Bringen
, verb. irreg. act. Imperf. ich brachte; Mittelwort gebracht;
Imperf. bring- oder bringe. Dieses Zeitwort bedeutet überhaupt die
Bewegung eines Dinges zu einem andern, so wohl im eigentlichen als
figürlichen Verstande, verursachen.I. In der weitesten und
vermüthlich eigentlichsten Bedeutung, den Ort eines Körpers
verändern, ihn von einem Orte weg und einen andern schaffen, ohne die Art
und Weise dieser Veränderung zu bestimmen. Und zwar,1. Eigentlich, da denn
dieses Wort, um der Allgemeinheit des Begriffes willen, nur in einigen bereits
eingeführten Fällen vorkommt. Das Seinige an einen sichern Ort
bringen. Sein Vermögen in Sicherheit (an einen sichern Ort,) bringen.
Steine von einem Orte zum andern bringen. Man konnte den Stein nicht von der
Stelle bringen. Geld zusammen bringen. Er hat ein großes Vermögen mit
aus Amerika gebracht. Einen Flecken aus einem Kleide bringen. Pech ist schwer
von der Hand zu bringen. Das Unkraut von dem Acker bringen. Siehe zu, wie du
den Baum aus der Erde bringest, u. s. f. [
1195-1196] 2.
Figürlich, da es in sehr vielen uneigentlichen. Redensarten gebraucht
wird, wo es überhaupt den Begriff der Verursachung, der Hervorbringung
einer Wirkung hat. In einigen schleicht sich auch der Nebenbegriff der
Mühe, in andern aber der Nebenbegriff des Widerstandes des Körpers,
der bewegt werden soll, mit ein. Es stehet alsdann,Theils mit allerley
Nebenwörtern des Ortes. Ich konnte es nicht dahin bringen, daß er zu
uns käme. Wie weit haben sie die Sache gebracht? wie weit haben sie
dieselbe befördert? wie weit sind sie in und mit derselben gekommen? Ich
kann die Sache weiter bringen. Er hat es weit, er hat es hoch gebracht, er hat
großes Vermögens erworben, ist zu großem Ansehen gelanget. Er
hat es in der Tugend, in der Standhaftigkeit, in dem Laster sehr weit, oder
sehr hoch gebracht. Er wird es nicht weit bringen. Er wird es mit der Zeit noch
höher bringen. Er hat sein Leben sehr hoch gebracht, er ist sehr alt
geworden. Er wird sein Leben nicht hoch bringen. Seine Ausschweifungen haben
ihn sehr herunter gebracht, haben den Zustand seines Vermögens, seiner
Gesundheit, verderbet. Die zerstreuten Truppen wieder zusammen bringen. Etwas
hervor bringen, demselben die Wirklichkeit ertheilen.Theils aber auch mit
Präpositionen. 1) Mit an. Etwas an sich bringen, es erwerben, es zu seinem
Eigenthume machen, wobey die Art und Weise des Erwerbes, und dessen
Rechtmäßigkeit noch unentschieden bleibt. Er hat es an mich gebracht,
er hat mich zum Zorne gereitzet. Habe ich mich im Zorne übereilet, so
haben sie es an mich gebracht. Personen an einander bringen, sie verhetzen.
Seine Tochter an einen Mann bringen, sie verheirathen, ihr einen Mann
verschaffen. Eine Waare an den Mann bringen, ihr einen Käufer verschaffen,
sie verkaufen. Etwas an den Tag, an das Licht bringen, es entdecken, eine
unbekannte Sache bekannt machen. Himmel bringe es an den Tag, wer ein Betrieger
ist! Gell. Und han das ze Liecht pracht, heißt es schon bey dem Hornegk.
2) Mit auf. Etwas auf die Seite bringen, es heimlich fortschaffen, den Augen
anderer entziehen. Etwas auf die Bahn bringen, machen, daß davon geredet,
darüber berathschlaget werde. Truppen auf die Beine bringen, anwerben.
