemeinen Leben, für in der Gegend des
Barfüßerklosters, der Predigerkirche oder der Predigerhäuser. Ingleichen vor
eigenen Nahmen des Ortes, für in. Die Gesandten zu Regensburg. Er lebt zu
Berlin. Zu London ist es sehr theuer, besser, in. Er spielte zu Dresden eine
ganz andere Rolle. Der Bischof zu Speyer, Churfürst zu Sachsen, besser, von.
Freyherr von Freyberg zu Hohenau, wofür auch auf üblich ist. Zu Jerusalem ist
die Stätte, wo man anbethen soll. Zu Paris geboren. Die Universität zu Leipzig,
zu Halle u. s. f. Das Schloß zu Braunschweig. Zu Jena studieren. Im Lande zu
Sachsen, besser, in Sachsen. Prediger zu St. Thomä, an der Thomas-Kirche. (b)
Eine Zeit. 1. Wenn etwas ist, oder geschiehet, auch nur in einigen eingeführten
Fällen. Zu Anfange, besser, an Anfange, anfänglich. Zu Mittag fand ich ihn,
besser, um den Mittag, oder am Mittage. Zu derselben Stunde, in. Zur Stunde
aber bedeutet so viel als sogleich, auf der Stelle: einem zur Stunde
willfahren. Heut zu Tage, besser, zu unsern Zeiten, gegenwärtig, jetzt. Zu
Nacht essen, besser, Abends speisen, oder Abendmahlzeit halten. Besonders mit
dem Worte Zeit. Zu der Zeit, damahls. Zu meiner Zeit, als ich noch lebte, oder
als ich mich noch in solchen Umständen befand. Sie kamen zu einer und eben
derselben Zeit. Zu früher Tageszeit. Zu rechter Zeit. Zur Zeit der Noth. Zur
Zeit bleibt es noch unter uns, jetzt. Zur Unzeit schweigen. Zur andern Zeit. Zu
Zeiten, zuweilen. 2. Eine Zeitdauer zu bezeichnen. Zu halben Stunden plaudern.
Zu ganzen Tagen spielen. Zu halben Nächten trinken. Welche Fälle man doch in
der edlern Schreibart lieber umschreibet. (c) Eine Art und Weise. 1.
Eigentlich: auch nur in einigen Fällen. Zu Wasser, zu Lande reisen. Zu Pferde,
zu Fuße kommen. Hundert Mann zu Pferde, tausend Mann zu Fuß. Zu Deutsch, zu
Latein, besser, auf Deutsch, auf Lateinisch. Ihm ist nicht wohl zu Muthe. Zur
Noth. Zur Genüge haben, genug. Zum Überfluß. Zum öftern, oft. Zur
[
1735-1736] Ungebühr mit etwas groß thun, auf eine
ungebührliche Art. Sie kommen zu Paaren, in Paaren, Paarweise. Sie fliegen zu
Scharen empor. Da starben sie zu tausenden. Besonders von den Superlativen, sie
als Adverbia zu gebrauchen, da denn das Merkmahl des Datives an das zu gehänget
wird. Zum wenigsten, auf das wenigste. Ich bin zum höchsten verbunden. Sich zum
schönsten bedanken, im gemeinen Leben für auf das beste, verbindlichste. Er
machte es unter allen zum besten. Die ganze Form gehöret höchstens in die
vertrauliche Sprechart, indem man in der edlern dafür die Form mit auf das
vorziehet, auf das höchste verbunden. Besonders 2. eine Zahlordnung. Zum
ersten, zum andern, zum dritten u. s. f. erstens, zweytens, drittens. Zum
ersten, zweyten, dritten Mahle u. s. f. Zuerst kommen, der erste seyn. Zuletzt
kommen, der letzte seyn. Zum letzten Mahle. Zu guter Letzt. 3. Ein Verhältniß;
nur in einigen wenigen Fällen. Alle Ausgaben mit zur Hälfte tragen. Den Gulden
zu 16 Groschen gerechnet. Die Elle zu zwey Fuß, das Pfund zu 16 Unzen
gerechnet. Wie sich verhält 2 zu 4, so verhält sich 6 zu 12. 2. Die Richtung
einer Bewegung, oder Handlung nach einem Gegenstande; auch nur in manchen
Fällen, indem in andern andere Präpositionen hergebracht sind. (a) Eigentlich,
die Richtung einer Bewegung nach einer Person, oder einem Gegenstande. Komm zu
mir. Gehe zu ihm. Zu einem eilen, laufen, fahren, reisen, schwimmen, u. s. f.
