Der Vorgang
, [
1263-1264] des -es, plur. die -gänge, von
vorgehen. 1. Die Handlung des Vorgehens. (1) Die Handlung, da man vor einem
andern, eher als er gehet, und das Recht, ihm der Ordnung nach vorzugehen, ohne
Plural; der Vortritt. Den Vorgang vor jemanden haben. Sich um den Vorgang
streiten. Christus hat in allen Dingen den Vorgang, Col. 1, 18; wo es in nicht
so üblichen weiterm Verstande für Vorzug überhaupt gebraucht wird. (2) In
Oberdeutschland wird der Kirchgang der Sechswöchnerinnen, der Vorgang oder
Hervorgang genannt, weil sie alsdann zum ersten Mahle wieder hervor, d. i.
unter das Publicum, gehen. (3) Die Handlung, da man jemanden zum Muster der
Nachahmung vorgehet, d. i. in seiner Gegenwart gehet; da denn Vorgang oft für
Beyspiel, Muster, überhaupt gebraucht wird. Nach deinem Vorgange, Beyspiele.
Sich nach jemandes Vorgange richten. 2. Dasjenige, was vorgehet. (1) Dem Orte
nach. So werden in einigen Gegenden, z. B. am Niederrheine, dem Frisch zu
Folge, die Waldgränzen Vorgänge genannt. (2) Bey dem Destillieren des
Branntweines ist der Vorgang, ohne Plural, dasjenige, was zuerst übergehet. (
S. Vorlauf.) (3) Was vorgehet, eine Begebenheit, ohne zu
bestimmen, ob sie wichtig oder nicht, schädlich oder nützlich u. s. f. ist. Es
unterscheidet sich dadurch von Vorfall, daß dieses eigentlich von plötzlich
sich ereignenden Umständen, Vorgang aber ohne diesen Nebenbegriff und nur von
Begebenheiten gebraucht wird. Es ist dieser ohne Zweifel eine Figur des
Hervorgehens. Ein angenehmer, unangenehmer Vorgang. Ein trauriger Vorgang.
Ehedem bedeutete Vorgang und in der Oberdeutschen Mundart Fürgang auch eine
Beförderung, promotio, in welchem Verstande es noch in dem 1514 gedruckten
Deutschen Livius vorkommt. [
1265-1266]