Für
Für,
[
355-356] ein Bestimmungswörtchen,
welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. * Als ein Umstandswort des Ortes und
der Zeit, für fort, weg, in welcher Gestalt es ehedem im Oberdeutschen sehr
üblich war, und es zum Theil noch ist. Der regen is furi, ist fort, vorüber,
Willer. Furifaren, fortgehen, vorüber gehen, vergehen. Daher sagt man noch
jetzt im Oberdeutschen fürdauern, fürwähren u. s. f. für fortdauern,
fortwähren.
S. Fort, ingleichen Ver, welches gleichfalls aus diesem
Nebenworte entstanden ist. Hierher gehöret auch das im Hochdeutschen
gleichfalls veraltete für und für, unaufhörlich, immerfort, zu allen Zeiten.
Tewrdank der schweig für und für still, Theuerd. Kap. 81.
Seine Jahre währen für und für, Ps. 61, 7. Herr Gott, du
bist unsere Zuflucht für und für, Ps. 90, 1. Für und für bleiben, Es. 13, 20;
und in vielen andern Stellen mehr.
So wird mein Lob bleiben Und grünen für und für, Opitz. Mein
Saitenspiel soll lauten für und für, O Herr, von dir, ebend.
II. Als eine Präposition, welche alle Mahl die vierte Endung
des Hauptwortes erfordert, und nach dem nunmehr im Hochdeutschen fast
durchgängig beliebten Gebrauche in folgenden figürlichen Bedeutungen des
Vorwortes vor gebraucht wird. Es bezeichnet 1. Dasjenige Verhältniß zweyer
Dinge, da das eine anstatt des andern ist, und zwar wiederum in folgenden
Fällen. 1) Der Art nach, da ein Ding anstatt des andern ist, oder dessen Stellt
vertritt, so wohl von Personen als Sachen. Für jemanden bezahlen, gut sagen,
Bürge werden. Einen andern für sich predigen lassen. Für jemanden Rechenschaft
geben. Wir versprechen für uns und unsere Nachkommen u. s. f. Aaron redete für
Mosen vor dem Könige Pharao, 2 Mos. 4, 16. So einer für alle gestorben ist, so
sind sie alle gestorben, 2 Cor. 5, 14. Christus hat sich selbst für mich
dargegeben, Gal. 2, 20. Einen Ducaten für einen Louisd'or nehmen. Ein Wort für
das andere setzen. Ein r für ein u machen. Diese selig gepriesene Liebe hat
Schmerzen für Freunden, Verachtung für Ehre, Gram für Entzückung geboren, Mosh.
So wachsen mir Disteln für Weitzen, und Dornen für Gersten, Hiob. 31, 40. Und
wird Stank für gut Geruch seyn, und ein los Band für einen Gürtel, Es. 3, 24.
Ein- für alle Mahl, d. i. Ein Mahl so gut als alle Mahl, Ein Mahl anstatt aller
Mahle. Er sollte studieren, aber er spielete dafür. Hierher gehöret vermuthlich
auch noch folgende figürliche Art des Ausdruckes. Ich habe es für mich gethan,
aus eigenem Antriebe, aus eigener Gewalt, eigenmächtig. Er thut alles für sich,
für seinen Kopf. Für sich bestehen, ohne weitern innern Zusatz da seyn. 2) Dem
Werthe nach, im Handel und Wandel, da es dem Werthe oder dem Preise vorgesetzet
wird. Ein Gut für tausend Thaler kaufen. Ich speise wöchentlich für drey
Thaler. Für Geld schreiben. Zween (zwey) Sperlinge für Einen Pfennig kaufen,
Luth. ob er gleich in der Deutschen Bibel statt für in dieser Bedeutung
beständig um gebraucht. 3) Dem Gegenstande nach, dasjenige Ding zu bezeichnen,
zu dessen Vergeltung und Entschädigung ein anderes ist oder seyn soll. Ich habe
zehn Thaler dafür gegeben. Ich bezahle dafür acht Groschen. Geld für die
Waaren, Lohn für die Arbeit bezahlen. Ein Haus für einen Garten eintauschen. Er
verkauft keine Gefälligkeiten für große Erwartungen. Ströme von Thränen sind zu
wenig für diesen Verlust. Die Freude, welche Ältern über ihre Kinder empfinden,
belohnt sie für das mühsame Amt der Auferziehung, Gell. Ist das der Dank für
meine Mühe? Ich danke für ihre Wohlthaten. Strafe für sein Verbrechen leiden.
