Um
, [
791-792] eine Partikel, welche in
dreyfacher Gestalt üblich ist. I. Als ein Vorwort, welches allemahl die vierte
Endung, oder den Accusativ erfordert, und in verschiedenen Bedeutungen
gebraucht wird. 1. Die Richtung einer Bewegung oder eines Zustandes längs der
ganzen äußern Fläche eines als senkrecht angenommenen Dinges, längs dessen
Umfanges, zu bezeichnen; wo dieses Vorwort auch Statt findet, wenn sich die
Richtung auch nur längs des größten Theils dieses Umfanges erstreckt. (1)
Eigentlich. Um die Stadt gehen. Der Graben gehet ganz um das Haus. Um den Tisch
treten. Sich um die Stadt lagern. Eine Schürze um den Leib binden. Einen Mantel
um sich nehmen. Ich bin den ganzen Tag um ihn, in seiner Gesellschaft, in
seiner Nähe. Keinen Freund um sich haben. Der Weinstock wölbt sich wie eine
kühle Laube um die Fenster. Dort, wo eine unverwelkliche Myrthe um unsre
Häupter blühen soll, Weiße. Mit Strahlen um sein Haupt. Den Nachdruck zu
vermehren, wird das Vorwort oft mit den Nebenwörtern herum und her verbunden,
wovon das erste mehr dem gemeinen Leben, das letzte aber vorzüglich der höhern
Schreibart, eigen ist. Um die Stadt herum gehen. Der Graben gehet ganz um das
Haus herum. Um mich her sehe ich nichts als Wildniß. Sie standen alle um ihn
her, um ihn herum. Deine Wahrheit ist um dich her, Ps. 89, 9. Der Engel des
Herren lagert sich um die her, die ihn fürchten, Ps. 34, 8, 9. Dein Weib wird
seyn, wie ein fruchtbarer Weinstock um dem Haus herum, Ps. 128, 3. Und wenn der
ganze Umfang noch bestimmter ausgedruckt werden soll, so setzet man wohl noch
die Nebenwörter rund und rings hinzu. Der Graben gehet rings um die Stadt
herum. Rund um die Stadt herum reiten. Besondere Arten des Ausdruckes sind.
Jemanden um den Hals fallen, ihn umarmen. Er warf sich ihr mit dringender
Zärtlichkeit um den Hals. Du weißt nicht, wie mir um das Herz oder ums Herz
ist, du weißt nicht, was ich empfinde, wie mir zu Muthe ist. Ich rede, wie es
mir ums Herz ist, wie ich denke, wie ich empfinde. (2) Figürlich, eine
ungefähre Nähe des Ortes und der Zeit zu bezeichnen. (a) Des Ortes. Er muß um
diese Gegend wohnen, ungefähr in dieser Gegend. Wohin auch hier herum, in
dieser Gegend, da herum, in der dortigen Gegend, gehören. (b) Der Zeit, eine
ungefähre Nähe der Zeit zu bezeichnen. Es ist um sechs Uhr, ungefähr sechs Uhr.
Um Mittag wollen wir kommen. Er kam erst um Mitternacht zu Hause. Um Ostern, um
Pfingsten, um Michael, um Michaelis, um Johannis; in welchen beyden letztern
Fällen der Genitiv nicht von dem Vorworte um, sondern von dem ausgelassenen
Hauptworte Fest herrühret. Um eben dieselbe Zeit geschahe es. Wo sich der
Begriff des ungefähren zuweilen verlieret, so daß um sechs Uhr, so viel als
gerade, wenn es sechs ist, und um dieselbe Zeit, zu derselben Zeit bedeutet. 2.
Für nach, wo es eine Figur der vorigen Bedeutung zu seyn scheinet, aber nur in
einigen Fällen üblich ist. Allemahl um den andern Tag, wo auch über üblich ist.