Sich zu einem kehren, wenden, setzen, legen, nahen. Seine Augen zu jemanden
aufheben. Zu wem wollt ihr? Ich will dich zu ihm führen. Zu jemanden in das
Haus ziehen. Etwas zu sich nehmen, zu sich stecken. Da denn die Richtung oft
durch ein Umstandswort noch näher bestimmt wird. Zum Fenster hinaus fallen, zum
Fenster hinein steigen. Zur Thür hinein, hinaus gehen. Den Weg zum Lande hinaus
suchen. Besonders in sehr vielen adverbischen Ausdrücken, wo zu, mit dem
Substantive ohne Artikel gebraucht, die Stelle eines Adverbii vertritt. Zu
Tische, zu Bette, zur Kirche gehen. Zum Tanze gehen, kommen. Zu Felde ziehen.
Zur Beicht, zum Abendmahl gehen. Zur Mahlzeit gehen. Zu Hause kommen. Zur Stadt
kommen. Waaren zu Markte bringen. Zu Winkel kriechen. Zu Gaste gehen. Zur
Schule kommen. Zu Neste tragen. Zu Baume steigen, zu Baue kriechen, bey den
Jägern. Zur Hochzeit, zur Leiche gehen. Zu Boden sinken, fallen, werfen. Zu
Schiffe gehen. Sich zu Pferde setzen. Zu Stuhle gehen. Eine Leiche zu Grabe
tragen. Zu Grunde gehen. Die Haare stehen mir zu Berge. Besonders mit
Auslassung des ander. Von Haus zu Haus gehen, von einem Hause zum andern. Von
Thür zu Thür betteln. Ich will von Insel zu Insel schweifen. Von Tag zu Tage,
von Stunde zu Stunde, von Jahr zu Jahr.
S. Ander. Eben so häufig in vielen figürlichen
Ausdrücken, wo zwar zu die obige eigentliche Bedeutung behält, der ganze
Ausdruck aber figürlich ist. Einem zu Leibe gehen, im gemeinen Leben, auf ihn
losgehen. Etwas zu Papiere bringen, aufschreiben. Jemanden zur Verantwortung
ziehen, Red' und Antwort von ihm fordern. Ihn zur Rede setzen. Sich zur Ruhe
setzen. Einen nicht zu Worte kommen lassen. Sich zum Ziele legen. Wenn es zum
Bezahlen kommt. Und von Worten kams zu Schlägen. Wie bist du dazu gekommen, wie
hast du es bekommen? Wie komme ich zu der Strafpredigt? Etwas zu Herzen nehmen.
Das ging ihm zu Herzen. Einem etwas zu Gemüthe führen. Er wächst mir zu Kopfe,
wird mir zu mächtig, überlegen. Zum Kreuze kriechen, sich demüthigen. Von Kopf
bis zu Fuß, bis auf die [
1735-1736] Füße. Jemanden zu sich
selbst bringen, wieder zu sich kommen. Zu Rathe gehen, rathschlagen. Zu Rathe
ziehen, um Rath fragen. Zu Schaden kommen, Schaden nehmen, beschädigt werden.
Wieder zu seinem Vorhaben kommen. Es gehet zu Ende, ist zu Ende, ist geendigt.
