Halten
Halten,
[
927-928] verb. irreg. ich halte, du
hältst, er hält, wir halten, u. s. f. Conj. ich halte, u. s. f. Impers. ich
hielt; Mittelw. gehalten; Imperat. halte oder halt. Es ist in doppelter Gattung
üblich. I. Als ein Activum. 1. Eigentlich, unmittelbar mit der Hand oder auf
ähnliche Art ergreifen, und die Fortdauer des dadurch hervor gebrachten
Zustandes bewerkstelligen. 1) Überhaupt. Jacob hielt die Fersen des Esau, 1
Mos. 25, 26; er hatte sie angefasset, und behielt sie in der Hand. Halt es
fest. Etwas mit der Hand halten. Etwas in der Hand halten. Den Stock mit den
Zähnen, ein glühendes Eisen mit der Zange halten. Einem etwas vor das Gesicht
halten. Etwas gegen die Sonne halten. Ein Ding gegen das andere halten, so wohl
eigentlich, als auch figürlich, ein Ding mit dem andern vergleichen. Den
Spiegel an die Wand, das Wachs über das Feuer, ein Papier in das Licht halten
u. s. f. Einem die Stange halten, figürlich, ihn ver- theidigen, seine Partey
nehmen; ein von den ehemahligen Turnieren entlehntes Bild,
S. Stange. So auch mit Nebenwörtern. Den Sack offen
halten, seine Theile so halten, daß er offen stehe. Den Leithund kurz halten,
bey den Jägern, das Hängeseil kurz fassen, damit der Hund nicht so vielen
Willen habe, und dann auch figürlich, jemanden kurz halten, ihn einschränken.
Derjenige Theil eines Körpers, woran man denselben hält, bekommt das Vorwort
bey. Jemanden bey der Hand halten. Den Wolf bey den Ohren halten. Jemanden bey
dem Mantel halten. Daher figürlich, jemanden bey seinem Worte halten, auf die
Erfüllung des von ihm gethanen Versprechens dringen. 2) In engerer Bedeutung.
(a) Ein Ding halten, damit es nicht falle. Er wäre gewiß gefallen, wenn ich ihn
nicht gehalten hätte. Ingleichen als ein Reciprocum, mit dem Vorworte an. Sich
an etwas halten, damit man nicht falle; ingleichen figürlich, sich an jemanden
halten, sich auf ihn verlassen, die Erfüllung des gethanen Versprechens,
ingleichen die Verbesserung seiner Umstände von ihm erwarten. Halten sie sich
an mich, verlassen sie sich auf mich. Ich halte mich hier bloß an das Wahre und
Natürliche, d. i. bleibe dabey stehen, nehme nur daher die nöthigen
Bestimmungen, Beweisgründe u. s. f. (b) Ein Ding halten damit es nicht
entfliehe, seine Bewegung nicht fortsetze. Haltet den Dieb, haltet ihn auf. Das
Pferd will sich nicht halten lassen. Jemanden bey dem Arme, ein Pferd bey dem
Zügel; den Aal bey dem Schwanze halten. Woran hälts? im Oberdeutschen, d. i.
woran liegts, was hält die Sache auf, was hindert ihren Fortgang? Daher
figürlich, das läßt sich noch halten, das ist mittelmäßig. Ihre Schönheit,
seine Gelehrsamkeit läßt sich wohl noch halten. Ingleichen mit dem Vorworte
mit. Mit seinem Reichthume läßt es sich noch halten, d. i. er ist so groß
nicht. Es läßt sich mit meinen Jahren noch wohl halten, Gell. ich bin so gar
alt noch nicht. 2. In etwas weiterer Bedeutung, einen Körper durch
unmittelbaren Einfluß, ohne Berührung mit der Hand oder auf ähnliche Art, in
eine gewisse Richtung bringen, von den Theilen seines eigenen Leibes. Die Hand
vor das Gesicht halten. Die Hände, die Arme in die Höhe halten.
Gott pfleget über den die treue Hand zu halten, Dem Überlast
und Unrecht wird gethan, Opitz.