Das Fieber kommt immer um den dritten Tag. Einer um den andern, wechselsweise,
einer nach dem andern. Eines um das andere. Da sang Israel dieses Lied, und
sungen um einander über dem Brunnen, 4 Mos. 21, 7; wo aber um einander, für
einer um den andern, veraltet ist, wie Es. 14, 10: daß dieselbigen alle um
einander reden. 3. Einen Gegenstand, doch in verschiedenen Einschränkungen. (1)
Eine besondere Art des Ausdruckes ist, wenn in einem ganz einfachen Satze, wo
das Zeitwort seyn die Copulam ausmacht, das Subject, anstatt in der ersten
Endung zu stehen, mit dem Vorworte um ausgedruckt wird. Es ist eine schöne
Blume um eine Rose, für: eine Rose ist eine schöne Blume. Es ist eine
wunderliche Sache um den Appetit. Es ist ein kitzliches Ding um das Lob. Es ist
ein mißliches Ding um unsere Reitze. Es ist doch eine verzweifelte Sache um die
liebe Tugend, Weiße. Es ist eine edle Sache um den Hausfrieden. Welches doch
freylich nur in solchen Fällen angehet, wo das Prädicat die gute oder böse
Eigenschaft eines Dinges in Gestalt eines Hauptwortes ausdruckt.
[
793-794] (2) Mit einigen Zeitwörtern wird dieses
Vorwort auch außer dem vorigen Falle gebraucht, einen Gegenstand überhaupt
auszudrucken. Besonders mit dem Zeitworte stehen. Wie stehet es um euch? wie
befindet ihr euch? in was für Umständen befindet ihr euch? Wie stehet es um
unsere Sache? Es stehet schlecht um euren Bruder. Wie würde es alsdann um mein
Versprechen stehen? Gell. Sehen sie doch, wie es um mein künftig Glück stehet,
eben ders. Oft auch mit dem Zeitworte aussehen in eben derselben Bedeutung. Es
siehet sehr mißlich um ihn aus. Aber wie sieht es um die Ehre aus? Beyde
Zeitwörter leiden in eben demselben Verstande auch das Vorwort mit. Wie stehet
es mit euch? Es siehet mit der Sache schlecht aus. (3) Einen Gegenstand des
Verlustes; doch auch nur mit einigen Zeitwörtern. Um etwas kommen, desselben
verlustig werden, ohne Bestimmung der Art und Weise. Ich bin um meine Uhr
gekommen, sie sey nun verloren oder gestohlen. Um ein Auge, um einen Arm, um
sein Vermögen, um seinen guten Nahmen kommen. Man kommt um sein Geld, man weiß
nicht wie, auch durch minder nothwendige Ausgaben. Ich bin darum gekommen. Um
das Leben kommen, es zufälliger Weise auf eine gewaltsame Art verlieren,
umkommen. Jemanden um das Leben bringen, ihn seines Lebens berauben, ihn
umbringen. Jemanden um sein Geld bringen, Ursache seyn, daß er dessen verlustig
gehe. Ich bin darum, eine elliptische R. A. für, ich bin darum gekommen. Es ist
um ihn gethan oder geschehen, er ist verloren, unglücklich gestorben. Es sey
darum, oder, es mag darum seyn! eigentlich, es mag verloren seyn; figürlich, es
ist nichts daran gelegen. Nach dem Muster des Zeitwortes bringen stehet es auch
bey andern thätigen Zeitwörtern, eine Ursache oder Veranlassung eines Verlustes
zu bezeichnen. Ich bin darum betrogen worden. Sie plaudert uns um die Zeit. Sie
bethet uns oft um das Mittagsessen, Gell. (4) Einen Gegenstand des Wissens,
doch nur mit dem Zeitworte wissen, für von. Wissen sie etwa auch um die Sache?
wissen sie etwas mit davon? Ich weiß nichts darum. Er weiß um alle meine
Geheimnisse. Khein Wort er vmb die bürger west, Theuerd. Kap. 94. (5) Einen
Gegenstand einer Gemüthsbewegung; doch nur mit einigen Zeitwörtern, besonders
solchen, welche eine unangenehme Empfindung wegen des erlittenen oder zu
besorgenden Verlustes eines Dinges bezeichnen; wodurch es sich von über in der
ähnlichen Bedeutung unterscheidet. Sich um etwas betrüben, bekümmern, tränken,
härmen, grämen. Um etwas weinen, böse werden, klagen, trauern, zürnen u. s. f.