Etwas zu Ende bringen, endigen. Zu Fleisch kommen, im gemeinen Leben, für fett
werden. Zum Vermögen kommen, reich werden. Er kann zu nichts kommen, erwischt
nichts. Einem zu Hülfe kommen, eilen. Zu Stande bringen, kommen,
bewerkstelligen. Zu Werke gehen, etwas anfangen. Zu Werke richten, vollenden.
(b) Die Richtung einer Handlung, oder auch des Gemüthes auf einen Gegenstand.
Zu Gott bethen. Luft zu etwas haben. Zur Arbeit, zum Müßiggange, zum Sitzen
gewöhnt. Zu etwas treiben, nöthigen, zwingen, bitten, berufen. Sich zu etwas
bequemen, rüsten, bereiten u. s. f. Es kommt zum Treffen. Jemanden zu etwas
einladen, zum Tanze, zu Gaste bitten. Zu einer Sache etwas beytragen. (c) Eine
zufällige Verbindung eines Dinges mit dem andern, eine Gesellschaft; nur in
einigen Fällen. Brot zum Fleische essen. Zu meiner Zärtlichkeit verlang ich
keine Zeugen, Gell. Zu etwas schweigen. Zu allem lachen. Zu etwas ja sagen.
Jemanden etwas zum neuen Jahre, zu seinem Geburtstage schenken, wo es auch die
obige Bedeutung der Zeit haben kann. Die Pflästerchen schicken sich gut zu
deinem Gesichte. Die Knöpfe schicken sich nicht zu der Farbe. (d) Eine
Bestimmung. Ein Gefäß zur Milch. Rauchwerk zu einem Pelze, Tuch zu einem
Kleide. Wasser zum Trinken, zum Waschen. Papier zum Drucken, Schreiben. Ein
Pinsel zum Mahlen. Ein Keller zum Wein. Ein Pferd zum Reiten. Holz zum
verbrennen. Geld zum Spielen. Wo sich die ganze Redensart sehr oft in ein
Compositum zusammen ziehen läßt. Spielgeld, Brennholz, Reitpferd, Weinkeller,
Trinkwasser, Waschwasser u. s. f. Zum Leiden gemacht, zur Freude bestimmt. Das
reicht zu seinem Unterhalte nicht zu. Einem etwas zu einem Kleide schenken. Zu
nichts taugen. Zu etwas tüchtig, fähig, geschickt seyn. Zum Todeverurtheilen.
Meine Zeit ist mir zu solchen Beschäftigungen zu kostbar. (e) Die Endursache,
der Endzweck, Bewegungsgrund. Dir zum Nutzen, zum Besten, zum Vortheil; mir zum
Schaden, zum Nachtheil. Das gereicht zu deiner Ehre, zu deiner Schande.
Jemanden etwas zum Possen, zum Verdrusse, zu Liebe, zum Gefallen thun. Es
stehet ihnen zu Diensten, zu Gebothe, zu Befehl. Was ist zu ihrem Befehle? Zu
dem Ende. Halten sie es mir zu Gute, verzeihen sie es mir, nehmen sie es nicht
übel. Wollen sie mir's zur (aus) Dankbarkeit geben, so nehme ich es an, Gell.
Du wirst es zu deiner Qual wählen. Das ist dir zu Gut geschehen, zu deinem
Besten. Etwas zur Schau herum tragen. Zu meinem Glücke, Unglücke. Bey jemanden
zum Besuche seyn. (f) Die Hervorbringung einer neuen Qualität an einem Dinge,
vor der neuen Qualität. Zu Erde, zu Staub, zu Stein werden. Zu Wasser werden,
auch figürlich, vereitelt werden. Etwas zu Pulver stoßen, reiben, mahlen. Etwas
zu Gelde machen, es verkaufen. Jemanden zum Pabst wählen, zum Kaiser krönen,
zum Statthalter ernennen. Zum Priester weihen. Zur Frau, zum Mann nehmen. Zum
Doctor, Magister machen. Zum Narren machen werden. Sich zum Herren aufwerfen.
