Dienen
, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert,
und mit der dritten Endung des Hauptwortes verbunden wird. Es bedeutet,1.
Eigentlich, überhaupt, jemanden unterwürfig, von ihm abhängig
seyn, und diese Abhängigkeit durch die That beweisen; in welcher im
Hochdeutschen veralteten Bedeutung es noch häufig in der Deutschen Bibel
vorkommt. Der Größere wird dem Kleinern dienen, 1 Mos. 25, 23.
Daß wir hinfort der Sünde nicht dienen, Röm. 6, 6. Daß sie
innen werden, was es sey, den Königreichen im Lande dienen, 2 Chron. 12,
8. Gehorcht ihnen nicht, sondern dienet dem König zu Babel, Jer. 27, 17.
Erlöse die, so den Heiden dienen müssen, 2 Macc. 1, 27.2. In engerer
Bedeutung, diese Abhängigkeit thätig erweisen; und zwar, 1) durch
gottesdienstliche Verehrung, welcher gleichfalls bloß biblische Gebrauch
noch in der theologischen Schreibart üblich ist. Laß die Leute
ziehen, daß sie dem Herren, ihrem Gott dienen, 2 Mos. 10, 7. Dienet dem
Herren mit Furcht, Ps. 2, 11. Daß sie andern Göttern dienen, 5 Mos.
7, 4. Schämen müssen sich alle, die den Bildern dienen, Ps. 97, 7. 2)
Durch niedrige körperliche Arbeiten, welche, (a) aus der Leibeigenschaft
herfließen; für fröhnen. Zu Hofe dienen, im gemeinen Leben.
Höre auf und laß uns den Egyptern dienen, 2 Mos. 14, 12. Oder, (b) um
Lohn geschehen, in welcher Bedeutung man besonders von dem Gesinde saget,
daß es diene.
S. Dienstbothe. Bey einem dienen, sich jemanden zu
solchen Arbeiten um einen gewissen Lohn verpflichtet haben. Als ein Koch, als
ein Knecht, als eine Magd dienen; im gemeinen Leben, für einen Koch u. s.
f. dienen. Ich will dir sieben Jahr um Rahel, deine jüngste Tochter,
dienen, 1 Mos. 29, 18. 20, 30. Aber einen Dienst dienen, V. 27. ist völlig
ungebräuchlich. Zu Tische dienen, bey Tische aufwarten, im gemeinen Leben,
so wohl Ober- als Niederdeutschlandes.
S. Abdienen und Aufdienen. 3) In edlerem Verstande,
eines andern Geschäfte ausrichten, eines andern Nutzen befördern, so
wohl gegen eine gewisse Vergeltung, als auch aus andern Verbindlichkeiten. So
dienet der Advocat seinem Clienten. Wer dienet ihnen in dieser Sache? Ich habe
ihm redlich gedienet. Diene einem Narren in seiner Sache nicht, Sir. 4, 31.
S. Bedienen. Besonders von Kriegsdiensten, wo dieses
Verbum so wohl von gemeinen Soldaten, als auch von den Befehlshabern gebraucht
wird. Zu Fuße dienen, zu Pferde dienen, ein Soldat zu Fuße oder zu
Pferde seyn. Er hat lange unter mir gedienet. Von unten auf dienen. Laß
dir nicht einkommen, daß du dem Staate um besonderer Vortheile willen
dienen wolltest. Wie wenig Tugend muß der besitzen, der seinem Vaterlande
um eben das Geld dienet, um welches er eben so willig verrathen würde,
Dusch. Ingleichen von Civil-Diensten. Wir dienen alle einem Herren. Er hat dem
Könige und dem Vaterlande viele Jahre neu gedienet. Der Kirche dienen, ein
kirchliches Amt verwalten. [
1483-1484] 3. Figürlich. 1)
Eines andern Vortheile, eines andern Vergnügen, auch ohne Lohn, aus
Höflichkeit, aus Gefälligkeit. Wer mir dient, dem diene ich wieder.
Durch die Liebe diene einer dem andern, Gal. 5, 13. Womit kann ich ihnen
dienen? Kann ich ihnen mit Gelde dienen? Damit ist mir nicht gedienet, das
befördert meinen Nutzen, mein Vergnügen nicht.