Der Schmerz um ihn ist für mein Herz Selbst noch ein
angenehmer Schmerz, Gell.
Fließet ihr Thränen um den redlichsten Freund. Kümmere dich
nicht um die verwelkten Blumen. Jemanden um etwas beneiden. Um dieß Vergnügen
muß mich ein Prinz beneiden, Gell. Es ist mir nicht leid darum. Sehr um etwas
thun, im gemeinen Leben, dessen Verlust sehr betrauern. (6) Einen Gegenstand
der Bemühung, des Bestrebens, der Bewerbung; auch nur mit einigen Zeitwörtern.
Um etwas spielen, spielen, wer den Besitz einer Sache erlange. Sich um etwas
bemühen, bewerben. Jemanden um etwas bitten, flehen, anflehen. Um die Ehre
fechten, kämpfen. Um etwas hadern, sich um etwas zanken, streiten, um den
Besitz einer Sache. Um etwas losen, würfeln. Sich um die Oberstelle zanken. Der
Soldat tummelt sich um die Ehre. Ich will darum schreiben. Sich Mühe um etwas
geben. Ihr Herz, um das du selbst, Gell. [
793-794]
Von kaltem Schrecken blaß bath jeder um sein Leben, Weiße.
Durch Drohn und Schmeicheleyn warb er um meine Gunst, eben ders.
Um ein Amt, um eine Gnade, um eine Person (zur Gattinn)
anhalten. Er kommt um Brot. Es ist ihm nur darum zu thun. Es ist ihm nur ums
Geld, um die Ehre zu thun. Jemanden um etwas fragen, es von ihm zu erfahren.
Jemanden um Rath fragen. Um Rache rufen, schreyen. Keine Thräne seiner
Unterthanen ruft wider ihn um Rache. Er hat mich schon lange darum geplagt. Ich
werde sehr um eine Antwort geplagt. Daß es sich hier nicht in allen Fällen
gebrauchen lasse, ist schon erinnert worden. Im Oberdeutschen sagt man, um
jemanden schicken, um den Arzt, um den Beichtvater schicken; wofür im
Hochdeutschen nach üblich ist. Ingleichen, ich will darum gehen, darnach. (7)
Hierher gehören auch diejenigen Fälle, wo um ehedem den Gegenstand eines Kaufes
oder Tausches begleitete, anstatt für. Ehedem sagte man: hundert Thaler um das
Haus geben. Jetzt ist es in dieser Bedeutung, im Ganzen genommen, veraltet, nur
das relative darum wird noch zuweilen in diesem Verstande gebraucht. Ich gäbe
viel darum, wenn ich es haben könnte, dafür. Er nähme nicht viel Geld darum,
dafür. (8) Desto häufiger wird es indessen noch gebraucht, den Preis einer
Erwerbung oder den Lohn einer Bemühung auszudrucken, vermuthlich auch, so fern
derselbe im Grunde der Gegenstand der Bestrebung ist. (a) Eigentlich, den Lohn
einer Bemühung. Um Lohn arbeiten, dienen. Arbeiter um Lohn dingen. Ums Tagelohn
arbeiten. Jetzt hüthe ich um schlechten Lohn hier diese zwey Ziegen, Geßn. Ums
Brot arbeiten. Er ward mit den Arbeitern eins um einen Groschen, Matth. 20, 2.
