Wenig
, [
1487-1488] Compar. weniger, Superl.
wenigste, ein allgemeines Zahlwort, welches überhaupt eine kleine, aber
unbestimmte Zahl und Quantität bedeutet, und in so fern dem viel, mehr und
meist entgegen gesetzet ist. Es wird auf gedoppelte Art gebraucht. I. Als ein
eigentliches Zahlwort. 1. Eigentlich, eine kleine unbestimmte Zahl und Menge zu
bezeichnen. So wohl collective, und nur allein im Singular. Wenig Geld haben.
Trinke ein wenig Wein, ehedem mit dem Genitive, ein wenig Weins. Ich habe wenig
Nutzen davon. Es bleibt mir wenig Zeit übrig. Ich sehe noch wenig Anstalt dazu.
Als auch distributive, da es denn der Natur der Sache nach nur im Plural
gebraucht werden kann. In wenig Tagen, in wenig Wochen, in wenig Jahren. Wenig
Worte von etwas machen. Hier ist der Genitiv üblicher, doch nur, das
ausgelassene von oder unter zu vertreten. Wenige derselben, d. i. von ihnen. Es
kamen ihrer nur wenige; es waren unser wenige. Wenige unsers Standes, von
unserm Stande. Es sind ihrer zu wenig. So auch im Comparative und Superlative.
Weniger Geld und mehr Gelehrsamkeit. Der wenigste Theil, wofür doch der
kleinste, der geringste Theil üblicher sind. Das ist meine wenigste (geringste)
Sorge. Da alle Zahlwörter so wohl in der Biegung, als in ihrem Gebrauche, so
viel Abweichendes haben, indem sie in der Mitte zwischen den biegsamen und
unbiegsamen Bestimmungswörtern stehen, und daher bald diesen, bald jenen
gleichen; so gilt solches auch von diesem Worte. Wenn es ein Substantivum nach
sich hat, und kein Pronomen oder bestimmter Artikel vorher gehet, so ist es
völlig unbiegsam. Wenig Verdienste haben. Wenig Fleiß anwenden. An wenig Orten.
Denn wenn man gleich zuweilen höret, mit wenigen Worten, in wenigen Tagen, so
ist dieß doch bey weiten nicht die üblichste Form. Gehet aber ein biegsames
Bestimmungswort, besonders ein Pronomen und der bestimmte Artikel vorher, so
muß auch wenig die Biegung annehmen. Die wenigen Verdienste, welche er etwa
hat. Seiner wenigen Verdienste wegen. Des wenigen Guten wegen. Der wenige
Vorrath. Welches auch gilt, theils, wenn wenig in der dritten Declination der
Adjective gebraucht wird, welcher Fall doch seltener ist. Weniger Menschen Wohl
befördern. Weniges Geld ist dazu hinlänglich. Theils, wenn es ohne Substantiv
stehet, sich aber doch auf eines beziehet; in beyden Fällen, weil doch der
Casus an Einem Worte bezeichnet werden muß. Mit wenigem zufrieden seyn. Wenn
der Artikel der Einheit vorher gehet, so bleiben beyde unverändert. Ein wenig
Wein, mit ein wenig Wein vermischt. Butter auf ein wenig Brot gestrichen. Eben
dieses gilt von der Declination des Comparatives. Mit weniger Fleiß als Glück.
Die zusammen gesetzten Maschinen entstehen aus der Verbindung mehrerer oder
wenigerer einfacher Maschinen, weit hier die dritte Declination der Adjectiven
Statt findet wo die Biegung, um der Bezeichnung der Casus Willen, nothwendig
ist. Wollte man sagen, aus der Verbindung mehr oder weniger einfacher
Maschinen, so würden mehr und weniger hier das folgende Adverbium seyn, und
zunächst das einfach bestimmen. Ingleichen absolute und als ein Adverbium, da
es denn völlig unbiegsam bleibt. Es ist wenig daran gelegen. So wenig als
nichts. Wenig haben, wenig geben, wenig essen, wenig trinken. Er hat weniger
als ich. Weniger konnte ich ihm nicht geben. Sieben Mahl weniger. Es ist um die
Hälfte weniger. Ein Auge weniger haben, als andere. In weniger als drey Tagen.
