Rechtfertigen
, [
1003-1004] verb. reg. act. welches nach
Maßgebung der beyden Wörter, aus welchen es zusammen gesetzet ist, verschiedene
Bedeutungen hat, welche aber im Hochdeutschen zum Theil veraltet sind. 1. *
Recht, d. i. Gericht, halten; eine veraltete Bedeutung. 1) Eigentlich. Herodes
ließ die Hüter rechtfertigen, und hieß sie wegführen, Avostelg. 12, 19. 2)
Figürlich. (a) Prüfen, untersuchen, examiniren. Einen Reifenden rechtfertigen,
ihn examiniren, Fritsch zum Besold bey dem Frisch. (b) Tadeln. Die Weisheit muß
sich rechtfertigen lassen von ihren Kindern, Matth. 11, 19; Luc. 7, 35. 2. *
Jemanden sein Recht thun, d. i. ihn hinrichten; eine im Hochdeutschen
gleichfalls veraltete Bedeutung, wo Rechtfertigung ehedem auch die Hinrichtung
war. In noch weiterer Bedeutung kommt es in dem Schwabenspiegel auch für
strafen überhaupt vor. 3. Recht machen, dem Gesetze, ingleichen den Absichten,
den Umständen gemäß, übereinstimmig machen. 1) * Eigentlich; in welcher
Bedeutung es gleichfalls veraltet ist. Dahin gehöret auch der ehemahlige
Oberdeutsche Gebraucht, da es für reinigen gebraucht wurde. Do kumpt die
pestilentz so ist notturft den luft zu rechtfertigen und im sein Boßheit zu
benemen, in dem Liber pestilenz. von 2500. (
S. auch die rechtfertigen, d. i. reinen, Schweine, in dem
vorigen Worte.) 2) Figürlich. (a) Für recht, d. i. den Gesetzen und der
Vollkommenheit übereinstimmig, erklären, von allem Verdachte und Argwohne des
Unrechtes und der Unbilligkeit los sprechen; in welchem Verstande es im
Gegensatze des Verdammens ehedem in den Gerichten sehr üblich war, und es in
einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden noch ist. Einen Angeklagten
rechtfertigen, ihn frey, los sprechen. Daß du rechtfertigest den Gerechten, und
gebest ihm nach seiner Gerechtigkeit, 2 Chron. 6, 23. Aus deinen Worten wirst
du gerechtfertiget, Matth. 12, 37. Und in andern Stellen mehr. Man gebraucht es
nur noch theils in weiterer Bedeutung, und in der biblischen Schreibart, von
allem Verdachte des Unrechtes los sprechen, ein auf richtige Erkenntniß
gegründetes Urtheil von jemandes unverbesserlichem Verhalten fällen, Gott bey
andern rechtfertigen; theils auch in der Theologie, als ein Kunstwort, wo der
Sünder von Gott gerechtfertiget wird, wenn er von aller Schuld und Strafe der
Sünde los gesprochen, und vermittelst der ihm zugerechneten Genugthuung Christi
für gerecht, d. i. den göttlichen Absichten gemäß, erkläret wird. (
S. das folgende.) Notker gebraucht dafür rehte getuon,
reht machen, rehthaftigen, kerehthaften, alle so wie unser rechtfertigen nach
dem Latein. justificare. b) Für recht oder gerecht, d. i. den Gesetzen, der
Billigkeit gemäß, zu erklären suchen, die rechtmäßige Beschaffenheit einer
Person oder Sache zu beweisen suchen; eine noch völlig gangbare Bedeutung. Er
aber wollte sich selbst rechtfertigen, und sprach zu Jesu: wer ist denn mein
Nächster? Luc. 10, 29. Sein Betragen rechtfertigen. Wer getrauet sich, diesen
Betrug vor der Welt und dem Richterstuhle des Gewissens zu rechtfertigen? Gell.
In diesem Verstande schon in dem Schwabenspiegel rehtvertigen. c) * In noch
weiterer Bedeutung gebrauchte man es ehedem auch für rechten, prozessiren. Mit
jemanden rechtfertigen, da denn Rechtfertigung auch ein Prozeß war. Anm. Im
Nieders. rechtfardigen, im Schwed. rättfärdiga.
S. Fertigen, welches hier noch in seiner weitern
Bedeutung, für machen überhaupt, vorkommt. [
1005-1006]