Neu
, [
473-474] -er, -este, adj. et adv.
welches überhaupt diejenige Eigenschaft eines Dinges bezeichnet, da seit dessen
Daseyn nur eine kurze Zeit verstrichen ist, im Gegensatze des alt. 1.
Eigentlich, von dem Daseyn lebloser Dinge und Eigenschaften, da von Menschen,
Thieren und Pflanzen, wenn die Dauer ihres Daseyns überhaupt bestimmt werden
soll, jung üblich ist. Ein neues Haus. Ein neues Kleid. Ein neues Buch. Eine
neue Mode. Eine neue Liebe. Das Haus, das Kleid, das Buch ist ganz neu; in den
gemeinen Sprecharten nagelneu, funkelneu, funkelnagelneu, Nieders. spelderneu,
spolderneu, für ganz neu, völlig neu. Diese Art zu denken ist nicht neu. Das
neue Jahr, im Gegensatze des alten, vergangenen, (
S. Neujahr.) Eine ganz neue Lüge. Eine neue Lehre. Von
Speisen und Eßwaaren gebraucht man am häufigsten das Wort frisch, zuweilen auch
jung, ob man gleich auch in Oberdeutschen sagt, neues Brot, neuer Käse, neues
Bier, für frisches Brot, frischer oder junger Käse, junges Bier. Nur in
Ansehung des Jahrwuchses, wenn eine Speise in diesem Jahre noch nicht da
gewesen, wird sie auch im Hochdeutschen neu genannt. Neuer Wein, dießjähriger,
im Gegensatze des alten oder firnen. Eine neue Speise. Neues Brot, von neuem
oder dießjährigem Getreide. Neue Häringe. Dahin gehören auch die adverbischen
R. A. aufs neue und von neuen, (bey einigen irrig von neuem oder vom neuen,
S. Von, die Anm.) Aufs neue krank werden, wiederum,
nochmahls.
O Sonne, die mein Angesicht Aufs neu jetzund erhellet, Weiße.
Aufs das neue, für aufs neu, kommt hin und wieder vor. So
auch von neuen. Von neuen sündigen, krank werden. Tausend kleinen Umstände, die
immer von neuen vorkommen. Schon im Isidor ith niuues, bey dem Notker
iteniunues, im Lat. denuo. Im Oberd. ist für beyde neuer Dingen und
wiederhohlter Dingen üblich. 2. In weiterer Bedeutung. 1) In Beziehung auf
gewisse Eigenschaften oder Umstände. Der neue König, welcher erst seit kurzen
zu dieser Würde erhoben worden. Neue Soldaten, neue Beamte. Ein neuer Freund,
der erst seit kurzen unser Freund ist. Das neue Testament, im Gegensatze des
alten. Die neue Welt im Gegensatze der alten, weil sie den Europäern am
spätesten bekannt geworden. Der neue Mond, welcher im gemeinen Leben auch das
neue Licht, oder das Neue genannt wird, (siehe Neumond.) Dagegen ist bey den
Jägern das Neue, oder ein Neues, frisch gefallener Schnee, (
S. die Neue.) Neue Einwohner in eine Colonie schicken,
welche vorher noch nicht da gewesen. Die Besatzung mit neuen Leuten abwechseln
lassen, mit frischen. Die neue oder neuere Geschichte, im Gegensatze der alten
oder ältern. Neuere Briefe (spätere, jüngere) melden nichts davon. Das neue
Logis, worein man seit kurzen gezogen ist, oder erst darein zu ziehen Willens
ist. Ein neuer Bedienter, welchen man noch nicht lange hat. Neue Fürsten,
welche die fürstliche Würde nach der Mitte des 16ten Jahrhundertes erhalten
haben, im Gegensatze der alten Fürsten. (
S. Neufürstlich.) 2) In Beziehung auf unsere Erkenntniß,
was man vorher noch nicht erfahren, empfunden oder erkannt hatte. Das ist mir
nichts Neues, das habe ich schon mehrmahls erfahren, oder empfunden. Diese
Sache ist mir nicht neu, nicht unbekannt. Eine neue Lehre. Ein neuer Gedanke,
welchen man noch nicht gedacht, oder noch nicht gelesen hat. Neue Gewächse,
neue Thiere, welche bisher noch nicht bekannt gewesen. Diese Forderung wäre
ganz neu, ganz unerhört. Dieß Gefühl, welches mir so neu in jeder Nerve hebt.