Den Kopf schief halten. Den Mund offen halten. Einem den
Daumen auf das Auge halten, figürlich, ihn in seinen Schranken erhalten. Einem
den Daumen halten, figürlich, ihm mit Rath und That beystehen,
S. Daumen. Einem ein Bein halten eigentlich, ihm das
Bein vorhalten, damit er darüber falle, und dann figürlich, eines andern
Unglück hinterlistiger Weise befördern. 3. Figürlich. 1) Die Bewegung eines
Dinges hindern. (a) Auf unmittelbare Art, durch Unterstützung des
Schwerpunctes, Anheftung u. s. f. auch von leblosen Dingen; doch nur in einigen
Fällen. Der Hals hält den Kopf, träget, unterstützet ihn. Der Baum hält die
Wand, sonst würde sie fallen. Den Athem zurück halten, oder ihn an sich halten,
ihn bey sich behalten, nicht von sich geben. Welche beyde R. A. auch in
verschiedenen figürlichen Bedeutungen gebraucht werden. Mit etwas zurück
halten, oder an sich halten, theils, verschwiegen damit thun, theils auch, es
nicht so leicht von sich geben. Zurückhaltend seyn, verschwiegen, in Ansehung
seiner Urtheile, Entschließungen und Geheimnisse. Wir müssen den Verstand
gewöhnen, bey oder mit seinen Urtheilen an sich [
929-930] zu halten, Sonnenf. Wir müssen bey der ersten Empfindlichkeit über
Unfälle an uns zu halten lernen, Gell. unsere Empfindung zu verbergen. Opitz
übersetzt das, Vtere quaesitis parce quum sumplus abundat, des Cato, durch:
Halt an dich bist du reich und hast du was erworben. Der Verkäufer hält seine
Waare an sich, wenn er sie nicht dem ersten und besten Käufer überläßt. Sich
nicht mehr auf den Füßen halten können. Wohin vermuthlich auch die niedrige R.
A. gehöret, das Maul halten, für schweigen. Ingleichen verschiedene andere
Arten des Ausdruckes, wo halten zwar ein Activum ist, aber doch als ein Neutrum
gebraucht wird. Die Thränen nicht halten können. Das Wasser nicht halten
können, d. i. seinen Urin. Der Hut, die Stiefel halten Wasser, halten das
Wasser ab, lassen es nicht durch. Das Faß hält, rinnet nicht. (b) Durch äußere
Zwangsmittel. Ein Pferd im Zaume, im Zügel halten, dessen Bewegungen
vermittelst des Zaumes oder Zügels beherrschen. Jemanden im Zaume halten, ihn
einschränken. Seine Begierden, seine Leidenschaften im Zaume halten. Jemanden
gefangen, oder gefänglich halten. Einen muthwilligen Menschen in den gehörigen
Schranken halten. Ich halte mich in meinen Gränzen. (c) Durch moralische
Bewegungsgründe. Er wollte sich nicht länger halten lassen, d. i. aufhalten.
Wenn sie gehen wollen, so will ich sie nicht halten. Ich weiß, daß dich
Geschäfte halten, Gell. (d) Nach einer noch weitern Figur auch als ein
Reciprocum, den Ausbruch einer Gemüthsbewegung, einer Leidenschaft hindern. Sie
konnte sich hier nicht länger halten, denn das Feuer stieg ihn in den Augen.
Ich konnte mich vor Freuden nicht länger halten. Seinen Zorn, seine Thränen,
seine Freude zurück halten.
S. Enthalten. 2) Den Zustand, die Veränderungen eines
Dinges bestimmen; größten Theils nur in verschiedenen einmahl eingeführten
Fällen. (a) Überhaupt. Einem Dinge das Gleichgewicht, oder die Wage halten,
machen, daß er im Gleichgewicht stehe, und dann auch figürlich, von dem
sittlichen Werthe, von der moralischen Kraft. Meine Gründe halten den deinigen
das Gleichgewicht. Etwas heimlich, oder geheim halten, es wisfentlich und
vorsetzlich oder verschweigen. Etwas vor jemanden heimlich halten, hindern, daß
er es nicht erfahre. Sich heimlich halten, sich verbergen. Die Kreuzzüge
hielten Europa viele Jahre lang in einer beständigen Gährung. Vermuthlich
gehören dahin auch folgende figürliche Arten des Ausdruckes. Jemanden frey
halten, für ihn bezahlen. Jemanden schadlos halten, ihm seinen Schaden
ersetzen. Die Freundschaft, so vortrefflich sie ist, hält uns doch nie wegen
der Liebe schadlos, Gell. (b) In engerer Bedeutung, besonders in folgenden
Fällen. (aa) Durch äußern Zwang. Jemanden unter dem Drucke halten. Einen jungen
Menschen in scharfer Zucht halten. Ein Kind unter der Zucht, unter der Ruthe
halten. Seine Kinder zur Schule halten. Jemanden zu allem Guten, zum Studieren
halten.