Für etwas büßen müssen. Was wird mir nun dafür? Eine Abgabe für die Freyheit
der Messe. Hierher gehöret auch die R. A. Ich kann nichts dafür, bin nicht
Schuld daran, habe es nicht verursachet.
Was kann ich denn für das, was selbst die Liebe thut? Gell.
4) Der vorgegebenen oder vermeinten Beschaffenheit nach, sie
mag die wahre seyn oder nicht. Können sie noch die Wahrheit für Schmeicheley
halten? Wenn wir die Tugend für etwas halten. Er will für einen großen Mann
gehalten werden. Das halte ich für ein gutes Zeichen. Ich habe es für Pflicht
gehalten, sie so bald als möglich zu sprechen. [
357-358]
Ich will es für Ernst, für Scherz aufnehmen. Er muß sichs für die größte Ehre
schätzen. Da sah ich mich für die Deinige an, als die Deinige. Sich für einen
Künstler, Arzt u. s. f. ausgeben. Gott für den Vater und Erhalter aller Dinge
erkennen. Die Thoren fahren sich für zwey Gespenster an. Er soll den Sohn der
Feindseligen für den ersten Sohn Erkennen, 5 Mos. 21, 17. Du stehest die
Schatten der Leute für Berge an, Richt. 9, 36. Ingleichen mit Nebenwörtern. Ich
halte ihn für weise, ehrlich, klug u. s. f. Etwas für wahr, für unwahr halten.
Man hält ihn des Glückes für unwürdig, weil er es nicht erkriechen will, Gell.
Ich halte es ihnen für übel, daß sie noch so mit umgehen, ebend. Ich fand es
nicht für gut, mich ihm näher zu entdecken. Und findet bald für gut, ebend.
Wenn du es für nöthig befindest, ebend. Mir hats der Fuchs für ganz gewiß
erzählt, ebend. als eine ganz gewisse Sache. Man will für gewiß behaupten, daß
u. s. f. Ich glaube für gewiß, Opitz. Ich will es für empfangen annehmen, so
als wenn ich es empfangen hätte. Der ich wil fur eigen leben, Heinr. von Sax.
S. Fürlieb und Fürwahr. Hier kann es auch oft
ausgelassen werden. Ich finde es nicht gut, zu ihm zu gehen. Man will gewiß
behaupten. Ja in manchen Fällen würde die Anwesenheit des Vorwortes das Ohr
beleidigen. Etwas übel nehmen, nicht für übel nehmen. Er hält sich dazu
vornehm, nicht für zu vornehm. Hierher gehöret, 5) Auch der Gebrauch, das
Vorwort dem unabänderlichen fragenden Pronomini was beyzufügen, wo für
gleichfalls der Beschaffenheit zur Begleitung dienet. Was für ein Mann ist das?
d. i. welches ist sein Stand? welches sind seine Eigenschaften? Was für ein
Geschrey ist das? Zu was für einem Zweck? Aus was für einem Lande ist er? Was
für elende Menschen sind wir nicht! Was für Vorwürfe werde ich hören müssen! Du
glaub est nicht, was für eine nöthige Sache das ist. Für läßt sich hier in den
meisten Fällen von dem was trennen. Sie wissen nicht, was Herrschaften für eine
Noth mit dem Gesinde haben, Gell. Was haben sie mir denn für einen Antrag zu
machen? ebend. Was ist die freche Stirn einer unkeuschen Person für ein
widriger Anblick! ebend. Was ist das für eine neue Lehre? Was hast du für
Gründe?
Nie sey von euch empfunden, Was diese schöne Welt Für Wunder
in sich hält, Weiße.
Im Oberdeutschen ist es nicht selten, das für auszulassen.
Was gelück mag doch newr haben der, Theuerd. Kap. 87.
Was Anmuth hat mir deine Red erregt! Opitz. Was Schein, was
Änderung doch würde dieses Zeit Ihm zeigen, ebend. Die Nachwelt wird noch
sagen, Was Lust er sich versagt, was Schmerzen er ertragen, Haller.