Ums Geld arbeiten. Was thut man nicht ums liebe Geld. Um viel Geld wollte ich
das nicht thun. Um alles in der Welt beginge er diese Niederträchtigkeit nicht.
Um nichts und wieder nichts, im gemeinen Leben, für gar nichts. Hierher
scheinet auch die R. A. zu gehören, um die Wette, so fern Wette hier das
aufgesetzte Geld, den Preis des Wetteifers bezeichnet. Um die Wette arbeiten,
sehr eifrig, andere in fleißigem Arbeiten zu übertreffen suchen.
In Cuba war ein Papagey, Den neckt ein jeder um die Wette,
Haged.
(b) Das Bezahlungsmittel und den Preis, anstatt für. Um Geld,
um bar Geld kaufen. Noch häufiger von dem Preise. Ich habe es um zehn Thaler
gekauft. Um wie viel hast du das Gut gekauft? Im Hochdeutschen wird es in
dieser Bedeutung wenig mehr gebraucht, weil für in derselben am üblichsten ist.
In den Kanzelleyen pflegt man beyde Vorwörter um des Nachdrucks willen zu
verbinden: Cajus kauft das Haus um und für tausend Thaler. Dahin gehöret auch
der Gebrauch mit dem Zeitworte strafen, doch nur, wenn von einer bestimmten
Geldstrafe die Rede ist. Jemanden um zehn Thaler strafen, ihm eine Strafe von
zehn Thalern auflegen. (9) Endlich gehören noch verschiedene einzelne Arten des
Ausdrucks hierher, wo um Gegenstände anderer Art bezeichnet. Ich lobe dich
darum, für deßwegen; ob man gleich nicht mehr sagt: ich lobe dich um deinen
Fleiß, um deine Tugend, sondern wegen. Sich um jemanden verdient machen. Habe
ich das um dich verdient? Verdiene ich das um dich, meine Julie? Weiße. Sich um
etwas bekümmern, darnach fragen, Theil daran nehmen, welches doch eigentlich
eine Figur des Zeitwortes bekümmern in der vorigen fünften Bedeutung ist.
[
795-796] Alle jetzt angeführte Fälle, wo um einen
Gegenstand begleitet, sind Überbleibsel, einer ältern allgemeinen Bedeutung, wo
um fast ein jedes Object bezeichnete. Das Schwedische om hat noch jetzt diese
allgemeinere Bedeutung, indem es unter andern auch de, von, bedeutet; von
jemanden reden, om. Das Griech. mit am verwandte hier nichtlateinischer
Text, siehe Image wurde auf ähnliche Art gebraucht. 4. Einen
Bewegungsgrund, eine Ursache. Sie preiseten Gott um alles, das sie gehöret und
gesehen hatten; Luc. 2, 20; für, wegen. Der Herr wird strafen alle Gottlosen um
alle Werke ihres gottlosen Wandels, Br. Jud. V. 15. Im ganzen ist auch die
Bedeutung veraltet, nur daß die relativen warum und darum noch im ganzen
Umfange derselben üblich sind. Auch gebraucht man es in diesem Verstande noch
in Verbindung mit dem Hauptworte Willen, einen Bewegungsgrund, eine Ursache, zu
bezeichnen, da denn die zweyte Endung der Sache von diesem Hauptworte, nicht
aber von dem Vorworte, herrühret. Ich thue es um zweyer Ursachen Willen, um
eben der Ursache Willen. Um Gottes Willen, um unsrer Willen, um des Himmels
Willen. Es geschiehet um Lebens und Sterbens Willen. Um der bösen Nachrede
Willen. Um sein selbst Willen. Um deiner, meiner Willen. Siehe von dieser R. A.