S. Anhalten. Daher das Mittelwort mit dem Hülfsworte
seyn auch für verpflichtet seyn gebraucht wird. Der Verkäufer ist in diesem
Falle das Geld wieder zu geben gehalten, d. i. verpflichtet und schuldig. Gott
ist seiner einigen Vollkommenheiten wegen zur Erhaltung seiner Geschöpfe
gehalten. [
929-930] (bb) In Ansehung der äußern Umstände
eines Dinges. Das Geschirr rein und sauber halten. Ein Gebäude in gutem Stande
halten. Das Seinige zu Rathe halten, sparsam damit umgehen. Buch oder Rechnung
halten, die Rechnung führen,
S. Buchhalter. Ein Tagebuch, ein Journal über etwas
halten. Etwas rar halten. Etwas bereit, oder in Bereitschaft, machen, daß es
bereit sey und in diesem Zustande verbleibe. Sich zur Reise fertig halten. Sich
zur Flucht, zur Reise, zu etwas gefaßt halten. Sich auf alle Fälle gefaßt
halten. (cc) In Ansehung der Begegnung. Jemanden gut halten, ihn nicht nur gut
speisen und kleiden, sondern ihm auch gut begegnen. Das Gesinde wird in diesem
Hause sehr schlecht gehalten. Jemanden wie sein Kind halten. Er wird wie ein
Hund gehalten. Jemanden lieb und werth halten, nicht bloß von der innern
Achtung, sondern auch von deren Erweisung. Jemanden warm halten, ihm scharf
zusetzen, Hindernisse zu überwinden geben. (dd) In Ansehung seines eigenen
Betragens bey Hindernissen, als ein Reciprocum, Sich gut halten, seine
Verbindlichkeiten aller Art gehörig erfüllen. Sich hart halten, sich so
betragen, als ob man hart wäre. Die Soldaten haben sich gut gehalten. In
engerer Bedeutung heißt sich halten, sich mit gutem Fortgange vertheidigen. Die
Besatzung hält sich. Diese Festung wird sich nicht lange halten. Die Stadt hat
sich kaum drey Tage gehalten.
S. Haltbar. (ee) Nach einer noch weitern Figur wird
dieses Reciprocum auch von unvernünftigen und leblosen Dingen gebraucht, und da
bedeutet es, in einem guten brauchbaren Zustande verharren. Das Vieh hält sich
gut. Das Fleisch hält sich im Winter am besten, wird nicht leicht riechend.
Dieses Obst hält sich nicht, bleibt nicht lange eßbar. (ff) In der Mahlerey
wird das Zeitwort halten, nach dem Muster des Französ. tenir, von der Art und
Weise gebraucht, wie der Künstler die Gegenstände bearbeitet, besonders in
Ansehung des Lichtes und des Schattens, der Stärke und Schwäche des Ausdruckes.
Die Lichter groß und nicht nahe an einander halten. Die entfernten Gegenstände
müssen sanft und leicht an Farbe gehalten werden. 3) Die Fortdauer einer Sache
so wohl als ihr äußeres Verhältniß durch Reichung der Nahrungsmittel, Bezahlung
des Lohnes, Tragung der Kosten bestimmen; für unterhalten. Den ganzen Tag Feuer
auf dem Herde halten. Offene Tafel halten. Besonders in Beziehung auf das
dadurch bewirkte Verhältniß. Pferde, Hunde, Bediente, Gesinde halten. Einem
Kinde eine Amme halten. Seinen Kindern einen Lehrer halten. Viel Vieh halten.