Dasjenige, um wie viel etwas weniger ist, wird hinter dem Adverbio weniger
gesetzt. Drey Thaler weniger vier Groschen. Ein Schock weniger sechs. Drey
Eimer weniger drey Viertel. Auch als ein Substantivum. Das Wenige, was ich
habe. Sein Weniges mit beytragen. Ein Weniges. In Wenigem getreu seyn. Sich mit
Wenigem begnügen. 2. Figürlich. (a) Von dem Grade der innern Stärke, für
geringe, nur allein im Singular. So wohl mit dem Substantive, wo von der
Declination wieder das vorige gilt. Wenig Geduld haben. Wenig Sorge tragen. Er
kann ein wenig Latein. Wenig Andacht spüren lassen. Als auch absolute, und als
ein Adverbium. So wohl vor Verbis. Einer Sache wenig kundig seyn, ingleichen
wenig erfahren seyn. Wenn er sich nur ein wenig bewegt. Der Sache zu wenig
thun. Das hat ihn ein wenig verdrossen. Tretet ein wenig auf die Seite! Diese
Abnahme heißt wenig, ist von keiner Erheblichkeit. Ich habe wenig darauf
geachtet. Wie wenig müssen sie mich kennen! Ich erschrak nicht wenig, d. i.
sehr. Wie gut wäre es für mich, wenn ich sie weniger liebte! Gell. Als auch vor
Substantiven. Ich bin zu wenig Kennerinn, als daß ich sagen könnte, ob seine
Stimme Alt oder Tenor ist. Noch häufiger vor andern Adverbiis, besonders mit
ein. Ein wenig reich, groß, bitter, süß u. s. f. ein wenig zu viel, zu groß, zu
klein, zu sauer. Wenig reich, wenig gelehrt, u. s. f. für nicht sehr ist nicht
so üblich. Ich weiß wenig willkommen guter Rath gemeiniglich ist. Mit dem
Comparativ, er ist weniger reich als du, für nicht so, ist ursprünglich ein
Gallicismus. Zwar hatte er ein Rittergut, darum war er aber nicht weniger
bürgerlich in den Augen des Adels. Noch üblicher ist derselbe besonders in der
edlern Schreibart vor Substantiven. Bin ich weniger ein
[
1489-1490] Mensch, als du? d. i. bin ich nicht so gut,
nicht eben so wohl ein Mensch. als du? (b) Von dem Grade des Werthes, für
geringe; eine veraltete, und nur noch im gemeinen Leben und der vertraulichen
Sprechart übliche Bedeutung. Meine wenige Person. Ich bin zu wenig dazu, zu
geringe. II. Als eine Partikel allein, besonders als eine Conjugation, auf
welche Art es in allen drey Gradibus gebraucht wird. 1. Im Positivo. (1) So
wenig., oder eben so wenig - als, eine Art vergleichender Conjunction. Ich
verlange den Reichthum eben so wenig, als die Armuth, Gell. (2) So wenig - daß,
im Vordersatze mancher adverbischen Sätze. Er ist so wenig geitzig, daß er
vielmehr u. s. f. Freylich nicht die beste Art der Verbindung. (3) Es fehlte
wenig, daß er den Hals gebrochen hätte, oder, so hätte er den Hals gebrochen.
Eigentlich eine ausländische Form, welche sich durch bey nahe klärer und kürzer
geben läßt: bey nahe hätte er den Hals gebrochen. 2. Im Comparativ. (1) Als
eine verbindende Partikel, mit nicht, wo es besonders um der Mannigfaltigkeit
Willen, wenn mehrere Begriffe und Sätze ganz einfach verbunden werden sollen:
so wohl - als auch - nicht weniger - wie auch, gebraucht wird. Im Oberdeutschen
setzt man das nicht hinten, weniger nicht. (2) Als eine Conjunctiv
proportionalis. Je weniger - desto, nicht um so. Je weniger ich ihn leiden
kann, desto mehr schmeichelt er mir. (3) Eine Art der abnehmenden Steigerung zu
bezeichnen. Ich konnte kaum den Ofen, und also noch viel weniger die Winkel
hinter demselben, sehen. (4) Nichts desto weniger, eine concessive Partikel. 3.
Im Superlativo, wo zum wenigsten oder aufs wenigste, als nachlassende Partikeln
gebraucht werden. Wollen sie mir nicht alles geben, so werden sie mir doch zum
wenigsten die Hälfte geben, so werden sie mir doch nicht weniger als die Hälfte
geben können.
S. auch Wenigstens. Anm. Dieses Wort lautet schon im
Kero, Ottfried u. s. f. weneck, weneg, allein es bedeutet daselbst in den
meisten Fällen entweder klein, oder arm und elend. Wir wenegon weison, wir
armen Waisen, Ottfr. In der heutigen Bedeutung sind bey ihnen lutzel und fohe
üblicher. Von dem 13ten Jahrhunderte an kommt es indessen in der heutigen
Bedeutung schon vor. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe ig von dem alten
wahn gebildet, welches ehedem überhaupt Mangel und mangelnd bedeutete.
S. Wahn. [
1489-1490]