Mit Balgen und mit Kaufen Wird keinem was gedient, Opitz,
welche Wortfügung mit dem Zeitworte werden, und mit dem
was aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Wozu dienet dieser Unrath?
Matth. 26, 8. Das dienet, hülft oder nützet, zu nichts. 2) Das Mittel
einer Wirkung, der Erreichung einer Absicht seyn, gereichen. Das sollte zu
deinen Besten dienen. Das dienet zu seinem Ruhme. Der Berg dienet der Stadt zur
Beschützung. Dieser Umstand dienet ihm zur Vertheidigung. Das laß dir
zur Warnung dienen. Dieses Gebäude hat meinen Vorfahren zu einem Jagdhause
gedienet.
Oft dient ein wilder Muth sich selbst zum Hinderniß,
Schleg.
3) Sich schicken, im gemeinen Leben. Das dienet nicht zur
Sache. Er dient nach Hofe, schickt sich nicht an den Hof. Kluge. und Narren
dienen nicht zusammen. 4) Zur Antwort ertheilen, antworten, ingleichen
belehren, erklären, welche veraltete Formel der Höflichkeit nur noch
unter dem großen Haufen üblich ist. Da dieselben gefragt - so diene
hierauf u. s. f. Mein Herr lasse sich dienen, d. i. belehren.
Wenn jemand ferner sagt - Darauf dient wiederum u. s. f.
Opitz,
nehmlich, zur Antwort. Dahin auch die Formel, ihnen zu
dienen; ja, zu dienen u. s. f. gehöret, womit die Höflichkeit der
niedrigsten Classe fast jede Antwort zu begleiten pflegt.Anm. Im
Niedersächsischen lautet dieses Zeitwort denen, im Angels. thenian, bey
dem Ulphilas tiuna, tiona, thia, bey dem Kero deonon, bey dem Isidor dheonan,
bey dem Ottfried thionan, im Schwed. tjana, im Isländ. thiona, thiena,
thena. Die Abstammung ist noch ungewiß. Wachter hält das Wallisische
Dyn, ein Mann, für das Stammwort, welches freylich ein wenig weit
hergehohlet ist. Ihre schlägt zwey andere Ableitungen vor, entweder von
dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , arbeiten, wovon auch -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , ein Knecht, abstammet, oder das
Isländ. thia, demüthigen, bezwingen. Der erste Vorschlag wird dadurch
unterstützt, weil thena im Isländischen auch arbeiten bedeutet, und
dienen in verdienen einem ähnlichen Sinn hat, nehmlich durch Arbeit
erwerben. Ja auch das einfache dienen war ehedem für verdienen
üblich. Wie hab ich gedienet das? Rudolph von Rotenburg. In dem alten
Fragmente von Carls des Großen Feldzug wider die Saracenen kommt es in
dieser Bedeutung mehrmahls vor. So wahrscheinlich diese Ableitung auch ist, so
scheint doch die andere noch mehr für sich zu haben. Deo, deon bedeutete
ehedem niedrig, (
S. Donlege,) und figürlich demüthig, daher
kommt deolih und Deoheit bey dem Kero so oft für humilis und Humilitas
vor,
S. Demuth. Dienen bedeutete also eigentlich sich
demüthigen, sich unterwerfen, welches in den letzten Zeiten der rauhen
Einfalt nicht anders als durch persönliche körperliche Dienste, oder
durch Frohnen geschehen konnte. In Kero gebraucht theonan wirklich für
bezwingen, demüthigen, dienstbar machen, und das Isländische thia von
welcher Form dienen das Intensivum seyn kann, hat noch eben diese Bedeutung.
Merkwürdig ist auch, daß dienen im Österreichischen auch von den
Vögeln gebraucht wird, und Eyer legen bedeutete; dienen kann auch hier
eben so gut von don, niedrig, unten, abstammen, als legen vonlag, leg, niedrig.
S. Donlege. Wer indessen die Ableitung von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , arbeiten,
für glücklicher hält, der muß freylich die Bedeutungen
dieses Zeitwortes anders ordnen. [
1485-1486]