besonders mit Fürwörtern Dein I. Ehedem gebraucht man dafür von - Willen, durch
- Willen: von mehrerer Sicherheit Willen. Das Hauptwort Willen wird zuweilen
weggelassen. Ich will das Volk heimsuchen um ihrer Missethat, Jer. 25, 12. Daß
wir um dieser heutigen Empörung verklagt mochten werden, Apost. 19, 40. Wo die
zweyte Endung gleichfalls von dem ausgelassene Hauptworte herrühret, welche
Auslassung doch im Hochdeutschen einige Härte hat. Noth mehr aber, wenn statt
der zweyten Endung die vierte gebraucht wird: ich beschwöre sie um unsre Liebe,
machen sie meine Ahndungen eitel. Sie will um Himmel und um Hölle nicht weiter
gehn, Michael. der Dichter. Am härtesten und ungewöhnlichsten ist die
Weglassung des Wortes um.
Auch wo das Römer Volk der schönen Bäder Willen In voller
Üppigkeit die lange Zeit vollbracht, Opitz.
Die ähnlichen Wörter wegen und halben werden nicht mit dem um
verbunden, und wenn solches ja von einigen geschiehet, so ist es ein
unangenehmer Fehler. Um meiner Jahre wegen könnte ich in der Kleidung noch sehr
jung thun, Gell. Um daß für weil ist im Hochdeutschen sehr veraltet, und wird
nur noch in einigen gemeinen Mundarten gebraucht.
Was weint ihr Mütter viel, um daß euch durch den Streit Die
Söhne sind erlegt in ihrer jungen Zeit, Opitz. Ich muß mit Danke Gott erheben,
Um daß er seine Gütigkeit Euch mitgetheilt zu dieser Zeit, ebend.
Wenn um mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu gebraucht wird,
eine Absicht zu bezeichnen, so ist es eigentlich kein Vorwort, sondern ein
Bindewort,
S. es im folgenden. 5. Einen Unterschied der Zeit, Zahl,
Größe und der Intension zu bezeichnen. Das Fenster ist um zwey Fuß höher, als
die Thür. Cajus ist um drey Zoll kleiner als Titius. Das ist um ein gut Theil
besser als jenes. Ich bin um zehn Jahr älter als du. Etwas um eine Handbreit
enger machen. Dieses Haus ist um hundert Thaler theurer als jenes. Um die
Hälfte dicker. Sich um zwanzig Thaler verrechnet haben. In den meisten dieser
Fälle kann um auch verschwiegen werden. Er ist einen Kopf größer, für um einen
Kopf. Er ist hundert Thaler theurer. Nur sagt man nicht, sich zwanzig Thaler
verrechnet haben, wo um nicht wegbleiben kann. Hierher schei-
[
795-796] nen auch folgende Arten des Ausdrucks zu
gehören. Um ein Haar. Es ist nicht um ein Haar größer, im geringsten nicht.
Ingleichen, wenn es so viel als bey nahe bedeutet. Um ein Haar wäre ich
gefallen, es fehlte kein Haar breit, so u. s. f. Es ist um zwey Tage zu thun,
so ist der Schmerz vorüber, es kommt nur auf zwey Tage an. Es ist um hundert
Thaler zu thun, so hast du es. Wo zu thun auch wohl verschwiegen wird.
Es ist um wenig Schritte, so hohl' ich dir dieß Band, Gell.
Hierher gehören auch die adverbischen R. A. da um so viel den
Comparativis vorgesetzt wird. Er wird es nicht gestehen, gestehet er es aber,
so ist es um so viel besser für ihn. Du wirst um so viel glücklicher seyn, je
mehr du deine Bedürfnisse einschränken wirst; oder, jemehr du deine Bedürfnisse
einschränken wirst, um so viel glücklicher wirst du seyn. Es ist mir um so viel
lieber, wenn er nicht kommt. In welchen Fällen um so viel für desto steht. Nur
vermeide man den Übellaut, dieses um so viel statt des kürzern und üblichern je
und desto zu gebrauchen. Um so viel größere Ehre der Sohn hat dann der Diener,
um so viel größere Ehre hat Christus dann Moses; besser je - desto. Auch ist es
fehlerhaft, wenigstens ein in manchen Fällen sehr unangenehmer Pleonasmus,
dieses um dem desto vorzusetzen. Ich melde dieses um desto lieber, da u. s. f.