Unter was Schein und Vorwand es auch sey. Zu was Ende. Welche
Ellipse aber im Hochdeutschen, selbst in der Dichtkunst, eine schlechte Wirkung
thun würde. Die ältere Oberdeutsche Mundart zog dieses was für gern in waser
zusammen, welches auch Luther einige Mahl behalten hat. Aus waser Macht thust
du das? aus was für Macht. Siehe Waser. Die Schweden gebrauchen ihr what för
eben so, wie die Deutschen ihr was für. 2. Den unmittelbaren Gegenstand einer
Handlung oder Wirkung, obgleich wiederum auf verschiedene Art. 1) Den
Gegenstand der Richtung; freylich nur in einigen Fällen. Sorgen für die
Zukunft. Aus Liebe, aus Achtung für dich verschweige ich es. Ich thue es aus
Liebe, aus [
359-360] Freundschaft für dich. Ehrfurcht
erfüllt uns für den Redlichen, dessen Asche hier ruht, Geßn. Sie hat keine
Neigung für den Grafen. Ich zittre für dich.
Für Görgen ist mir gar nicht bange, Gell. Was ich und was mein
Herz für sie empfinden müssen, ebend.
2) Den Gegenstand der Bestimmung. Futter für das Vieh. Ein
Behältniß für Staatsgefangene. Eine Liebe unter Herzen, die sich für einander
geschaffen fühlen, Dusch. Spare deine Kräfte für die Lebendigen. Laß mich diese
Erzählung für eine bessere Stunde aufbehalten. Ein Geschenk für seine Freunde.
Für wen hat mich das Schicksal bestimmt? Bin ich nur für diese Welt geschaffen?
Daure ich fort, so bin ich unendlich glücklich, daß ich auf der Erde für die
Ewigkeit gelebt habe, Gell. 3) Den Gegenstand des Eigenthumes, des Besitzes;
nur in einigen Fällen. Er nahm davon so viel er konnte, für sich. Das behalte
ich für mich; welche R. A. aber auch figürlich bedeuten kann, das verschweige
ich. Er hat einiges Vermögen für sich. 4) Den Gegenstand eines Interesse, der
durch den Beysatz näher bestimmt wird. Das ist eine für das menschliche
Geschlecht sehr wichtige Frage. Das ist eine Lehre für dich, eine Warnung für
mich. Kann dieses noch eine Beruhigung für dich seyn? Eine unangenehme
Nachricht für unser Herz. Sie haben sie geliebt, nur zu sehr für ihre Ruhe und
Glückseligkeit geliebt. Die Unsterblichkeit läugnen ist für das Herz so
verderblich, als Gott selbst läugnen, Gell. Besonders, 5) Den Gegenstand des
Nutzens, des Vergnügens, der Sicherheit, des Vortheils, des Dienstes. Für das
Vaterland streiten. Für jemanden bethen. Für etwas sorgen. Ihr Märtyrer für die
Ehre der menschlichen Natur. Ich bin nicht für die Lustbarkeiten, nehmlich
gesinnet. Mein Herz wollte lieber alles für dich leiden. Eine Person, für
welche das Blut in mir spricht, Gell. Ich arbeite für ihr Glück, ebend. Ihn
hält die Ruhe der Nacht nicht ab, für unsers Alters Freude zu sorgen, Geßn. Ihr
Herz ist zu sehr für ihn eingenommen. Ich will alles für dich thun. Er hat
vielen Grund für dich, zu seinem Behuf, zu seinem Vortheil. Er hat den Ruf
eines vernünftigen Mannes für sich. Ich stehe für allen Schaden. Wer bürgt mir
dafür? Wer wird wohl für ihre Treue Bürge werden wollen?
So bist du Sylvia nur schön für dich allein, Gell.
Ich lebe nur für ihn. Wenn ich weiß, daß ihr Herz für mich
fühlt. Wenn wird für mich wieder eine Sonne scheinen? Weiße. Ein
rechtschaffenes Herz hat an dem Bewußtseyn seiner Wünsche starke Beweise für
die Unsterblichkeit, Gell. Oft bleibt das Vorwort weg, und alsdann vertritt die
dritte Endung dessen Stelle. Das Rind ist mir zu klein. Dem Geschäfte das er
erwählet, ganz zu leben, Gell. Nun wollen wir uns selber leben, Kleist.
Dir schmückt das fromme Mädchen sich Bey ihrem Morgenliede,
Raml. Auch mir erheben sich Opfer Von den goldnen Altären, auch mir erbebte der
Tempel, Klopst.
