Trüben
, [
703-704] verb. reg. act. trübe machen.
1. Eigentlich, von flüssigen Dingen, durch Auftreibung oder Aufrührung
fremdartiger Theile ihre Durchsichtigkeit unterbrechen. Das Wasser trüben,
Ezech. 32, 2. Im gemeinen Leben sagt man im figürlich Verstande, er hat kein
Wasser betrübt, für getrübt. Am häufigsten ist dieses einfache Zeitwort noch in
der dichterischen Schreibart, indem im gesellschaftlichen Umgange trübe machen
gewöhnlicher ist.
Wenn die getrübte Fluth bis an die Wolken klimmt, Opitz. Daß
keiner Dir trübe deinen Fluß, eben ders. Wenn Boreas die Lüfte trübt, Uz.
Einsam im Zimmer, zufrieden mit sich, durchlebte sie Tage, Nicht vom Neide
getrübt, Zachar.
In weiterer Bedeutung auch von der Oberfläche glänzender
Körper, wenn ihr Glanz durch fremdartige Dinge unterbrochen wird.
So hätt' ich nicht Thränen gesehn, durch die mächtige Liebe
Dein blaues siegendes Auge getrübt, Zachar.
2. Figürlich. 1) Durch Verursachung eines Grames die
Heiterkeit der Gesichtszüge unterbrechen, auch nur in der dichterischen
Schreibart. Sie trübte keine Klage. 2) * Betrübt, traurig machen, eine
veraltete Bedeutung, in welcher jetzt betrüben gewöhnlicher ist, (
S. dasselbe.) So auch das Trüben. Anm. In der ersten
Bedeutung auch im Nieders. dröven. Es scheinet, daß es in dieser Bedeutung
zunächst von treiben abstammet, und eigentlich das Auftreiben fremdartiger
Theile in einem flüssigen Körper bezeichnet, indem dieses Zeitwort ehedem einen
stärkern Begriff der heftigen Bewegung bey sich hatte. Bey dem Kero ist
truabpen, und bey dem Notker getruoben, in Unruhe, Unordnung, Verwirrung
bringen, turbare, hier nichtlateinischer Text, siehe Image,
welches mit versetztem r gleichfalls hierher gehöret, und nur turba, Haufe,
Menge, eben so verwandt ist, als treiben und trüben mit Trupp, und Trab in
Nachtrab, Vortrab. In den Monseeischen Glossen ist Gitruopido, die Fluth,
Welle, eigentlich das aufgetriebene Meer. So schön auch die Figur der Betrübniß
von der trüben Beschaffenheit durchsichtiger Körper ist, so ist sie doch für
die rohen Zeiten, in welchen die Sprache gebildet und gemodelt wurde, zu fein
und schön, und die Wahrscheinlichkeit derselben verliert sich ganz, wenn man
diesem Worte in seinem Alterthume nachspüret. Man findet daselbst zwey hierher
gehörige Zeitwörter; das vorige Activum truoben, druaban, trüben, turbare,
welches, so wie treiben, auch plagen, Schmerz und Unruhe des Gemüthes
verursachen, bedeutet, bey dem Ulphilas draiban, im Angels. drefan, Lat.
turbare, und welches unser trüben in betrüben ist; und das Neutrum thruuen,
getrieben oder geplagt werden, leiden, Angels. throvian, wovon unser Intensivum
trauern. Man muß also die Bedeutungen vielmehr so ordnen: Traben, Treffen,
Treiben sind Ausdrücke ähnlicher Laute heftiger Bewegungen verschiedener Art.
Treiben, durch äußere Gewalt in eine heftige Bewegung versetzen. 1. Dadurch
verwirren, turbare, eine veraltete Bedeutung. 2. Dadurch undurchsichtig machen;
daher unser Trübe und trüben. 3. Dadurch plagen, Gram verursachen; daher
betrübt, betrüben, und das Neutrum trauern, Gram empfinden, leiden. Hieraus
erhellet zugleich, daß auch die scheinbare Ableitung nicht alle Mahl die wahre
ist, und wie behutsam man in einer jeden Sprache seyn müsse, nicht jeder auch
noch so auffallenden Ähnlichkeit ohne weitere Untersuchung zu trauen;
wenigstens muß man die rohen Zeiten, in welchen die Sprache gebildet wurde,
nicht dabey aus den Augen setzen. Der Begriff der Betrübniß würde für unsere
Zeiten eine vortreffliche Figur von der trüben Beschaffenheit durchsichtiger
Körper seyn; aber für das Knabenalter der menschlichen Gesellschaften, wo
Nerven, Empfindungen und Sprachwerkzeuge eben so roh waren, als der Boden und
die Lebensart, ist sie zu fein und zu künstlich.
S. auch Trauern. [
703-704]