Gottsch. Dieses ist mir um desto gewisser, da u. s. f. ebend. Das ist schön,
daß er nicht schwört, um desto mehr kannst du auf sein Wort bauen, Gell. Ich
habe es nicht gewußt, daß sie zugegen wären, um desto aufrichtiger ist mein
Bekenntniß, ebend. Wo um desto nichts mehr sagt, als desto allein. II. Ein
Bindewort, da es denn dem Infinitiv mit dem Wörtchen zu zugesellet wird, eine
Absicht zu bezeichnen. In keiner unserer Sprachlehren wird um mit unter den
Bindewörtern aufgeführet, vermuthlich, weil man sich nicht überreden konnte,
daß ein Vorwort zugleich ein Bindewort seyn könnte. Allein fast alle unsere
Partikeln werden auf mehrere Art gebraucht, und um ist in dieser Verbindung so
gut ein verursachendes Bindewort, als daß, damit, weil u. s. f. Es ist hier
eine Fortsetzung der vorigen vierten Bedeutung. Ich habe nicht in die Lotterie
gelegt, um reich zu werden, sondern um andern Gutes zu thun, Gell.
Und erblicket einen Schützen, Der sein Rohr auf ihn gericht,
Um ihn auf den Pelz zu blitzen, Lichtw.
Da der Infinitiv mit zu diese Absicht schon allein ausdruckt,
so stehet das um hier eigentlich überflüssig, und dieser Überfluß wird oft ein
Übellaut, besonders in solchen Fällen, wo die Verbindung der Handlung und ihrer
Absicht ohne hin schon deutlich ist. Sie thut sich alle Gewalt an, um bewundert
zu werden, Gell. Doch kann die Ründe und Vollständigkeit der Rede oft das um
nothwendig machen. Ich lebe nicht um zu essen, sondern ich esse um zu leben, wo
der Ründe etwas fehlen würde, wenn man das um als überflüssig verschweigen
wollte. Am häufigsten und schicklichsten stehet das um, wenn die Absicht den
Satz anfängt, da es denn nicht leicht verschwiegen werden kann, wenn die Rede
nicht mangelhaft werden soll. Um die neue Welt zu erobern, mußte man die
Einwohner ausrotten, und um ihre Stelle wieder zu ersetzen, mußte man Negern
kaufen. Um diese Stärke zu zeigen, muß unsere Geduld durch manche Fälle geübt
seyn, Dusch. Um dich zu beruhigen, habe ich diesen Entschluß gefaßt. Um nicht
zu weitläufig zu werden, muß ich abbrechen. Ein sehr unangenehmer Fehler ist
es, wenn um in dieser Bebindung gemißbraucht wird, noch andere Bedeutungen, als
die Absicht einer Handlung, zu bezeichnen, wozu sich viele durch das Fran-
[
797-798] zösische pour verleiten lassen. So vorsichtig
ein anderer Richter ist, um zu verbergen, daß er sich habe bestechen lassen,
Raben. Wenn ich innere Ruhe genug hätte, um mein Herz den Vergnügungen des
Herzens zu öffnen, Zimmerm.
Doch große Herzen sind bestimmt, um hier zu leiden, Cron.
Wo um am unrechten Orte stehet, weil hier kein eigentliches
Verhältniß einer Handlung gegen ihre Absicht Statt findet. Fehler dieser Art
kommen überall sehr häufig vor. Noch widerwärtiger sind die Oberdeutschen Arten
des Gebrauchs, wo um für als daß gesetzet wird. Die Sache redet zu klar, um von
jemand mißkennet zu werden. Es ist schon mit solchen triftigen Gründen
bestärket worden, um es einer fernern Ausführung nicht zu bedürfen, daß es -
nicht bedarf.
