Lösen
Lösen,
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2107-2108] verb. reg. act. von dem Bey-
und Nebenworte los, los machen, wo es doch unter verschiedenen Einschränkungen
gebraucht wird. 1. So fern los locker bedeutet, ist lösen lockerer machen, den
festen Zusammenhang zum Theil aufheben, wo es zugleich den Begriff der
Behuthsamkeit mit einschließet; im gemeinen Leben auch lüften. Das Halsband,
das Strumpfband, die Binde lösen, sie lockerer machen. Eine Schraube lösen, sie
lockerer schrauben. Einem Kinde die Zunge lösen, sie beweglicher machen, durch
Zerschneidung eines Theiles der Bande, womit sie unten befestiget ist. In
figürlichem Verstande löset man jemanden die Zunge, wenn man ihn zum Reden
beweget. Der Gärtner löset die Rinde eines Baumes, wenn er ein Auge zur
Fortpflanzung hinein setzen will. Zusammen gekleistertes Papier von einander
lösen. So auch in der Zusammensetzung ablösen. Hierher gehöret auch die bey den
Jägern übliche figürliche R. A. sich lösen, oder als ein Neutrum lösen, oder
loser, seine Nothdurst verrichten, doch nur von vierfüßigen Thieren, eigentlich
sich leichter machen, sich erleichtern, welche Ausdrücke auch wohl in diesem
Verstande vorkommen. Los, locker und leicht sind der Abstammung nach genau mit
einander verwandt.
S. Losung. 2. Allen Zusammenhang zwischen zwey Dingen
völlig aufheben. 1) Eigentlich von körperlichen Dingen, wo es in der weitesten
Bedeutung doch nur in den zusammen gesetzten ablösen und auflösen vorkommt. In
engerer Bedeutung. (a) Von Dingen, welche gebunden, oder durch Bande befestiget
sind, mit dem Nebenbegriffe der Behuthsamkeit. Bey den Jägern werden die Hunde
gelöset, wenn man sie von dem Hängeseile, von dem Fangstricke oder von der
Koppel los bindet, sie in Freyheit lässet. Eben daselbst werden die Archen und
Windleinen gelöset, wenn sie los gemacht oder los gebunden werden. Den Ochsen
von der Krippe lösen, Luc. 13 14. Einen Knoten lösen, für auflösen. In vielen
Fällen ist dafür ablösen üblicher. Auch die biblischen R. A. einen Gefangenen
von den Banden lösen, Apostelg. 22, 30, ihm die Bande auf einige Zeit abnehmen,
der Herr löset die Gefangenen, Ps. 146, 8, setzet sie in Freyheit, befreyet
sie, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. (b) Von Dingen, welche gespannet sind,
mit dem Nebenbegriffe der Geschwindigkeit, wo es besonders von dem Geschütze
und Feuergewehren üblich ist. Eine Pistole, eine Büchse lösen, eigentlich durch
Abdrückung des Hahnes, los schießen, los brennen. In weiterer Bedeutung auch
von andern Arten des Geschützes. Die Kanonen lösen. 2) Figürlich, von
sittlichen Banden und Einschränkungen befreyen. (a) In der weitesten Bedeutung,
wo es doch nur noch in der biblischen Schreibart üblich ist, im Gegensatze des
Bindens. Ein Gesetz lösen, es aufheben. Die Sünde lösen, die Schuld und Strafe
derselben aufheben. Die Gewalt zu lösen und zu binden, Sünde zu vergeben und zu
behalten. Was du auf Erde lösen wirst, soll auch im Himmel los seyn, Matth. 16,
19. Von der Befreyung von andern Arten des sittlichen Zwanges, von einer Gefahr
u. s. f. ist erlösen üblicher, obgleich das einfache Zeitwort bey ältern
Schriftstellern noch häufig vorkommt. Und löst ihn dadurch aus der Noth,
Theuerd. Die zu lösen so ihm stehn, Opitz. (b) In engerer Bedeutung, durch
einen Äquivalent von einer Verbindlichkeit befreyen. So löset man sich im
gemeinen Leben durch ein Geschenk, wenn man angebunden worden, oder auch sonst
eine Verbindlichkeit hat, dem andern ein Geschenk zu machen. (c) In noch
engerer Bedeutung, durch ein Äquivalent von dem Eigenthumsrechte eines andern
befreyen. Die Erstgeburt vom Esel sollt du lösen mit einem Schafe, 2 Mos. 13,
13. Das Leben des Ochsen lösen, Kap. 21, 30, erkaufen. Wer etwas von den
Leviten löset, 3 Mos. 25, 33, das ihnen heim gefallen war. Den Acker lösen, der
dem Herren geheiliget war, Kap. 27, 19. In dieser Bedeutung sind die zusammen
gesetzten ablösen, auslösen und einlösen jetzt üblicher. Doch sagt man noch,
sich lösen, sich mit hundert Thalern lösen, sich aus der Gefangenschaft oder
Sklaverey los kaufen. Ehedem lösete man auch Pfänder, welche man jetzt
einlöset. Hierher gehöret, (d) auch die dem ersten Anscheine nach sonderbare R.
A. Geld lösen, d. i. Geld als ein Äquivalent für seine Waare oder Arbeit
einnehmen, oder bekommen, eigentlich, es durch ein Äquivalent an Waare von dem
Eigenthume eines andern befreyen. Geld für seine Waare lösen. Geld aus den
Waaren lösen. Wir haben heute noch nichts gelöset. Wenn Thoren zu Markte gehen,
so lösen die Krämer Geld. Jemanden Geld zu lösen geben, ihm Geld zuwenden,
machen, daß er es einnehme. Ottfried gebraucht losen im thätigen Verstande für
bezahlen, so wie das Lat. solvere so wohl auflösen, los machen, als bezahlen
bedeutet. Wie es aber gekommen, daß unser lösen von der thätigen zur passiven
Bedeutung, für bezahlet werden, übergegangen ist, ist schwer zu sagen. Im
Schwed. lautet es in dieser passiven Bedeutung lossna, wo aber selbige aus der
Endung -na, im Deutschen -nen, leicht begreiflich wird. Frisch führet
verschiedene Beyspiele an, woraus erhellet, daß gelösen, gelosen und verlosen
ehedem auch für verkaufen gebraucht worden. So auch die Lösung, in allen obigen
Bedeutungen. Siehe aber auch Losung. Anm. Bey den ältern Oberdeutschen
Schriftstellern losan, auch noch jetzt im gemeinen Leben einiger Mundarten
losen und lossen, im Nieders. lösen, bey dem Ulphilas lausjan, im Angels.
lesan, lysan, im Isländ. leisa, im Schwed. lösa, im Engl. to loose, im Dän.
loe, im Lat. laxare und luere, welches letztere ehedem eigentlich bezahlen
bedeutete, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ,
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - . (
S. das Beywort Los, Lassen, Losung, Schließen u. s. f.)
Ottfried gebraucht für erlösen noch irlaren, woraus zugleich die Verwandtschaft
mit unserm leer und verlieren, Verlust erhellet. Das Neutrum dieses Activi,
losen, gelosen, einer Sache los werden, ist veraltet.
S. 1. Losen. [
2109-2110]