Es wird mir zu Theil. Sich jedermann zum Feinde machen. Jemanden zum Gevatter
bitten. Ihr bekommt ihn zum Vater. Das Leben wird mir zur Last. An einem zum
Mörder, zum Verräther werden. Eine Person zur Frau verlangen. Sich zum Fürsten
aufwerfen. Das [
1737-1738] werde dir zum Fluche. Zum
armen, zum reichen Manne werden. Ein Latinismus ist es, wenn man hier das zu
wegläßt, welches in der Deutschen Bibel mehrmahls geschiehet. Z. B. Ich habe
dich gemacht vieler Völker Vater. 1. Mos. 17, 5. Du machest mich ein Haupt, Ps.
18, 44. Er ist verordnet von Gott ein Richter, Apost. 10, 42. (g) Eine
Stellvertretung, das Verhältniß, da ein Ding eine gewisse Quantität vorstellet.
Jemand zum Zeugen nehmen. Gott zum Zeugen anrufen. Das soll dir zum Zeichen,
zum Merkmahl dienen. Etwas zum Beyspiel, zum Muster nehmen. Einer Gesellschaft
etwas zum Besten geben, es ihr Preis geben, unter selbige austheilen. Jemanden
zum Besten haben, ihn aufziehen, äffen. Etwas zum Frühstücke essen. Zum
Beschluß. (h) Zuweilen dienet es bloß, eine Apposition näher zu bestimmen. Sie
hat einen liederlichen Menschen zum Bruder. Er hatte einen großen Mann zum
Vater. Jemanden zum Nachbar haben. Ich habe ihn zum Freunde, er ist mein
Freund. (i) Die Wirkung einer Handlung. Sich zu Tode trinken, grämen, freuen.
Das ist zum todt lachen, man möchte sich darüber todt lachen. O, ich freue mich
zum närrisch werden. Das ist zum toll werden. II. Als ein Adverbium, oder
Beschaffenheitswort, welches folglich nur mit Verbis gebraucht werden kann,
ihren Begriff näher zu bestimmen. Es hat in diesem Falle nur eine einzige
Bedeutung, indem es so viel als verschlossen, zugemacht, bezeichnet, im
Gegensatze des offen. Die Thür ist zu. Die Thür ging nicht zu. Es ist in dieser
Bedeutung nur in der Zusammensetzung mit Verbis üblich: zumachen, zuschließen,
zusiegeln, zudrehen, zubinden, zuschnüren u. s. f. weil zu für sich allein in
dieser Bedeutung veraltet ist, daher die Verba, welchen es zugesellet wird, als
Composita betrachtet werden müssen. In einigen gemeinen Oberdeutschen Mundarten
hingegen wird es so gar noch als ein Adjectiv gebraucht: ein zues Haus, ein
zugemachtes, verschlossenes. III. Als ein Umstandswort, welches einen bloßen
Umstand bezeichnet, und daher so wohl Verbis, als Nennwörtern, Adverbiis und
andern Umstandswörtern zugesellet werden kann. Es kommt hier in doppelter
Gestalt vor. 1. Betont. (a) Eine Beschleunigung, oder Verstärkung der Bewegung
zu bezeichnen. So wohl für sich allein und als eine Interjection: zu! zu! die
Beschleunigung anzubefehlen; als auch in der Zusammensetzung mit Verbis, in
eben derselben Bedeutung: zugehen, seinen Gang beschleunigen. So auch zulaufen,
zuschlagen, zureiten, zufahren u. s. f. Doch diese ganze Bedeutung ist nur im
gemeinen Leben üblich. (b) Die Richtung einer Bewegung näher zu bestimmen, da
es denn allemahl andern Umstandswörtern und Präpositionen zugesellet wird.
Gerade auf etwas zu gehen; im gemeinen Leben, gleich zu gehen. Schaue zum Meere
zu, 1 Kön. 18, 43. besser, nach dem Meere hin. Der Hase lief nach dem Walde zu.