Er ist zu tugendhaft, um nicht ein Christ zu seyn, Cron.
III. Ein Nebenwort, wo es wieder in verschiedenen Fällen
vorkommt, welche insgesammt Figuren der ersten eigentlichen Bedeutung des
Vorwortes sind. 1. Im gemeinen Leben wird um als ein Nebenwort häufig dem
geradesten und kürzesten Wege entgegen gesetzt. Der Weg ist um, führet um, wenn
er uns nicht in der geradesten und kürzesten Richtung nach dem verlangten Orte
führet. Von Leipzig nach Berlin über Dresden zu reisen, ist sehr oder viel um.
Daher die Zusammensetzungen umgehen, umfahren u. s. f. welche vielleicht
richtiger getheilet werden, indem um hier das Neben- und nicht Vorwort ist. 2.
Zu Ende, vorbey, das Ende einer bestimmten Zeitdauer zu bezeichnen; am
häufigsten auch nur im gemeinen Leben. Die Stunde, die Woche, das Jahr ist um.
Wenn meine Zeit um ist. Wenn ich sie eher, als das Jahr um ist, fortjage, so
muß ich ihr das ganze Lohn bezahlen, Gell. 3. Um und um, für auf allen Seiten.
Um und um mit Wasser umflossen seyn. Die Stadt ist um und um mit Bergen
umgeben. Deine Hände haben mich gearbeitet, und gemacht alles, was ich um und
um bin, Hiob 10, 8. Wenn es um und um kommt, wenn sich die Sache völlig
entwickelt, wenn man sie genau, auf allen Seiten, betrachtet.
Weiser Damon, dessen Haupt Lorber um und um belaubt, Kleist.
Das im gemeinen Leben noch hin und wieder übliche um und an,
ist in der anständigen Schreibart veraltet, ob gleich Opitz es noch häufig als
eine Art einer intensiven Partikel gebraucht.
Der Tod begehrt nichts um und an;
gar nichts, im geringsten nichts.
Er wird die Völker um und an, Wie recht um billig ist,
entscheiden, Ps. 96, 7;
in allen Stücken, vollkommen.
Ach so ist es um und an, Um die ganze Welt gethan, Gryph.
Anm. 1. Dieses Beywort kann nie anders als mit der vierten
Endung gebraucht werden, daher es ein Fehler ist, wenn man es zuweilen mit der
dritten findet. Die um Tyro und Sidon wohnen, Marc. 3, 8. Die wir um Paulo
waren, Apost. 21, 8. Wie dünkt euch um Christo, Matth. 22, 42; in welcher
letztern Quelle um für von zugleich veraltet ist. Anm. 2. Dieses Wörtchen wird
mit allerley Wörtern zusammengesetzt, und bekommt alsdann auch mancherley
Bedeutungen, welche sich doch insgesammt auf eine der vorigen zurück führen
lassen. Diese Wörter sind, a) Partikeln, wo es theils voran, theils hinten
steht: z. B. umher, umsonst, ringsum, herum, rechtsum, linksum, kurzum; wohin
auch die relativen darum und warum gehören. In wiederum hat es die außer dem
veraltete [
797-798] Bedeutung einer Wiederhohlung,
welche noch in dem Schwed. om angetroffen wird; lesa om, von neuen lesen. b)
Nennwörter. Umkreis, Umstand, Umweg, Umriß, Umgang, umgänglich u. s. f. c)
Zeitwörter, da denn die mit dieser Partikel verbundenen Zeitwörter, so wie die,
welche mit durch, über und unter zusammen gesetzt sind, den Ton bald auf dem
Zeitworte, bald auf dem Nennworte, haben. Auf dem Vorworte liegt der Ton, wenn
das Hauptwort, welches von dem um regieret werden sollte, nicht ausdrücklich da
stehet; welche Zeitwörter oft, obgleich nicht allemahl, Neutro sind. In diesem
Falle ist das Vorworte trennbar, d. i. es wird in der Conjugation hinter dem
Zeitworte gesetzet. Es gehet in dem Hause um. Der Weg gehet weit um. Drehe es
um. Ich kehre um. Diese Zeitwörter haben das gewöhnliche Augmentum ge, und im
Infinitiv tritt das zu zwischen dem Vor- und Zeitworte: umgedrehet, umzukehren.
