Ander
, Der, die, das andere, ein Wort, welches überhaupt
genommen, alsdann gebraucht wird, wenn nur von zwey Dingen die Rede ist, da es
denn dem Worte ein entgegen gesetzt wird. Es bezeichnet aber Ein Ding von
zweyen, entweder schlechthin, oder mit verschiedenen Nebenbegriffen, das ist,
es wird so wohl als ein eigentliches Zahlwort, oder in weiterer Bedeutung auch
als ein Adjectiv gebraucht.I. In dem ersten Falle, oder als ein eigentliches
Zahlwort.1. Wenn eine gewisse Ordnung unter diesen zwey Dingen Statt findet, da
es denn die Stelle der Ordnungszahl zweyte vertritt, und dem ersten entgegen
gesetzet wird. Das andere Buch Samuel. Das andere Buch Mosis. Das ist schon der
andere Tag, daß ich ihn nicht sehe. Das ist schon das andere Mahl,
daß er mir diesen Streich spielet. Er kam zum andern Mahle zu mir. Sie
soll allemahl über den andern Tag an sie schreiben, Gell. Erstlich haben
sie meine Bitte anhören müssen, dieses ist eine Mühe; dann haben
sie sich entschließen müssen, dieses ist die andere Mühe; ferner
haben sie das Geld dafür nach Berlin geschickt, dieses ist die dritte
Mühe, Gell. Das andere Geschlecht, das weibliche, im Gegensatze des
männlichen, ob man gleich dieses nicht das erste zu nennen pflegt.
S. Anm. 1. [
275-276] 2. Wenn keine
gewisse Ordnung unter ihnen Statt findet, sondern bloß eines von zweyen
angedeutet werden soll, im Gegensatze des Wortes ein. Hier sind zwey Fremde;
der eine ist ein Deutscher, der andere ein Engländer. Einem gefällt
dieß, dem andern jenes. Aus einer Sprache in die andere übersetzen.
Eines scheinet das andere aufzuheben. Hier muß einer nach dem andern
gehen. Einer muß dem andern helfen. Eines ist so gut als das andere. Es
ist einer wie der andere. Er gehet von einem zum andern. Von einem Pole zum
andern.Zuweilen, besonders in der höhern Schreibart, werden beyde
Beywörter weggelassen, und um der mehrern Anschaulichkeit willen
dafür das Substantiv wiederhohlet. Er häuft Verbrechen auf
Verbrechen, ein Verbrechen auf das andere. Besonders mit dem Vorworte von. Eben
so unglücklich wie ich, schleicht sie von Laube zu Laube, von einer Laube
zur andern. Amor kann von Busen zu Busen flattern, Schleg. Die Bothschaft, die
von Mund zu Munde fliegt, eben. Wohin auch die im gemeinen Leben üblichen
Ausdrücke, von Zeit zu Zeit, von Haus zu Hause gehen, von Dorf zu Dorfe
betteln u. s. f. gehören.Oft machen beyde Wörter, nachdem sie mit
verschiedenen Partikeln verbunden werden, allerley adverbische Redensarten. (a)
Eines in das andere, ohne Ordnung unter einander. Sie mengen eines in das
andere. Damit wir nicht eines in das andere reden. (b) Eines und das andere,
einiges. Wir haben ohne dieß noch eines und das andere mit einander zu
reden. Ich fürchte doch, daß sie eines und das andere von ihm
geschenkt bekommt. Ich glaubte, man hätte einen oder den andern Ausdruck
gemißbraucht. Als daß ich ihm mit dem Fuße einen und den andern
Druck gab, Gell. Nur im Plural lässet sich dieses nicht gebrauchen. Ein
und andere Männer, ist daher mit Recht getadelt worden. Auch das
Oberdeutsche ein so anderes kann man immer den Kanzelleyen überlassen. (c)
Einer um den andern, eines um das andere, wechselsweise. Sie verrichten dieses
Amt einer um den andern. Ein Jahr ums andere. (d) Eines nach dem andern, so
wohl eigentlich, eines nach dem andern hohlen; als auch adverbisch, von mehrern
auf einander folgenden Dingen Einer Art. Es zeigte sich eine gute Gelegenheit
nach der andern. Hier erfüllet eine reizende Aussicht nach der andern
unser Auge mit der sanftesten Vorstellung. (e) Einer über den andern,
mehrere von Einer Art schnell nach einander. Es kommt ein Unglück
über das andere. Einen Bothen über den andern schicken. So auch, Ein
Mahl über das andere, mehrmahl hinter einander. Er pochte Ein Mahl
über das andere an die Thür. Ich habe ihn Ein Mahl über das
andere gewarnt. (f) Einer vor dem andern, eine vor der andern, eines vor dem
andern, mit Unterschied, im gemeinen Leben. Die Ducaten sind wohl wichtig, aber
einer vor dem andern, einige sind doch wichtiger als andere. Hierher
gehöret auch, (g) das zusammen gezogene einander.