Etwas auf einen bringen, ihn desselben als eines Verbrechens beschuldigen. Man
konnte nichts auf ihn bringen, man konnte ihn keines Bösen
überführen. Er hat sein Leben auf neunzig Jahre gebracht, er ist
neunzig Jahre alt geworden. Ich kann es wohl noch auf eine Million bringen, ich
kann wohl noch eine Million erwerben. Den Segen, den Fluch auf oder über
ein Land bringen.
So bringt ein Bösewicht, den Erb' und Himmel scheuet, Der
Götter schweren Grimm zugleich aufs ganze Land, Schleg.
3) Mit aus. Streitende Parteyen aus einander bringen, sie von
einander entfernen, sie versöhnen. Einem etwas aus dem Kopfe bringen,
machen, daß er einen Vorsatz fahren lässet, einen Gedanken
vergißt. 4) Mit in. Etwas in Rechnung bringen, es in die Rechnung
schreiben. Etwas in Ordnung bringen. Eine Sache in Bewegung bringen. Etwas in
Vergessenheit, in Andenken, in Erinnerung bringen. Es ist nichts in ihn zu
bringen, er will nichts lernen, nichts begreifen. Etwas ins Reine (in Ordnung,)
bringen. Etwas in Erfahrung bringen, es durch seine Bemühung erfahren,
Sein Versprechen in Erfüllung bringen, es erfüllen. 5) Mit über.
Etwas über das Herz bringen, sich nach einem empfundenen Widerstande dazu
entschließen. Ich konnte es nicht über das Herz bringen, ihn zu
verlassen. Soll ich nicht schon damit zufrie-den seyn, Armuth und Verachtung
über ihn gebracht zu haben? Weiße. 6) Mit um. Jemanden um das Seinige
bringen, ihn dessen mit List oder unter dem Scheine eines Rechtes berauben.
Dein Unsinn hat mich um die Früchte aller meiner Sorgen gebracht.
Verwünscht sey der Groschen, um welchen sie mich bringt! Gell. Jemanden um
das Leben bringen.
S. Umbringen. 7) Mit unter. Etwas unter sich, oder unter
seine Gewalt bringen. Eine Nachricht unter die Leute bringen, sie bekannt
machen. Einen Verstorbenen unter die Erde bringen, ihn zur Erde bestatten.
Jemanden unter die Erde bringen, im gemeinen Leben, Ursache an dessen Tode
seyn. 8) Mit von. Einen Übelthälter von dem Leben zum Tode bringen,
ihn hinrichten. 9) Mit vor und dem Accusative. Etwas vor sich bringen,
Vermögen erwerben. Dabey bringt man nichts vor sich. Ich kann nichts vor
mich bringen.
S. Vor. 10) Mit dem Vorworte zu. Etwas zu Wege bringen,
im gemeinen Leben, machen, daß es zu Stande, zur Wirklichkeit komme. Er
bringt es zu nichts, er erwirbt nichts. Bringst du es zu etwas, erwirbst du
Vermögen, so denke an uns. Etwas zu Papiere bringen, es aufschreiben.
Etwas zum Vorscheine bringen. Ein Werk zu Stande bringen, es vollenden. Eine
Sache zu Ende bringen. Ich will die Abschrift als einen Beleg zu der Rechnung
bringen, Gell. sie der Rechnung beylegen.II. In engerer Bedeutung.1. Tragen, um
es einem andern zu überliefern, theils mit der dritten Endung der Person,
theils auch absolute.1) Eigentlich. Bringe mir mein Kleid. Bringe mir das Buch
hierher. Bringe es zu mir. Bringe es meinem Freunde. Ein Opfer bringen. Etwas
zum Opfer bringen. Wer etwas bringt, ist überall angenehm. Einem ein
Geschenk, oder etwas zum Geschenke bringen. Der Bothe bringt Briefe. Etwas zu
Markte bringen, auch in einer figürlichen Bedeutung mit Verachtung, es
vortragen. Sie hat keinen Heller zu mir gebracht, ich habe, da ich sie
heirathete, keinen Heller mit ihr bekommen.2) Figürlich. (a) Melden,
vermelden. Einem eine gute, eine böse Nachricht bringen. Einen Gruß
von jemanden bringen. Was bringen sie? Was ist ihr Begehren, ihr Verlangen?