Der Fremde ritt nach der Stadt zu; wo es oft nur eine ungefähre Richtung
bezeichnet. Bestimmter ist die Richtung nach dem auf: da lief er auf mich zu.
So auch auf etwas zu reiten, fahren, eilen, schlagen, stoßen, hauen u. s. f. Da
zu hier bloß die Präposition näher bestimmet, so folget daraus, daß es unnöthig
ist, wenn diese die Richtung schon bestimmt genug bezeichnet. Folglich nicht,
er wandte sich nach mir zu, weil das nach hier keiner nähern Bestimmung bedarf.
Wohl aber, er ritt nach der Stadt zu, weil es hier bloß eine ungefähre Richtung
bezeichnen soll, die das nach für sich allein nicht ausdrücken kann.
[
1737-1738] Eine andere Frage ist, ob das zu in dieser
Bedeutung mit dem Verbo ein Compositum ausmacht. Wenn die Zusammensetzung nicht
auf bloße Willkühr, sondern auf Grundsätze beruhen soll, so muß die Frage mit
nein beantwortet werden. Denn 1. gehöret das zu hier unstreitig zu dem
Adverbio, oder der Präposition; diese bestimmt es unmittelbar, dagegen das
Verbum nur mittelbar bestimmt wird. Fände eine Zusammensetzung Statt, so müßte
sie mit dem Adverbio, oder der Präposition geschehen: geradezu, darauf zu
gehen; welches aber nicht üblich ist, und zwar aus dem gleich folgenden Grunde.
2. Die Zusammensetzung findet unter andern nur in solchen Fällen Statt, wenn
ein Wort entweder für sich allein veraltet ist, oder eine sehr elliptische
Bedeutung bekommt. Allein keines von beyden läßt sich hier anwenden, daher die
Zusammenziehung fehlerhaft seyn würde, besonders wenn man den vorigen Grund mit
dazu nimmt. 2. Unbetont, so daß es den Ton, welchen es in den vorigen Fällen
hatte, auf das folgende Wort wirft. Es dienet in dieser Gestalt zur nähern
Bestimmung theils des Infinitives, theils eines Adverbii, oder Umstandswortes.
(a) Eines Infinitives, wobey vorläufig zu bemerken, daß man diesen Infinitiv
mit zu gemeiniglich das Gerundium nennet, weil er unter andern auch zur
Umschreibung des Lateinischen Gerundii dienet; welches doch ein wenig
unschicklich ist, theils weil dessen Gebrauch sich weiter erstreckt, als des
Lateinischen, theils aber auch, weil es eine wahre Umschreibung ist, und aus
zwey ganz verschiedenen Wörtern bestehet. Diesen Infinitiv mit zu gebraucht man
vornehmlich in folgenden Fällen. (1) Nach vielen Verbis, den Gegenstand
derselben, eine Absicht, eine Möglichkeit und Nothwendigkeit zu bezeichnen, und
zuweilen auch zwey Sätze in Einen zusammen zu ziehen. a. Einen Gegenstand der
Handlung des vorhergehenden Verbi. Es fängt an zu regnen. Er höret auf zu
spielen. Ich befehle dir zu kommen. Ich fürchte zu fallen. Er bath mich, es
nicht zu thun. Ich werde es herbey zu schaffen suchen. Ich werde mich bemühen,
dir zu gehorchen. Laß dir nicht einfallen, wieder zu kommen. Er weiß viel davon
zu sagen. Man zwang mich zu gehen. Er pflegt nach dem Essen zu schlafen. Ich
wünsche, es zu erleben. Ich habe dir viel zu sagen. Nichts zu essen haben.