Hierher gehöret vermuthlich auch der reciproke Gebrauch für
sich seyn, für sich leben, für sich bleiben, allein, außer der Verbindung,
außer der Gesellschaft mit andern. Er will nicht heirathen, sondern für sich
allein leben. Wer unverträglich ist, der bleibe doch für sich. Er lebt stille
und einsam für sich. Ingleichen für sich in Gedanken reden, mit sich selbst
reden. [
359-360] 6) Den Gegenstand des Widerstandes; für
wider. Mintrost vür sende not, einer der Schwäb. Dichter. Ein Pflaster für alle
Schäden. Eine Arzeney für das Fieber. Das hilft für Hunger und Durst, für die
Kopfschmerzen. Alter hilft für Thorheit nicht. So wenig wir für diesen Kummer
noch ein Heilungsmittel haben ausfündig machen können, Weiße. Ich thue es für
die lange Weile, d. i. zur Vertreibung der langen Weile. Sollte es aber eine
wirkende Ursache bedeuten so müßte es vor langer Weile heißen, so wie man sagt,
vor Hunger sterben, vor Freude außer sich seyn, ich möchte vor großer Angst
vergehen.
S. Vor. 7) Den Gegenstand einer entferntern, oder
zufälligen Beziehung, für: in Ansehung, in Betrachtung. Er ist kein Mann für
mich, schickt sich nicht für mich, gefällt mir nicht. Der Tokayer ist nur ein
Getränk für große Herren, weil nur die ihn bezahlen können. Er hat ein feines
Gefühl für die Ehre. Dein Herz ist für die Rachgier zu hoch. Das ist für mich
zu theuer, zu schwer, zu dunkel u. s. f. Das schickt sich nicht für meinen
Stand. Das ist ein Mann für Julchen. Er hat Gesundheit für die schwerste
Seereise. Ach, gibt es für mich noch einen heitern Himmel und eine sanfte Luft?
Weiße. Ich habe keine Geheimnisse für dich. Für meine Freunde bin ich jederzeit
zu Hause. Ist das eine Aufführung für eine wohl gerathene Tochter? Berge und
Ströme sind geringe Hindernisse für die Liebe. Die Nächte, wo du deine Augen
nicht schlossest, waren auch für mich schlaflos, Dusch. Das Feuer haucht Plagen
für ihn, Kleist. Für das gegenwärtige Leben habe ich sie verloren, aber für die
Ewigkeit muß ich sie retten, Hermes.
Der Weg so kurz er war, war für die Schnecke weit, Lichtw.
Denn dein Entwurf der Liebe Ist noch zu ordentlich für die so regen Triebe,
Gell.
In der poetischen Schreibart läßt sich auch hier das Vorwort
zuweilen verschweigen, und durch die dritte Endung des Hauptwortes ersetzen.
Ihm ist die Schöpfung erstorben, Kleist. Ihm blüht auf Auen das Unglück, ebend.
3. In vielen Fällen dienet dieses Vorwort zur nähern Bestimmung des Subjectes.
Er, für seine Person, oder für sein Theil, ist kein Freund davon. Seine Bagage
ist schon abgegangen, aber er, für seine Person, (was seine Person betrifft,)
wird erst morgen abreisen. Ich, für meine Person, bin es sehr wohl zufrieden.
Für mich gesteh ich gern, daß ich es nicht begreife, Hag. An und für sich
betrachtet, d. i. ohne Beziehung auf andere Dinge. Vergnügungen, die an und für
sich erlaubt sind. Das Tanzen kann an und für sich unmöglich Sünde seyn. Die
Liebe, die für sich ein verzehrendes Feuer ist. Ingleichen zur nähern
Bestimmung. 4. Einer Zeit, doch nur in einigen bereits eingeführten Fällen. Für
jetzt, so viel die gegenwärtige Zeit betrifft. Für jetzt entschuldige mich,
Gell. Für jetzt gehöret es mir zu, ebend. Fürjetzt zusammen gezogen zu
schreiben, ist eben so widersinnig, als wenn man fürheute, fürdießmahl u. s. f.
schreiben wollte. Für dießmahl will ich es dir vergeben, richtiger für dieses
Mahl, oder für dieß Mahl.
O Muse stimme noch für dießmahl meine Lieder, Cron.