S. dasselbe besonders an seinem Orte.II. Wird es auch
als ein Adjectiv gebraucht, und da stehet es:1. Mit dem Nebenbegriffe der
Folge, so wohl der Zeit, als auch der Ordnung. Das andere Jahr, der andere Tag;
wofür man doch besser sagt, das folgende Jahr, der folgende Tag. Er kam
den andern Tag darauf mich zu besuchen; Gell.2. Deutet dieses Beywort in sehr
vielen Fällen bloß dasjenige an, was außer einer gewissen
bestimmten Sache ist. Wenn nur mein Körper verschont bleibt, das andere
quält mich nicht, Gell. Zu anderer Zeit begehet er die größten
Ungerechtigkeiten. Er soll es zu anderer Zeit schon empfinden. Wir wollen ein
anderes Mahl davon reden. Es gibt noch ein anderesMittel als dieses. Es ist
kein anderer da, als er. Er legt alle Tage ein anderes Kleid an. Das hat mich
vor andern bewegen. Er denkt an nichts anderes, als an seine Seligkeit. Unter
andern pries er mir den Zuschauer an. Einen in die andere Welt schicken, ihn
umbringen, seinen Tod befördern.
Dieß und viel andres mehr gab mir der Argwohn ein,
Weiße.
Besonders Personen außer uns. Des andern Fehler
ausspähen. Den ehrlichen Nahmen des andern verunglimpfen. Andere nach sich
beurtheilen. Ich habe es von andern gehört. Auf anderer Leute Kosten
leben. Sie haben Schätze genug in anderer Leute Herzen, Gell. An anderer
Leute Freude oder Betrübniß Antheil zu nehmen ist die
natürlichste Regung, ebend. Das magst du einem andern weiß machen. In
diesem Verstande stehet es auch zuweilen im Neutro. Es ist niemand anders da.
So sagt schon Reinmar der Alte: anders nieman.3. Zuweilen auch, was einer Sache
entgegen gesetzt ist, oder derselben gegen über sich befindet. Die andere
Seite des Tuches, einer Münze, die umgewandte Seite, im Gegensatze der
rechten. Das andere Ufer, das gegenseitige.4. Oft ist der Begriff der
Verschiedenheit der herrschende, und da bedeutet es überhaupt so viel als
verschieden, geändert. Es ist jetzt eine andere Welt als sonst, die
Menschen sind jetzt ganz anders gesinnet. Er ist ganz anderer Meinung. Die
himmlischen Körper sind von ganz anderer Art als die irdischen. In welchem
Sinne besonders das Neutrum anderes, oder anders sehr gewöhnlich ist. Es
ist uns ganz etwas anderes, oder etwas ganz anderes begegnet. Das ist was
anders. Ein anders ist sagen, ein anders ist thun. Ein anderes ist es, einen
Brief, ein anderes eine Geschichte, ein anderes für Freunde, ein anderes
für jedermann schreiben. Mit dieser Sache ist es ein anderes, Less. es hat
eine andere Beschaffenheit mit ihr. Hierher gehören auch die
sprichwörtlichen Redensarten; Andere Zeit, andere Freunde. Ander Jahr,
ander Haar. Ander Mann, ander Glück. Andere Zeiten, andere Sorgen, u. s.
f.5. In noch eingeschränkterer Bedeutung stehet es zuweilen für
besser. Er ist ein ganz anderer Mensch geworden. Das war doch einmahl ein ganz
anderer Brief, als der erste. Das ist ganz ein anderer Mann. Einen eines andern
belehren, überzeugen.6. Zuweilen aber auch für schlechter, und da
bedienet man sich desselben im gemeinen Leben, wenn man ein unanständiges
ober hartes Wort, das man in Gedanken hat, nicht gerne heraus sagen will. Er
hat an mir gehandelt wie ein anderer, d. i. wie ein Schelm. Das mag ein anderer
glauben. Ich hätte bald was anderes gesagt. Wenn er das wüßte,
er würde dir was anders weisen.Anm. 1. In Ansehung der Ordnungszahl ander,
wenn sie dem ersten entgegen gesetzet ist, sind die Deutschen Sprachlehrer
nicht einig. Einige gebrauchen sie ohne Unterschied für die Ordnungszahl
zweyte; andere nur dann, wenn nur von zweyen die Rede ist, so wie das Latein.