Einem zu thun geben. So auch mit dem Participio Präteriti, so wohl im passiven
als activen Verstande. Im passiven. Die Schöpfung schien einem ewigen Tode
übergeben zu seyn. Es kränkte ihn, sich übertroffen zu sehen. Im activen. Er
behauptet, es gesehen zu haben. Er bekannte, es gethan zu haben. In allen
diesen Fällen läßt sich der Infinitiv mit zu nur gebrauchen, wenn das Prädicat
kurz ist; ist es lang, oder macht es einen eigenen Satz aus, besonders wenn es
wieder sein eigenes Subject hat, so muß der Infinitiv mit daß aufgelöset
werden. b. Eine Absicht. Ich kam nur her, dich zu sehen. Ich reisete nur hin,
ihn zu sprechen. Wenn die Absicht, oder der Bewegungsgrund noch näher bestimmt
werden soll, so wird noch um hinzu gesetzet: wir leben nur, um zu essen. (
S. Um.) c. Eine Möglichkeit, doch nur nach dem Verbo
seyn. Hier ist etwas zu sehen. Bey der Sache ist nichts zu verdienen. Er ist
immer daselbst anzutreffen. d. Eine Nothwendigkeit, nach seyn und haben. Was
ist bey der Sache zu thun. Mit dem Tode ist nicht zu scherzen. Es sind noch
zehn Thaler zu berechnen. Ich habe zu schreiben. Du hast mir viel zu verdanken.
e. Zwey Sätze in Einen zusammen zu ziehen. Theils, wenn sie mit und verbunden
werden sollten. Ich darf mich nicht der Gefahr aussetzen, diesen Menschen zu
sehen, für, und diesen Menschen sehen. Dieß läßt sich nur thun, wenn sich der
zweyte Satz ausdrücklich [
1739-1740] als der Gegenstand,
oder die Absicht zu den ersten verhält; in andern Fällen wird es ein
fehlerhafter Gallicismus. Theils und am häufigsten, nach dem ohne, wenn ein
Verbum finitum mit daß darauf folgen sollte. Ich sprach mit ihm, ohne zu
wissen, wer er war, für, ohne daß ich wußte, wer es war.
S. Ohne. Noch gehöret hierher der elliptische Gebrauch
des Infinitives mit zu, einen mit Verwunderung vermischten Verweis zu
bezeichnen. Mir so zu begegnen!
Das Netz, sprach dieser, nicht zu sehn? Dir, Flattergeist, ist
recht geschehn, Gell.
Fehlerhaft hingegen wird der Infinitiv mit zu. 1. Wenn der
Infinitiv das bloße Subject der Rede ist. Berühmt werden, ist keine Kunst,
nicht, berühmt zu werden. So auch, Gott dienen ist die erste Pflicht. Wohl
aber, wenn die Rede umgekehrt wird, so daß die Bedeutung des Gegenstandes
wieder eintritt: es ist keine Kunst berühmt zu werden. 2. Nach solchen Verbis,
welche einen bloß allgemeinen Umstand der Handlung bezeichnen, denen folglich
diese bloß im Infinitive beygefüget wird. Solche Verba sind: dürfen, können,
lassen, mögen, müssen, sollen, werden, wollen; und in manchen Fällen auch:
fühlen, heißen, helfen, hören, lehren, lernen, sehen, finden, gehen, haben,
machen, nennen, seyn, thun u. s. f. Siehe diese Verba, ingleichen die
Sprachlehre. 3. Wenn das Eigenthümliche der Deutschen Sprache, und die ihr
eigenen Begriffe der Deutlichkeit und des Wohlklanges die Auflösung mit daß
erfordern. Nicht: er glaubte es entschieden zu seyn, der Staat scheinet sich
einen allgemeinen Nutzen davon versprechen zu können; sondern, er glaubte, daß
es entschieden sey, es scheinet, daß der Staat sich u. s. f. Eben so fehlerhaft
ist der pleonastische Gebrauch dieses Infinitives mit zu: man hätte es kürzer
zu seyn gewünscht, kürzer und besser, man hätte es kürzer gewünscht; er ist im
Stande etwas dazu beytragen zu können, besser, etwas dazu beyzutragen. (2) Nach
Substantiven, wenn der Gegenstand des Begriffes eines Verbi durch den Infinitiv
ausgedruckt werden muß, da denn dieser allemahl das zu bekommt. Es ist Zeit, zu
gehen. Lust zu lachen haben. Du hast keine Ursache, dich zu beklagen. Die Ehre,
ihn zu sehen. In Gefahr, zu ertrinken. Erlaubniß, zu gehen. Freyheit zu kommen.