Der Gegenwart des Geistes ist nichts neu. Ein neuer Gegenstand, in den
bildenden Künsten, der noch von niemanden, oder doch nicht auf diese Art
behandelt worden. Etwas Neues erzählen, was man noch nicht gewußt hat,
besonders wenn es sich vor kurzen zugetragen hat, oder zugetragen haben soll.
Was gibts Neues? Immer etwas Neues wissen. Das ist nichts Neues, das ist schon
etwas Altes, Bekanntes.
S. Neuigkeit. 3. Figürlich, in Beziehung auf solche
Eigenschaften, welche gemeiniglich an neuen Dingen angetroffen werden. 1)
Seinem ersten Zustande, der ersten Gestalt, welche ein Ding nach seinem
Entstehen hatte, gleich, in welchem Verstande man im gemeinen Leben Werke der
Kunst, wenn sie so aussehen, als wie sie aus der Hand des Künstlers oder
Urhebers kamen, neu zu nennen pflegt; wo es doch in Gestalt eines Nebenwortes
am üblichsten ist. Etwas wieder neu machen. 2) Ungebraucht, unabgenutzt. Ein
neues Kleid, welches noch nicht getragen ist, wenn es gleich in Ansehung der
Zeitdauer nicht neu ist. Neues Geld, welches noch ganz glän-
[
475-476] zend ist. Das Kleid, das Haus ist noch ganz
neu. 3) Den Grad der lebhaften innern Stärke habend, welchen ein Ding bey
seinem Entstehen gemeiniglich zu haben pflegt. Neuen Muth, neue Kräfte haben,
bekommen. Die Barmherzigkeit des Herrn ist alle Morgen neu, Klugl. 3, 23. Mein
Schmerz wird wieder neu. 4) Mit dem Nebenbegriffe des bessern; im Gegensatze
des alt. Der neue Mensch, das neue Leben, ein neues Herz, der neue Sinn, in der
Deutschen Bibel und der biblischen Schreibart, die durch den Geist Gottes
gewirkte bessere sittliche Beschaffenheit, im Gegensatze der ungeänderten. 5)
Unerfahren; am häufigsten als ein Nebenwort. In einer Sache neu seyn. Er war in
dieser Art von Erfahrungen noch ganz neu. Bist du so neu in der schönen Welt,
daß du nicht weißt, daß das Freye jetzt der gute Ton ist?
S. Neuling. Anm. Bey dem Kero niuu, bey dem Ottfried
niu, nouo, im Nieders. nij, nige, im Dän. ny, im Angels. niwe, neowe, im Engl.
new, im Franz, neuf, im Ital. nuovo, bey dem Ulphilas niwi, im Irländ. nua, im
Pers. nau, im Russ. und Pohln. nowy, im Krain. nov, welche insgesammt mit dem
Lat. novus und Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -
aus einer gemeinschaftlichen ältern Quelle entsprungen sind. Das Stammwort
scheinet nahe zu seyn, (siehe Nun;) indessen da neu im Dän. auch nyt lautet,
und unser neu in einigen Fällen selbst so viel wie glänzend bedeutet, so stehet
es noch dahin, ob es mit nett nicht vielmehr zu Nitor, nitere, nitidus gehöret.
Man macht mit diesem Worte verschiedene Zusammensetzungen, Dinge zu bezeichnen,
welche entweder erst seit kurzen da sind, oder seit kurzen bekannt geworden,
oder auch, welche später entstanden oder bekannt geworden, als ein anderes von
eben derselben Art. Die bekanntesten derselben kommen in folgenden vor. Nur
wenn es das bloße Nebenwort neu ist, und weder eine Ellipse noch eine Figur
Statt findet, so enthält man sich der Zusammenziehung mit mehrerm Rechte, als
man sich derselben bedienet. Neu geboren, neu gebackenes Brot, neu geworbene
Soldaten, neu gekleidet, für neugeboren u. s. f.
[
475-476]