Etwas vor einen bringen, es ihm bekannt machen, oder durch andere bekannt
werden lassen. Etwas an den Rath, an die Obrigkeit bringen. (b) Hervor bringen.
Ein Kind zur Welt bringen, gebären. Die Zeit bringt Kosen. Früchte
bringen, welche Redensart zwar biblisch, sonst aber wenig gebräuchlich
ist. Dagegen gebrauchen die Jäger dieses Wort von dem Gebären der
Lüchsinnen und kleinen Raubthiere, für werfen. Der Biber, die
Fischotter hat Junge gebracht. Schlecht bringen, heißt bey ihnen in diesem
Falle verwerfen. (c) Verursachen. Du bringst mir nichts als Schande. Diese
Handlung wird ihm viele Ehre bringen. Das kann wenig Schaden bringen. Diese
Nachricht hat ihm viel Vergnügen gebracht. Wahrheit bringt Haß,
Glück bringt Neid. Gewalt bringt dir Gefahr, Schleg.2. In einem gewissen
Falle, an oder bey sich haben. 1) Eigentlich. Das Kind hat ein Muttermahl mit
auf die Welt gebracht. Wir haben nichts mit auf die Welt gebracht. Wenn sie
schon ein Herz voll Galle mit die Gesellschaft bringen, so kann es ihnen
freylich an Verdruß nicht fehlen. Wenn man die Wahrheit erforschen will,
so muß man keine Vorurtheile mit sich bringen.2) Figürlich. (a)
Erfordern, nothwendig machen. Die Zeit bringt es so mit sich, die Umstände
der Zeit erfordern es. Wie es die Mode mit sich bringt. Mein Amt brachte es mit
sich, [
1197-1198] daß ich es thun mußte, es
erforderte es. Die Sache hat es so mit sich gebracht.
Allein, weil es ihr Alter mit sich brachte, Daß sie um
Mitternacht erwachte, Gell.
(b) Erwerben, erlangen und behalten; mit davon. Er hat den
Sieg davon gebracht. Wir müssen aus der Welt und bringen nichts davon,
können nichts mitnehmen. Schimpf und Schande, Lob und Ehre bringen.3.
Führen, leiten, begleiten, von Personen.1) Eigentlich. Einen
Missethäter in Verhaft, in das Gefängniß bringen. Wer wird mich
wieder auf den rechten Weg bringen, wenn ich mich verirre? Jemanden nach Hause
bringen, begleiten. Einen durch einen Wald bringen. Jemanden zu Bette, zur Ruhe
bringen. Bringen sie doch ihren Freund zu uns.2) Figürlich (a) Zu etwas
bewegen, besonders durch Gründe. Meine Vorstellungen brachten ihn zum
Weinen. Der Himmel hat mir eine Wohlthat erwiesen, die mich vor Erkenntlichkeit
zu Thränen bringt, Gell. Wozu bringen sie mich? Bringen sie mich nicht zur
Verzweifelung. Deine Aufrichtigkeit bringt mich zu der äußersten
Wehmuth. Ich habe ihr Blut in eine sanfte Wallung gebracht. Man kann ihn nicht
aus dem Hause bringen, man kann ihn nicht bewegen, aus dem Hause zu gehen.