Für heute bin ich gesättiget. Aber, ich gehe für einige Zeit
auf das Land, Hermes, anstatt auf einige Zeit, ist wider den Sprachgebrauch.
Sich für beständig an einem Orte aufhalten. [
361-362] 5.
Einer Ordnung. 1) Bey Zahlwörtern. Für das erste, oder fürs erste, für das
zweyte, für das dritte u. s. f. zum ersten u. s. f. Und das sollt ihr für das
erste wissen, daß u. s. f. 2 Petr. 1, 20. Fürs erste bedeutet oft auch jetzt,
gegenwärtig. Betrachten mag ich dich fürs erste nicht, Less. Womit vorerst
nicht zu verwechseln ist, welches vorher, zuvörderst, bedeutet. 2) Bey
Hauptwörtern. Mann für Mann mustern, einen Mann nach dem andern, und zwar jeden
besonders. Eine Sache Stück für Stück durchgehen. Fuß für Fuß. Die Feinde
machen uns den Boden Fuß für Fuß, oder Schritt für Schritt streitig. Lassen sie
mich Scene für Scene lesen.
Du weißt, das Tag für Tag, dein alter Vater keift, Rost.
Viele gebrauchen hier das Vorwörtchen vor. Du murrest Tag vor
Tag, Gottsched. Frisch vertheidiget dieses vor aus dem Grunde, weil es hier
eine Bewegung vor sich hin bedeute, nicht aber den Sinn des anstatt habe.
Allein aus dem vorigen erhellet, daß für noch weit mehr Bedeutungen hat als
anstatt; und daß es hier vor sich hin bedeute, ist völlig unrichtig. Endlich 6.
Gehöret hierher auch diejenige Art des Gebrauches, wo für, nach dem Muster des
Latein. pro, in einigen Fällen, als eine Art des Schwures gebraucht wird. Ich
möchte fürn Henker wissen, wer euch dazu bestellt hat, Weiße. Besonders in der
R. A. ich höre es für mein Leben gern, d. i. überaus gern. Für mein Leben hätte
ich ihn gern kennen mögen, Weiße. Das Schwed. för wird gleichfalls in Schwüren
gebraucht. Anm. Es ist mehrmahls, selbst in den neuesten Zeiten, darüber
gestritten worden, ob für und vor wirklich unterschieden sind, und ob sie im
Gebrauche unterschieden werden müssen; aber da es auch eben so oft auf beyden
Seiten an der nöthigen Sprachkenntniß gefehlet hat, so belohnet es wohl die
Mühe, diese Sache noch Ein Mahl zu untersuchen. So fern das Wesentliche eines
Wortes in dessen Abstammung bestehet, sind für und vor nicht wesentlich
verschieden. Eines stammet von dem andern ab, so wie auch die untrennbaren
Partikeln er - ur und ver - mit zu ihrer Verwandtschaft gehören. Selbst das
Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , das Latein. pro
und prae, bey den ältesten Römern pri, wie aus privignus, pristinus, primus u.
s. f. erhellet, sind damit verwandt. Der Unterschied zwischen für und vor
rühret ursprünglich von den Mundarten her. Bey dem Ulphilas lauten beyde ohne
Unterschied faur; die mit der Gothischen Sprache verwandte Oberdeutsche
Mundart, welche die breiten Mitlauter so gern den runden vorziehet, sagte fur
und für, die Niederdeutsche aber, die ihrer Natur nach den letztern gewogen
ist, för und vor. Da aber die Mundarten durch Wanderungen, Handel und Wandel
sehr frühe mit einander, wenigstens gewisser Maßen, vermischet worden, so
geschahe es, daß dieses Vorwort, als ein unentbehrliches und sehr oft
vorkommendes Wort, in verschiedenen sehr alten Gegenden unter verschiedener
Gestalt üblich wurde. Die Römer hatten prae, pro, per und in Zusammensetzungen
auch noch pri; bey den ältesten Alemannischen Schriftstellern finden sich fora
(vor,) furi (für,) fuori und fure; bey den Angelsachsen for, fyr und fyre; bey
den Isländern firi und fyri; bey den Holländern voor und veur; bey den
Niedersachsen for und för. Nur die Schweden und Dänen haben allein för und
