Anfangen
, verb. irreg. (
S. fangen,) welches in gedoppelter Gattung üblich
ist.I. Als ein Activum, den Anfang machen, und zwar:1) Eigentlich, da es so
wohl mit der vierten Endung der Sache, als mit dem Infinitiv und dem
Wörtchen zu gebraucht wird. Eine Rede, eine Arbeit, ein Spiel anfangen.
Den Krieg anfangen. Du hast den Streit angefangen. Ein anderes Leben, eine neue
Regierung anfangen. Wieder von vornen anfangen. Er fing seine Regierung mit
Abschaffung der Mißbräuche an. Er hat schiecht angefangen, er wird
auch schlecht aufhören. Er fängt es wieder da an, wo er es gelassen
hat, er verfällt wieder auf seine vorigen Handlungen. Anfangen etwas zu
thun. Anfangen zu arbeiten, zu essen, zu spielen u. s. f.In dieser letzten
Wortfügung wird der Infinitiv, welcher den Gegenstand des Anfanges
bestimmet, oft ausgelassen. Ein Liedanfangen, zu singen. Er ist sehr böse,
wenn er anfängt, zu zürnen.
Er weiß es zum voraus, daß Thyrsis stets
gewinnt, Doch fängt er mit ihm an, Rost.
zu streiten, zu wetteifern. Am häufigsten wird der
Infinitiv zu reden, zu sagen, ausgelassen, wenn man eines andern Worte
anführet. Deine Aufführung gefällt mir gar nicht, fing sie an.
Was soll denn das werden? fing er an. Wo denken sie denn hin? fing er zu mir
an.Oft stehet zwar ein Infinitiv; aber es wird doch ein anderer ausgelassen,
und dieses geschiehet vornehmlich alsdann, wenn von der ersten Erlernung einer
Sache die Rede ist. Das Kind fängt an zu gehen, es fängt an, gehen zu
lernen, oder es lernet gehen. Er fängt an zu lesen. Er hat schon lange
angefangen zu schreiben, schreiben zu lernen. Da diese Art des Ausdruckes
zweydeutig ist, indem sie auch die Wiederhohlung einer schon bekannten und
mehrmahls geübten Handlung bezeichnen kann, so vermeidet man solche lieber
in solchen Fällen, wo die Zweydeutigkeit von Folgen seyn kann.2) In
weiterer Bedeutung, so viel als thun, verrichten, und zwar, (a) überhaupt.
Er hat Glück in allem was er anfängt. Was soll ich anfangen? Was soll
ich mit ihm anfangen? Sagen sie mir nur, was bey der Sache anzufangen ist.
Fragen sie ihr Herz, was sie mit mir anfangen wollen. Auch in den Redensarten,
Händel, Streit, Krieg mit einem anfangen, Unruhen anfangen u. s. f. wenn
die Hauptwörter ohne Artikel stehen, verschwindet der Begriff des Anfanges
fast ganz, und läßt nur den Begriff der Verursachung zurück.
Besonders, (b) gebrauchen, nützen. Es ist nichts mit ihm anzufangen, man
kann ihn zu nichts gebrauchen. Ich muß einen Schwiegersohn haben, mit dem
was anzufangen ist, Schleg. (c) Die rechten Mittel zur Erreichung einer Absicht
wählen. Wie werden wir es aber anfangen, daß er zu mir kommt? Nichts
ist leichter zu erlangen, als die Glückseligkeit, wenn wir es nur recht
anfangen, derselben theilhaftig zu werden. (b) Zur Absicht haben; mit auf. Es
war auf mein Verderben angefangen. Es war darauf angefangen, ihn zu Grunde zu
richten.
Nur weich darauf zu sitzen,Zu sorgen, nicht zu prangen, Darauf
ists angefangen, Logau.
II. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben
erfordert, seinen Anfang nehmen; mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu.
Die Bäume fangen an zu blühen. Die Thränen fingen schon an, ihm
in die Augen zu treten. Die Kälte fängt an nachzulassen. Es
fängt an warm zu werden. Dieser Gebrauch des Verbi anfangen, hat seine
Grenzen, die man nicht überschreiten darf. Z. B. Er fängt schon an,
einen Bart zu bekommen, würde ein harter Gallicismus seyn.Auch ist es
wider den guten Sprachgebrauch, den Infinitiv in die bestimmte Art zu
verwandeln, und durch das Bindewort und mit dem Zeitworte anfangen zu
verbinden. Es fängt an und wird kalt. Der Mensch fängt an und wird
stolz. Dergleichen Wortfügungen werden billig dem großen Haufen
überlassen, bey dem sie entstanden sind.Wohl aber ist es erlaubt, das
Neutrum anfangen reciproce auszudrucken, wenn der Zusammenhang den Infinitiv
nicht verstattet. Das Spiel hat sich erst angefangen. Hier fängt sich das
erste Kapitel an. Meine Rede soll sich davon, oder damit anfangen. Wie fing
sich der Streit an? Hier fangen sich die Grenzen an. Das Gebirge fängt
sich bey dem Meere an.Wenn dieses Neutrum unpersönlichen Verbis zugesellet
wird, so pflegen auch gute Schriftsteller die letztern in den Infinitiv zu
setzen, [
289-290] anfangen aber nur unpersönlich
auszudrucken. Mich fängt schon an zu hungern, zu dursten, zu frieren, zu
schwitzen u. s. f. Fast fängt mich meine Neugier an zu reuen,
Weiße.Anm. 1. Nichts ist, selbst bey guten Schriftstellern,
gewöhnlicher, als daß der Präposition an, wenn sie von ihrem
Verbo getrennet werden muß, eine falsche Stelle angewiesen wird. Ich fing
zu singen an, Gleim, ich fing an zu singen. Zeus fing vor langer Weile zu
donnern an, Wiel. besser, fing vor langer Weile an zu donnern. Ich fing mich an
zu schämen, ich fing an, mich zu schämen, Gell. Dergleichen Fehler
werden durch kein Ansehen zu Schönheiten. Wenn aber Dichter die
Präposition auch in dem Infinitive von dem Zeitworte trennen, so
lässet sich solches allenfalls mit dem unbiegsamen Sylbenmaße dieses
Verbi entschuldigen; z. B.
Soll ich vielleicht schon an zu lachen fangen?
Gell. Bestürmt von Lieb' und Zärtlichkeit, Wollt' ich schon an zu reden
fangen, ebend.
Anm. 2. Die heutige Bedeutung dieses Verbi ist sehr
figürlich. Eigentlich müßte es bedeuten, den Anfang machen mit
fangen. Kero und andere alte Alemannische Schriftsteller gebrauchen das
einfache fiangan in der heutigen Bedeutung des Anfangens. Dieß könnte
vermuthen lassen, daß fangen in dieser Zusammensetzung ein ganz anderes
Verbum sey, als fangen, capere. Allein man wird eines andern
überführet, wenn man bedenket, daß anfangen eine bloß
buchstäbliche Übersetzung des Lateinischen incipere ist, welches
gleichfalls aus capere zusammen gesetzet ist. Durch dergleichen
buchstäbliche und oft ungeschickte Übersetzungen haben wir mehrere
Wörter bekommen. Daß anfangen so wohl in dem Alemannischen als
Sächsischen Rechte ehedem auch so viel als vindiciren, sich ein
entwendetes Gut wieder anmaßen, bedeutet habe, kann man aus dem Haltaus h.
v. und aus C. V. Grupens Deutschen Alterthümern, S. 102 f.
lernen. [
291-292]