alter, und noch andere wollen sie für gar keine Ordnungszahl gelten
lassen, wenigstens sie niemahls gebrauchen, wenn erste vorher gehet. Die
Aussprüche der beyden letztern sind bloß willkürlich, weil sie
weder durch die Abstammung noch durch den Gebrauch gerechtfertiget werden. Der
Beweis, der aus dem Latein. alter geführet wird, heißt gar nichts,
weil von einer Sprache nie auf die andere geschlossen werden kann.Von der
Abstammung wird in der letzten Anmerkung etwas gesagt werden; daher ich hier
nur des Gebrauches gedenken will. Die Oberdeutsche Mundart, der dieses Zahlwort
vorzüglich zugehöret, gebraucht es ohne Unterschied für das
Zahlwort zweyte. [
277-278] Bey dem Kero, dem ältesten
Alemannischen Schriftsteller, heißt es Kap. 7. Eristo dero deoheiti
stiagil sprozzo ist - - Andar dera deomuati stiagil sprozzo ist - - Dritto dero
deoheiti stiagil ist; das ist: die erste Staffel der Demuth ist - - die andere
Staffel der Demuth ist - - die dritte Staffel der Demuth ist. Eben derselbe
übersetzt Kap. 65. die Stelle: dum sint aliqui maligno spiritu superbiae
inflati, et existimantes se secundos abbates esse, durch uuannente sih
andere-uuesan. Und Kap. 63. andrero citi tages, die andere Stunde des Tages, im
Gegensatze der erirum, der ersten. Ferner Kap. 13. Anderestages finfto
drizugosto, dritin tages fiorzugosto anderer, des andern Tages der fünfte
und dreyßigste; des andern Tages der vierzigste und zweyte. Isidors
Übersetzer, ein nicht viel jüngerer Schriftsteller, nennt die zweyte
Person des göttlichen Wesens di anderheit. Bey dem Ottfried und Notker,
heißt andera stunt und anderest, beständig zum zweyten Mahle, und der
Schwabenspiegel zählet ainost, anderost, dristunt, zum ersten, zweyten,
dritten Mahle; tausend anderer Beyspiele zu geschweigen. Es scheinet also,
daß andere und zweyte bloß der Mundart nach verschieden sind, und
daß jenes ursprünglich den Oberdeutschen, dieses aber den
Niederdeutschen und Nördlichen Völkern eigen gewesen. Die
Hochdeutschen, deren Mundart weiter nichts, als die durch das Sächsische
gemilderte Oberdeutsche Sprache ist, haben beyde beybehalten, und gebrauchen
sie ohne Unterschied, wie theils aus den oben angeführten Beyspielen
erhellet, theils mit noch mehrern bewiesen werden könnte, wenn der Raum es
verstattete. Da nun dem also ist, so ist nicht abzusehen, was ein Sprachlehrer
für Gewalt hat, bloß um seiner Convenienz, oder um des Lateinischen
alter willen, den Gebrauch eines von beyden einzuschränken.Ich kann diese
Anmerkung nicht schließen, ohne einer Eigenheit der heutigen Oberdeutschen
Mundart zu gedenken, welche die drey Rollen, die dieses Wort spielet, auch
durch die Aussprache und Schreibart unterscheidet. Die Ordnungszahl ander,
heißt daselbst anderter, anderte, andertes, mit dem charakteristischen t,
welches auch in zweyte, dritte u. s. f. angetroffen wird, und in alter etwas
ähnliches hat. Das Adjectiv ander lautet wie im Hochdeutschen; das
Adverbium anders aber, heißt daselbst, zum Unterschiede von dem Neutro,
anderst. Ein solcher Unterschied, der in dem übereinstimmigen Gebrauche
ganzer Völkerschaften seinen Grund hat, und keine bloße Grille eines
Sprachlehrers ist, verdienet Beyfall, wenn man es gleich nicht wagen darf,
denselben in andere Mundarten überzutragen.Anm. 2. Wenn ander ein
eigentliches Zahlwort ist, so hat es keinen Plural. Denn die einen und die
andern, für beyde, ist ein Gallicismus. Desto häufiger ist der Plural
des Beywortes. In der Declination ist dieses Wort von den übrigen Zahl-
und Beywörtern nicht verschieden; nur daß die verstümmelte Form
ander in der guten Schreibart nicht üblich ist. Es ist daher nicht
nachzuahmen, wenn es im Gellert heißt: wenn sie kein ander Bedenken haben,
so bin ich glücklich; und im Lessing: ich habe ganz ein ander Wildpret auf
der Spur. Das Neutrum anders wird von einigen auch so gebraucht, als wenn es
indeclinabel wäre; z. B. wir wollen von etwas anders reden, Gell. für
von etwas andern. Dieß ist ohne Zweifel eine Verwechselung des Nebenwortes
anders mit dem Neutro anderes, welche nicht nachzuahmen ist. Wenn auf das
Adjectivum ander noch ein Adjectiv folget, so bekommt dieses im Plural kein n;
andere große Männer, nicht großen. Eben dieses findet nach den
ähnlichen keiner, aller, einiger, mancher, vieler und jeder Statt.Anm. 3.
Wachter leitet dieses Wort von der Partikel ant oder ent her, welche noch in
vielen Zusammensetzungen vorhandenist, und einen Gegensatz bezeichnet. Ander
würde also ursprünglich den Gegensatz von ein andeuten. Allein diese
Ableitung setzt mehr Philosophie voraus, als man den ersten Erfindern der
Sprache zutrauen kann. Man thut daher besser, daß man seine Unwissenheit
gestehet; wenn man gleich nicht in Abrede seyn kann, daß ander, alter,
alius. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und vornehmlich -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - viele Ähnlichkeit mit einander haben. Das
Goth. anthar, Isl. annar, das Angels. othre, das Engl. other, das Dän.
andar, können den Deutschen Ursprung nicht verläugnen. Ja in der
Alt-Preußischen Sprache ist anters gleichfalls der zweyte. [
279-280]