Vier Pferde auf der Streu halten. Haus halten, Hof halten,
S. Haushaltung, Hofhaltung. Figürlich auch die Fortdauer
einer Sache durch Beobachtung der Obliegenheiten bewirken, doch nur in den R.
A. Freundschaft, Umgang mit jemanden halten. Gute Nachbarschaft halten. 4) Eine
Sache in Ansehung der äußern Umstände, oder durch Veranstaltung der äußern
Umstände zur Wirklichkeit bringen, gleichfalls nur einigen bereits eingeführten
Fällen. Eine Gasterey halten, ausrichten. Hochzeit halten, d. i. machen,
feyern. Einem die Hochzeit halten, sie ausrichten, die Kosten dazu hergeben.
Gericht halten. Einen Landtag, einen Reichstag halten. Eine Versammlung halten.
Mit jemanden Rath halten, mit ihm rathschlagen. Ein Gespräch mit jemanden
halten. Eine Musterung halten. Eine Auction halten. Das Abendmahl halten. Eine
Rede, eine Predigt [
931-932] halten. Schule, ein
Collegium halten. Nachfrage, Umfrage halten. Wo der Begriff der Feyerlichkeit
oft verschwindet, und die bloße eigene Thätigkeit übrig bleibet, wie in den R.
A. Mittagsruhe halten, nach Tische schlafen, Tafel halten, speisen, von großen
Herren. 5) Eine Verbindlichkeit erfüllen; eine sehr alte und fast in allen
Sprachen befindliche Figur, welche, wenigstens in einigen Fällen, von dem
Handschlage entlehnet seyn kann, womit man ein Versprechen zu bestätigen
pflegt. Sein Wort, sein Versprechen, seine Zusage halten. Seinen Eid halten.
Treu und Glauben halten. Den Kauf nicht halten wollen. Einen Accord, einen
Vergleich halten. Halte, was du mir versprochen hast. Viel versprechen und
wenig halten. 6) In noch weiterer Bedeutung, beobachten, sich einer Sache gemäß
betragen, sie zur Vorschrift seines Verhaltens annehmen. Die Gebothe Gottes
halten, auf eine dauerhafte Weise Gehorsam dagegen üben. Das Gesetz halten.
Einen Festtag, einen Fasttag halten, nicht so wohl ihn veranstalten, welches
zur vorigen vierten Bedeutung gehöret, als vielmehr denselben auf die
vorgeschriebene Art feyern. Frieden halten, sich friedlich betragen. Den Tact
halten, beobachten. Den rechten oder schiefen Curs halten, beobachten, bey den
Schiffern. Maße halten. Gute Ordnung; gute Diät halten. Die rechte Bahn halten,
Opitz. Ich halte meine Ordnung und gehe. Das Stillschweigen halten. Reinen Mund
halten, figürlich, ein anvertrautes Geheimniß verschweigen. Wache halten. Ich
pflege es so zu halten, ich habe es immer so gehalten, habe mich dabey so
betragen. Du kannst es halten wie du willst. So will ich es gehalten haben. Die
biblischen Ausdrücke, die Wege des Herren, die Rechte, die Sitten, Recht und
Gerechtigkeit halten, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. Mit den Vorwörtern
auf und über auch als ein Factitivum, die Beobachtung einer Sache
bewerkstelligen, Sorge tragen, daß sie beobachtet werde. Fest über einen Befehl
halten. Auf Ordnung halten. Die Indianer halten steif und fast über ihre alten
Gebräuche. 7) Ein Urtheil über den Werth oder die Vollkommenheit eines Dinges
bey sich fällen, es schätzen, mit verschiedenen Nebenwörtern. So wohl von dem
physischen Werthe. Wie hoch halten sie diesen Ring? wie viel wollen sie dafür
haben? Eine Waare theuer halten, sie theuer biethen. Auf seine Waare halten,
sie theuer biethen, und dabey beharren. Als von dem moralischen Werthe. Eine
Sache hoch halten, sie geringe halten. Jemanden lieb und werth halten, welche
R. A. auch ein diesem Urtheile gemäßes Betragen mit einschließet. Ingleichen
mit dem Vorworte auf. Viel auf jemanden halten, ihn hoch halten; im gemeinen
Leben, große Stücke auf ihn halten. Wenig auf sich halten, sich selbst nicht
hoch schätzen und dieses Urtheil thätig beweisen. Auf Träume halten. Ich halte
viel auf ein billiges Lob, Gell. Sie hält gar nicht viel auf das Essen, ebend.