Siehe doch zu, daß du hierher bringest, daß du ihn bewegest, hierher
zu kommen. Jemanden auf seine Seite bringen. Man kann nichts aus ihm bringen,
man kann ihn nicht bewegen, etwas zu gestehen. Man wird ihn schon zum
Geständnisse der Wahrheit bringen. Wie weit hast du sie durch deine
Gründe gebracht? Jemanden in Zorn, in den Harnisch bringen.
Ein Mann, mein Kind, ist leicht in Zorn zu bringen, Gell.
Jemanden zu etwas bringen, bewegen. Man kann ihn nicht zur
Arbeit bringen. Einem zum Gehorsam, zur Vernunft, zu sich selbst, zur Reue, zur
Erkenntniß bringen. (b) Veranlassen. Jemanden auf einen Gedanken bringen.
Du bringest mich jetzt einen guten Einfall. Einen auf böse Gedanken
bringen, Anlaß geben, daß böse Gedanken, d. i. ein Argwohn, in
ihm entstehe. (c) Ursache seyn, daß einer Person etwas widerfahre, eine
Person in einen gewissen Zustand versetzen. Jemanden an den Bettelstab bringen.
Einen in Ansehen, zu Ehren, zu Gnaden bringen. Jemanden auf das
Äußerste bringen, machen, daß er in die größte
Verlegenheit gerathe. Jemanden wieder zu sich selbst bringen. Jemanden in die
Rede, in andere Leute Mäuler bringen, machen, daß von ihm geredet
werde. Eine Person zu Falle bringen, im gemeinen Leben, sie entehren.Anm.
Dieses Wort lautet schon bey dem Ulphilas briggan, bey dem Kero pringan, bey
Isidors Übersetzer bibringan bey dem Ottfried bringan, bey dem Milleram
bringon, im Nieders. brengen, im Dän. bringe, im Schwed. bringa, im
Angels. bringan. im Engl. to bring. Es ist von den ältesten Zeiten an als
ein unregelmäßiges Zeitwort bekannt. Bey dem Kero lautet das Imperf.
keprahhot, bey dem Ottfried braht und brang, im Angels. brohte. Helwig und
Wachter sind beynahe die einzigen, die es gewagt haben, an die Abstammung
dieses Wortes zu denken; allein ihre Ableitung ist zugleich sehr
unglücklich gerathen, indem sie auf das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , gefallen sind. Herr
Ihre hält es für verwegen, die Quellen eines so alten Wortes
aufzusuchen. Allein man darf sich dadurch doch nicht ganz abschrecken lassen.
Das Anfangs-B ist auch hier wie in so vielen andern Wörtern, das
bloße Vorwörtchen be. Wenn man diesesabsondert, so bleibt das Wort
ringen übrig. Daß dieses ehedem wirklich für bringen gebraucht
worden, erhellet aus Herrn Schelhorns Nachricht von einem alten
Fränkischen Dichter in den krit. Beytr. Th. 1, wo es in einer S. 604 aus
demselben angeführten Stelle heißt:
Sie sprachen ringt zu unser swär;
sie sprechen, bringt uns unser Schwert. Daß auch ringen
nicht bloß luctari bedeutet habe, erhellet aus den verwandten Sprachen.
Denn im Isländ. ist rigga bewegen, im Schwed. ringa die Glocken bewegen,
und im Englischen to ring die Klingel anziehen. Wenn man nun ferner
erwäget, daß bringen einige Tempora von einem andern Zeitworte
entlehnet hat, welches rachen, raggen oder racken gelautet haben muß, so
führet uns das auf das Verbum regen, Isländ. reka, Schwed.
wräka;
S. 2. Brack, Brachvogel und Brechen. Bringen würde
also nach dieser Ableitung eigentlich bewegen, den Ort einer Sache
verändern, bedeuten, und diese Bedeutung hat es auch wirklich.
S. auch Regen, Ringen. Bey dem Pictorius bedeutet,
bering, hurtig, behende. Die Substantiva die Bringung und der Bringer sind nur
in einigen zusammen gesetzten Wörtern üblich. [
1199-1200]