Der Befehl, etwas zu thun. Der Eifer Gutes zu thun. Macht zu schaden. (3) Nach
Adverbiis, gleichfalls wenn deren Begriff, und besonders der Gegenstand, durch
ein Verbum bestimmt werden muß, besonders nach solchen, welche eine
Möglichkeit, Leichtigkeit, Schwierigkeit, Nothwendigkeit, Pflicht, Neigung u.
s. f. bezeichnen. Leicht zu bewerkstelligen. Schwer zu thun. Möglich zu
glauben. Begierig zu hören. Geneigt zu folgen. Hart zu beißen. Bereit zu
folgen. Da denn der Infinitiv bald thätig, bald leidend erkläret werden muß, je
nachdem der Sinn des Adverbii es erfordert. Einige Adverbia bedürfen des zu
nicht. Hier ist gut wohnen. Du hast gut sagen. Hier ist schlecht gehen. (b)
Eines Adverbii, oder andern Umstandswortes, einen Grad des folgenden Begriffes,
der die gegenwärtige Absicht übertrifft, zu bezeichnen. Die Sache ist für mich
zu theuer. Das Haus ist für mich zu groß. Ich bin zu zärtlich gerührt, als daß
ich viel reden könnte. Er saß zu fern, als daß er es hätte hören können. Wenn
nur oder gar vorher gehet, so bezeichnet der ganze Ausdruck eine Intension. Ich
bleibe gar zu gern zu Hause, sehr gern. Ich bin nur zu gewiß, daß er es war,
vollkommen gewiß. Ich fürchte, daß mir diese unglückliche Entdeckung nur mehr
als zu sehr bekannt ist, Gell. Eigentlich hat das zu den Ton auch hier nicht;
allein, wenn man [
1739-1740] den übertriebenen Grad
vorzüglich will hervor stechen lassen, so pflegt man es oft zu betonen: o das
ist viel zu groß! Anm. Zu ist ein uralter Wurzellaut, welcher ursprünglich eine
Onomatopöie der Richtung, der Annäherung ist, von welchem Begriffe alle übrige
Bedeutungen entsprungen sind. Im Nieders. lautet es so. Es wird diese Partikel
in Zusammensetzungen sehr häufig gebraucht, da denn fast alle vorige
Bedeutungen wieder vorkommen, aus welchen denn oft neue figürliche entstehen.
In Ansehung des Tones merke man noch, daß, wenn es mit Verbis und denn davon
abgeleiteten Nennwörtern zusammen gesetzet ist, es allemahl den Ton hat:
zudecken, Zubuße, zuwerfen u. s. f. aber wenn es mit Umstandswörtern zusammen
gesetzet ist, oder in der Zusammensetzung mit einem Nennworte ein Umstandswort
bildet, es den Ton auf das folgende Wort wirft: zugegen, zunächst, zuweilen, u.
s. f. Was aber in diesem Falle wahre Zusammensetzungen sind oder nicht, läßt
sich hier nicht ausführen, daher ich auf meine Sprachlehre und auf mein
Lehrgebäude verweisen muß, wo solches hinlänglich geschehen. Ein den
Niederdeutschen Mundarten sehr gewöhnlicher Fehler ist es, dieses zu in der
Zusammensetzung mit Verbis, mit zer zu verwechseln: zubrechen, zustören u. s.
f. für zerbrechen, zerstören.
S. Zer. [
1739-1740]