Auf Ehre halten, welches zugleich die thätige Beweisung seines Urtheils mit
einschließet, sich so betragen, daß jedermann erkenne, man schätze die Ehre
hoch. In einigen Fällen auch mit dem Vorworte von. Ich halte nichts davon,
halte es nicht für wahr, nicht für rathsam. Viel von jemanden halten, ihn hoch
halten. 8) In noch weiterer Bedeutung, ein wahrscheinliches Urtheil von etwas
fällen, nach wahrscheinlichen Gründen urtheilen. Am häufigsten mit dem Vorworte
für. Ich halte ihn für einen ehrlichen Mann. Ich habe ihn immer für einen
Betrieger gehalten. Halten sie mich nicht für kindisch. Andre gegen sich für
nichts halten. Sich etwas für eine Ehre, [
931-932] für
eine Schande halten. Etwas für Sünde halten. Alles für verloren halten. Ich
halte das nicht für rathsam. Ich halte dafür, daß es nicht geschehen wird.
S. Für. Zuweilen auch mit einigen andern Vorwörtern, und
einigen Nebenwörtern. Einem etwas zu gute halten, es nicht übel auslegen, es
ihm übersehen. Sie müssen es seinem Unverstande zu gute halten,
S. Gut. Er Hält sich dazu nicht zu vornehm. Halten sie
mirs zu Gnaden, nehmen sie es nicht ungnädig. Sagen sie mir, was ich von ihm
halten soll, was ich von ihm urtheilen soll. Sie mögen von mir halten, was sie
wollen.
Hält sich der Herr Gemahl An sein gegebnes Wort gebunden?
Wiel.
Allein absolute ist es wohl im Oberdeutschen, nicht aber im
Hochdeutschen üblich. Die Sadducäer halten, es sey keine Auferstehung der
Todten, Matth. 22, 23; d. i. halten dafür, glauben. So halten wir es nun, daß
der Mensch gerecht werde u. s. f. Röm. 3, 23. Wir halten, daß, so einer für
alle gestorben u. s. f. 2 Cor. 5, 14; wo es zugleich für behaupten stehet. Ich
halt, du habst das erdicht, Theuerd. Hierher gehöret auch die Oberdeutsche
Ausfüllungs-Partikel halt und in Baiern halter, welche eigentlich für halt ich,
d. i. wie ich dafür halte, zu stehen scheinet, aber auch sehr oft als ein
bloßes Flickwort und ohne Bedeutung gebraucht wird. Er wird heute halt nicht
kommen. Er ist halt oder halter schon da gewesen. Es hat mich halt gedurstet.
Wo es zuweilen für auch stehet. Si sint halt billich in dem fride, Schwabensp.
Kap. 260. So bechert er halt sein veind zu dem frid, in einer Übersetzung der
Sprichw. Sal. von 1400, Kap. 16, 7. Solt ich halt todt beleiben, Theuerd. Kap.
82. Die Thüringer und Franken brauchen statt dieser Partikel meech, meeg, d. i.
meine ich, die Schweden manne, welches mit dem Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - überein kommt.
S. Meinen. Bey dem Ottfried, Notker, Tatian u. a. war
halt ein Nebenwort, welches mehr, thiu halt, desto mehr, ingleichen
dermahleinst, einmahl bedeutete; wir sulen halto irsterben, Notk. 9) Endlich
wird auch das Reciprocum, sich halten, in einigen R. A. noch von verschiedenen
Arten der eigenen Veränderungen gebraucht, welche gleichfalls Figuren der
eigentlich Bedeutung sind. Sich rechter Hand halten, rechter Hand bleiben. Ein
anders Mahl halte dich eher dazu, thue es eher. Sich zu jemanden halten, mit
ihm umgehen, Rath und Verbesserung seiner Umstände von ihm erwarten. Das ist
meine Freude, daß ich mich Gott halte, Ps. 73, 28. Ich halte mich zu denen, die
dich fürchten, Ps. 119, 63. Ein jedes Thier hält sich zu seines Gleichen. II.
Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert. 1. Eigentlich, fest mit
etwas verbunden seyn, so wohl mit einem Dinge außer sich, als auch in Ansehung
seiner eigenen Theile. Der Nagel hält nicht, sondern biegt sich. Das Bret wird
nicht halten, sondern brechen. Ein Bret hält, wenn es fest an einem andern
Dinge befestiget ist. Das Eis hält nicht, bricht. Der Strick wird schon halten.
Der Zeug hält nicht, ich nicht dauerhaft. Die Schminke will nicht halten, nicht
kleben bleiben. Der Kalk hält, wenn er sitzen bleibt. Ingleichen in einem etwas
mehr thätigen Verstande, der gleichsam den Übergang des Activi in das Neutrum
ausmacht. Der Leim hält, wenn er nicht nur selbst haften bleibet, sondern auch
die Theile, die er verbinden soll, gehörig verbindet. Die Farbe halten,
behalten; ingleichen figürlich, nicht Farbe halten, in der Probe nicht echt,
nicht treu befunden werden. Stich halten, eigentlich von den Zeugen, wenn sie
im Nähen nicht ausreißen, und dann auch figürlich, die Soldaten hielten nicht
[
933-934] Stich, rissen aus, liefen davon. Der Beweis
hält nicht Stich, wird bey näherer Untersuchung nicht tüchtig befunden. Hier
hält kein Zweifel Stich, 2. Figürlich. 1) Enthalten, dem innern Raume nach
fassen können. Das Faß hält zwey Eimer. Diese Bouteille hält zwey Maß. Was hält
dieser Brief in sich? Ein Buch, welches viel Gutes in sich hält.
S. Enthalten und Inhalt. Ingleichen, als ein Ganzes, den
Theilen nach in sich fassen. Der Zentner hält 110 Pfund, das Pfund 32 Loth, der
Gulden 16 Groschen u. s. f. 2) Stehen bleiben, aufhören, sich zu bewegen, so
wohl eigentlich als auch figürlich. Der Wagen hält stille. Halt Kutscher! Mit
dem Wagen halten. Stille halten. Der Wagen, der Fuhrmann hielt mitten im Dorfe
stille. Die Truppen halten mitten auf dem Marsche. Daher das besonders im
Kriegeswesen übliche Hauptwort Halte, welches nur mit dem Zeitworte machen, und
ohne Artikel gebraucht wird, Halte machen, stehen bleiben. Halt! das
gewöhnliche Commando-Wort, wenn die Truppen im Marsche stehen bleiben sollen.
Halt! sagte König Friederich, Halt! da war es ein Tritt,
Gleim.
Inne halten zu lesen, oder mit Lesen, oder im Lesen. So auch
im Schreiben, im Singen, oder mit Schreiben, mit Singen u. s. f. inne halten.
S. Inne. Halten sie mir solchen Reden inne. Einem stille
halten, im gemeinen Leben auch nur einem halten, stille vor ihm halten, ihm
nicht entweichen, sich nicht bewegen. Er muß mir halten. Ingleichen mit einigen
Hauptwörtern. Stand halten, stehen bleiben, ingleichen sich standhaft
vertheidigen. Noch hat sie ziemlich Stand gehalten, Weiße, sie ist ziemlich
standhaft geblieben. Aus Scham mußte ich Stand halten, mußte stehen bleiben.
Festen Fuß halten, gleichfalls stehen bleiben, und figürlich, standhaft bleibe.
Die Löwen halten Fuß, Opitz. Das Feld halten, im Felde bleiben, im
Kriegeswesen. Der Feind getrauet sich nicht das Feld zu halten. Bey der Stange
halten, standhaft, beständig, treu bleiben.
S. Stange. An etwas halten, demselben standhaft ergeben
seyn, kommt noch zuweilen vor. Sie hält mit großer Demuth an den Sitten ihrer
Vorfahren, Gell. Aber die biblischen Ausdrücke, an Gott, am Glauben, am
Bekenntniß, an der Hoffnung halten, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich.
Zuweilen verschwindet der Begriff der vorher gegangenen Bewegung, und da
bedeutet halten bloß aus gewissen Absicht ohne Bewegung seyn. Jenseit der Wiese
hielten ein Paar verdächtige Leute zu Pferde.