Man muß hier den Accusativ, der von dem Zeitworte regieret wird, nicht mit dem
verwechseln, welchen das Vorwort haben sollte, welcher aber verschwiegen wird.
In ein Ding umkehren, umdrehen, umwenden, umstoßen, u. s. f. wird der Accusativ
von den Zeitwörtern kehren, drehen, wenden regieret; dagegen der zu um gehörige
Accusativ, um sich selbst, um seine Seite u. s. f. verschwiegen wird. Wenn
hingegen das zu um gehörige Hauptwort ausdrücklich da stehet, so ruhet der Ton
auf dem Zeitworte, und alsdann ist das Vorwort untrennbar, das heißt, es bleibt
durch die ganze Conjugation vor seinem Zeitworte stehen. Wir umfahren die Welt.
Die ganze Gesellschaft umringte ihn. Das Augment bleibt in diesem Falle weg,
und im Infinitiv tritt das zu vor die ganze Zusammensetzung. Mit Blumen
umkränzt, nicht umgekränzt. Mit Himmelsglanz zu umstrahlen. Einige Ausnahmen
gibt es auch hier, welche an den gehörigen Orten vorkommen werden. Die
Bedeutungen der mit um zusammen gesetzten Zeitwörter lassen sich insgesammt zu
einer der schon bey dem Vor- und Nebenworte angeführten Bedeutungen rechnen;
wohin denn auch die gehöret, wo es eine Wiederhohlung einer schon gethanen
Handlung, aber auf andere Art, bezeichnet, welche Bedeutung, außer der
Zusammensetzung, veraltet ist. Die Zeitwörter, in welchem dieselbe Statt
findet, haben den Ton insgesammt auf dem Vorworte, weil der ganze Ausdruck
figürlich und elliptisch ist, und der zu dem Vorworte gehörige Accusativ
eigentlich verschwiegen wird; umarbeiten, etwas umschreiben, umschmelzen u. s.
f. Die höhere Schreibart der neuern hat viele neue Zeitwörter dieser Art, wo
der Ton auf dem Zeitworte liegt, eingeführt, und es können deren, wo es nöthig
ist; noch mehrere gewagt werden, wenn dabey nur der Wohllaut und die Analogie
nicht aus den Augen gesetzet werden. Umglänzen, umstrahlen, umkränzen u. s. f.
sind untadelhaft; aber umlorbern ist hart, weil wir kein Zeitwort lorbern
haben. Anm. 3. Diese alte Partikel lautet schon in dem Isidor, bey dem Kero und
andern mit einer unnöthigen Endsylbe umbi, umbe, welches sich nebst Blaselaute,
als dem Begleiter des m, auch in dem Griech. hier nichtlateinischer Text,
siehe Image, und zum Theil auch in dem Lat. amb, welches doch nur in
einigen Zusammensetzungen vorkommt, befindet. Im Angelsächsischen lautet es
umb, ymb, im Schwed. om, im Isländ. um, im Wallisischen am, im Dänischen omme,
und selbst im Finnischen umbi. Der Begriff des Umschweifes, im Gegensatze der
kürzesten, geradesten Linie, ist ohne Zweifel der Stammbegriff, welcher auch
noch in allen übrigen Bedeutungen zum Grunde liegen.
[
797-798]