fore, welches bey ihnen nicht nur für und vor, sondern auch in
Zusammensetzungen unser ver vertreten muß. Es ist also dieses Vorwort wirklich
unter den beyden Gestalten vor und für (fora und furi) schon bey den ältesten
Oberdeutschen vorhanden gewesen; allein man gebrauchte sie ohne allen
[
361-362] Unterschied, so wie es einem jeden einfiel,
und in so fern hat Wachter Recht, wenn er behauptet, man treffe von dem
Unterschiede der Wörter vor und für bey den alten Schriftstellern keine Spur
an. Fora solichem tat, vor solche That, anstatt furi, für, Kero. Gibuntan furi
kuninga, ante, anstatt fora, Ottfried. Furifaren, vorüber gehen, ebend. Thara
furi, vor das, ante, anstatt fora; Furibringen, hervor bringen; Gan furi,
hervor gehen, ebend. Furineman, vornehmen; Furebringen, vorbringen; Ih kume
fure dih, vor dich, Notker. Fuori inan, vor ihm, der Übersetzer Tatians. Und so
in tausend andern Stellen mehr. Eben so wenig unterschieden die Angelsachsen
ihr for und fyr, die Holländer ihr voor und veur, und die Niedersachsen ihr for
und för; und noch jetzt weiß der große Haufe so wohl der Ober- als
Niederdeutschen von keinem Unterschiede, nur mit der Abänderung, daß jene sich
häufiger des für, diese aber mehr des för bedienen. Da aber dieses Vorwort nach
und nach sehr viele, zum Theil einander widersprechende Bedeutungen bekam, so
mußte es nothwendig allerley Zweydeutigkeiten und Dunkelheiten verursachen. Man
merkte solches gar bald, und fing daher schon früh an, die Wörter fort, er, ur,
und ver, davon abzusondern; denn alle diese Begriffe mußte das furi oder für
bey den Oberdeutschen ausdrucken, und zum Theil hat es diese Pflicht noch.
S. Fort, Für I. Nur die beyden heutigen Vorwörter für
und vor blieben lange vermischt, so groß auch die Zweydeutigkeit ist, die diese
Vermischung in manchen Fällen machen muß. Peter ging vor Hansen zum Galgen, ist
ganz etwas anders, als für Hansen; einen für sich predigen lassen, ganz etwas
anders, als vor sich, und so in tausend Fällen mehr. Man muß indessen diese
Zweydeutigkeiten nicht für so wichtig gehalten haben; denn es ist gewiß, daß
man vor Luthers Zeiten keinen Schriftsteller aufweisen kann, der beyde
Vorwörter beständig und mit Bewußtseyn unterschieden hätte. Die Oberdeutschen
gebrauchten beständig ihr für, und es geschahe nur selten, daß ihnen Ein Mahl
das mehr Niederdeutsche vor entwischte, und die Niedersachsen hütheten sich gar
sehr, sich an dem Oberdeutschen für zu vergreifen. Fast scheinet es, daß schon
Luther an einen beständigen Unterschied beyder Wörter gedacht habe; aber er
blieb sich doch nicht immer gleich. In den heutigen Ausgaben der Deutschen
Bibel werden beyde Vorwörter in vielen Stellen sehr richtig, aber in fast eben
so vielen fast gar nicht unterschieden. Z. B. Friede vor der Furcht haben, Hiob
21, 9, für Furcht, anstatt der Furcht; für Furcht wegziehen, Es. 31, 9, vor
Furcht; für Furcht schreyen, erschrecken, Matth. 14, 26, Kap. 28. 4; aus Furcht
für den Jüden, Joh. 19, 38; es ist keine Furcht Gottes für ihren Augen, Röm. 3,
18, vor ihren Augen; für das Gebeth die Ohren zustopfen, Klagel. 3, 8, vor dem
Gebethe u. s. f. Doch da ich die letzte bey seinem Leben heraus gekommene
Ausgabe jetzt nicht bey der Hand habe, so will ich nicht entscheiden, ob
solches auf seine Rechnung, oder auf die Rechnung seiner spätern Herausgeber zu
schreiben ist. Gegen das Ende des sechzehenten Jahrhundertes ward dieser
Unterschied beliebter und allgemeiner."Bey guten Authoren," sagt Joh. Rud.