Gottes lebender Wind hielt zwischen den ehernen Bergen
Unbeweglich, Klopst.
Hinter dem Berge halten Soldaten. Figürlich bedeutet hinter
dem Berge halten, auch, seine wahren Absichten, eine Sache verbergen, geheim
halten. Mit etwas hinter dem Berge halten, damit geheim thun. Besonders in der
Absicht, andern nachzustellen. Auf jemanden halten, auf ihn lauern. Man hielt
auf ihn (den Simson) bey ihr in der Kammer, Richt. 16, 9. Abimelech stund auf
und hielt auf Sichem mit vier Haufen, Kap. 9, 34. In welcher Bedeutung es aber
im Hochdeutschen veraltet ist. Der Imperativ halt wird zuweilen als ein
drohendes Zwischenwort gebraucht. Halt! ich will dich bezahlen. 3) Eines Partey
halten, seiner Partey ergeben seyn, ihn vertheidigen, verfechten. Können sie
glauben, daß ich ihre Partey gegen meine Schwester habe halten müssen? Less. Es
mit jemanden halten, seiner Meinung seyn, ihm zugethan seyn. Ich halte es mit
keinem. Ich halte es mit dem Weine, ich bin für den Wein.
[
933-934] 4) Die Probe halten, d. i. aushalten, in der
Probe echt erfunden werde. Im Oberdeutschen sagt man auch, das Feuer halten,
den Hammerschlag halten, wo man im Hochdeutschen das Zeitwort aushalten
gebraucht. 5) Das wird hart halten, oder, das wird schwer halten, das wird
nicht anders als mit Mühe zu bewerkstelligen seyn. 6) Wie hälts? für wie gehet
es? wie stehet es? Wie hälts, haben sie ausgeschlafen? Weiße.
Wie hälts? wird auf der Insel nicht geredt? Mich.
Anm. Dieses Wort lautet schon bey dem Kero, Ottfried und
andern haltan, im Isidor haldan, im Nieders. holden, hollen, im Dän. holde, im
Angels. healdan, im Engl. to hold, und so fern es stille bedeutet, halt, im
Schwed. halla, im Isländ. halda, im Holländ. houden. Weil dieses Wort in unsern
ältesten Denkmählern für erhalten, servare, vorkommt, so nimmt Ihre diese
Bedeutung für die erste ursprüngliche an, leitet es von Heil, Salus, her, und
rechnet auch das Lat. incelumis, seiner zweyten und eigentlichen Stammsylbe
nach dahin. Nach dem Wachter und Frisch ist custodire die erste ursprüngliche
Bedeutung, weil es bey den ältesten Schriftstellern auch von den: Weiden oder
Hüthen des Viehes vorkommt, daher sie es auch zu dem Latein. alere rechnen. So
hirti ther thar heltit, Joch sines fehes weltit, Ottfr. wie ein Hirte, der sein
Vieh hüthet und bewahret. Im Österreichischen ist daher Halter oder Viehhalter
noch jetzt ein Viehhirt, und Halte die Weide. Im Nieders. ist Holung oder Holje
die Kost; ein Kind in die Holung thun, in die Kost. Allein, es scheint der
Analogie anderer Wörter und dem natürlichen Gange der menschlichen Begriffe
gemäßer zu seyn, die einfachste, natürlichste und sinnliche Bedeutung zum
Grunde zu legen, zumahl da sie für alle übrigen ein so leichtes und
schickliches Bild an die Hand gibt. Halten hat mit haben, zumahl, wenn man die
veralteten Bedeutungen, deren eine große Menge ist, und die Mundarten mit dazu
nimmt, viele Bedeutungen und Wortfügungen gemein, daher sich vermuthen lässet,
daß sie näher verwandt sind, als es dem ersten Anblicke nach scheinen möchte.
Unsere ältesten Schriftsteller gebrauchen für halten, tenere, das Wort haben,
und noch jetzt ist in Baiern heben in dieser Bedeutung üblich. In der Bedeutung
der Erfüllung eines Versprechens, einer Verbindlichkeit, sagt man im
Braunschweigischen für holden oder halten auch heren.
S. auch Held. [
933-934]