Sattler in seiner Orthographey und Phraseologey von 1607 "die noch vor wenigen
Jahren im Truck außgegangen, wirdt gefunden; daß dieser Vnterscheid zwischen
dem für und vor gehalten worden: für haben sie gebraucht anstatt des
Lateinischen pro, als für einen schreiben; sodann das vor anstatt des
Lateinischen ante, als: er ist vor ihm allhier gewesen, vorgehn, vormahls" u.
s. f. Die Hochdeutschen, d. i. die Meißner, denen das vor aus ihrem gemeinen
Sprachgebrauche, das für aber aus Oberdeutschen Schriften geläufig war, haben
zu diesem Un- [
363-364] terschiede das meiste
beygetragen, der nachmahls durch die fruchtbringende Gesellschaft gewisser
Maßen zu einem Gesetze gemacht wurde. Da man zugleich darauf fiel, den
Unterschied zwischen beyden Wörtern durch das Latein. pro, prae, und ante zu
bestimmen, so verursachte solches lange Zeit viele Schwierigkeiten und
Ungewißheiten. Diese Lateinischen Vorwörter waren in Rom, selbst zu dessen
blühendsten Zeiten, eben so unbestimmt und schwankend, als vor und für im 16ten
Jahrhunderte. Man sagte pro tribunali, pro concione, pro fuggestu, pro pedibus
abjicere, pro oppido, pro vallo, pro castris legiones constituere, prae patre
suo beatus, nomen ejus prae meo citatur u. s. f. wo ein Deutscher das für
unrichtig anbringen würde. Die Regel, für da zu setzen, wo man auch anstatt
gebrauchen kann, erschöpfte die Sache auch nicht, und man ist erst nach und
nach durch eine stillschweigende Übereinkunft dahin gekommen, das für in den
oben von mir angezeigten Fällen zu gebrauchen; ein Vertrag, der nunmehr
wenigstens alle Schriftsteller von Geschmack und Kenntniß verbinden muß, wenn
gleich der große Haufe sich dadurch nicht Fesseln anlegen lassen will. Etwas
streitiger sind zum Theil noch die mit vor und für zusammen gesetzten Wörter.
Da es schwer ist, sich in den gehörigen Gränzen zu halten, wenn man Ein Mahl
angefangen hat, zu reformiren, so wollte man auch hier alle Wörter mit für
geschrieben wissen, in denen man nur einigen Schein von der Bedeutung des
anstatt sahe oder zu sehen glaubte. Man schrieb also nach dem Muster der
Oberdeutschen Fürbild, fürenthalten, Fürschrift, Fürgänger, fürhaben,
fürhalten, Fürsatz, Fürschlag, fürsehen, Fürsorge, fürwerfen, Fürwitz,
Fürsehung, u. s. f. welche die Hochdeutschen bisher beständig mit vor zusammen
gesetzet hatten. Allein, man ging hierin offenbar zu weit. In vielen dieser
Wörter hat das Vorwort unläugbar die Bedeutung des vor, wie bey jedem Worte
insbesondere an seinem Orte gezeiget werden soll. In andern, wo es wirklich die
Bedeutung des heutigen für hat, scheinet es, einige wenige Fälle ausgenommen,
doch nicht nöthig zu seyn, das vor, dem gemeinsten Gebrauche zuwider, mit für
zu vertauschen. In der Theilung der Begriffe hat vor die eigentlichen, für aber
einige seiner figürlichen Bedeutungen erhalten. Wenn nun ein zusammen gesetztes
Wort dieser Art beyde Bedeutungen hat oder haben kann, muß ich es denn deßwegen
auf zweyerley Art schreiben? Zum Beyspiele Vorsorge bedeutet eine Sorge, die
aus Klugheit zum voraus geschiehet, und da hat es ohne Widerrede vor; aber es
bedeutet auch eine Sorge für oder zum Besten eines andern Dinges. Soll ich es
um dieser figürlichen Bedeutung willen Fürsorge schreiben? Ich glaube, eben so
wenig, als es in andern Fällen erlaubt ist, die figürliche Bedeutung von der
eigentlichen durch die Schreibart zu unterscheiden; zumahl da solche
Zweydeutigkeit, welche den Unterschied des für und vor nothwendig machten, hier
nicht zu besorgen sind. Ein mehreres wird bey einem jeden hierher gehörigen
Worte selbst vorkommen. Hier will ich nur noch bemerken, daß man diejenigen
Wörter, die man nicht in Für- findet, in Vor- zu suchen habe.
[
363-364]