Treten
, [
669-670] verb. irreg. ich trete, du
trittß, er tritt, wir treten u. s. f. Imperf. ich trat; Mittelw. getreten;
Imper. tritt. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem
Hülfsworte seyn. 1. Eigentlich, in der Bewegung des Fußes mit dessen untern
Fläche berühren, wo es auf verschiedene Art gebraucht wird. Absolute und als
ein Neutrum, von der Art und Weise des Ganges. Leise treten, sanft treten, im
Gehen leise oder sanft auftreten. Der Ort oder das Ding, welche man auf solche
Art berühret, wird hier mit einem Vorworte ausgedruckt. Im Gehen derb auf den
Boden treten. Auf etwas treten. In den Koth, in das Wasser, in die Pfütze
treten. In jemandes Fußstapfen treten, auch figürlich seinem Beyspiele folgen,
ihm nachahmen. Auf ein Bret, auf den Stein treten. Oft beziehet sich die
Präposition auf den Fuß, oder dessen Theile. Auf die Füße treten, d. i.
aufstehen, von einem Sitzenden oder Liegenden. Ich trat auf meine Füße, Ezech.
2, 2. Auf die Zehen treten. 2. In weiterer und figürlichen Bedeutung. 1) Für
Gehen, doch nur, wenn eine Veränderung des Ortes vermittelst Eines oder weniger
Tritte oder Schritte bezeichnet werden soll. An das Fenster, auf die Seite, vor
den Tisch, zum Altar treten. Zu jemanden treten. Einem unter die Augen treten,
sich ihm nahen. Bey Seite treten. Von ferne treten. Ans Land treten, steigen.
Herein treten, in das Zimmer treten, in die Thür treten. Hervor treten.
Zusammen treten, auch figürlich, sich verbinden, vereinigen. Daher die
figürlichen R. A. Jemandes Ehre zu nahe treten, seine Ehre kränken, beleidigen.
Der Wahrheit, der schuldige Achtung zu nahe treten. Auf jemandes Seite treten,
seine Partie nehmen, ihn vertheidigen, es mit ihm halten. Ins Mittel treten,
zwey streitige Personen zu vereinigen suchen. An jemandes Stelle treten.
Ängstliche Träume traten an die Stelle froher Gedanken. 2) In weiterer
Bedeutung auch von leblosen Dingen, wenn sie ohne äußere sichtbare bewegende
Kraft den Ort verändern. Im Frühling, wenn der Saft in die Bäume tritt. Das
Wasser tritt in die Röhre, der Wein tritt in den Arm des Hebers. Wenn die Sonne
in den Stier tritt. Die Geschwulst trat immer weiter, Gell. Die Thränen traten
ihm in die Augen. 3) Figürlich, sich in einen Zustand begeben, zuweilen auch in
einen Zustand gerathen; doch nur in einigen Fällen. In ein Amt treten, ein Amt
antreten. Bey jemanden in Dienste treten. In jemandes Dienst treten. In einen
Orden, in den Ehestand treten. In das funfzigste Jahr seines Alters treten. Zu
einer Religion treten. Der Hirsch tritt in die Brunft, wenn er anfängt zu
brunften. II. Als ein Activum mit der vierten Endung. Sich einen Dorn, einen
Nagel in den Fuß treten, im Gehen oder Treten in den Fuß stoßen. Etwas entzwey,
in Stücke treten. Die Schuhe schief treten. Etwas in den Koth treten. Jemanden
mit Füßen treten. Etwas unter die Füße treten, auch figürlich, es verächtlich
behandeln und hintan setzen. Die Gesetze der Ordnung unter die Füße treten.
Jemanden treten, ihn mit der Fußsohle stoßen oder drücken. Ihn auf den Fuß
treten. Einen Wurm treten. Auch das friedlichste Würmchen beißt, wenn man es
treten will. Besonders durch Treten bearbeiten oder eine Art der Zurichtung
geben. Die Töpfer treten den Thon, die Gärber die Felle. Die Weintrauben oder
den Wein treten, im Oberdeutschen auch trotte, den Saft mit den Füßen
ausquetschen, eine Art des Kelterns. Die Bälge der Orgel, oder die Orgel
treten, die Blasebälge durch Treten in Bewegung setzen. Das Pflaster treten,
figürlich, müßig auf der Gasse herum gehen, (
S. Pflastertreter.) In der dichterischen Schreibart wird
dieses Activum zuweilen für betreten gebraucht.
Der Staub, den ich jetzt trete, der Staub war ihr Geheim,
Dusch.
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Bezeichne seinem Schüler den blumenreichen Pfad Zum Heiligthum
der Wahrheit, den er getreten hat, eben ders. Als er den Boden trat, Ließ er
Violen und Hyacinthen im Fußtritt zurücke, Raml.
Figürlich gebraucht man dieses Activum sehr häufig von dem
männlichen Geschlechte der Vögel und alles Federviehes für befruchten. Der Hahn
tritt die Henne, der Täuber die Taube. Im mittlern Lat. kommt calcare
gleichfalls für coire vor. So auch das Treten.
S. auch Tritt, ingleichen die Zusammensetzungen
Abtreten, Antreten, Auftreten, Austreten, Betreten, Beytreten, Eintreten,
Nachtreten, Vertreten, Übertreten, Zutreten, Zertreten u. s. f. Anm. Schon bey
dem Ulphilas trudan, bey dem Ottfried dretan und (intensive) drettan, bey dem
Notker (intensive) tretten, im Imperf. trettoto, in Oberschwaben noch jetzt
dretten, im Österreich. tretten, (wovon tritt und trittst herstammen,) am Rhein
trotten, in Nieders. treden, zusammen gezogen treen, im Fries. tridden, im
Angels. tredan, im Engl. to tread, im Isländ. troda, im Schwed. träda, gehen,
schreiten, und trada, treten calcare, im Lat. tero, tritum. Daher ist im
Wallisischen Trout und Trud, und im Isländ. Troith, der Fuß. Treten ist eine
Nachahmung des Lautes, welcher durch das Niedersetzen des Fußes verursacht
wird, und dem Laute des Stampfens und Stoßens ähnlich ist, daher treten ehedem
auch stoßen bedeutete, trudere, welche Bedeutung das Niederdeutschen treiten
noch hat. Der dem andern sin vihe trett mit sinem wagen, quetschet oder stößet,
in dem Augsburgischen Stadtbuche aus dem 13ten Jahrhunderte. (
S. auch Reiten in Reittenne und streiten in Bestreiten.)
Die Niedersachsen haben von treten das Iterativum tredden, oft und lange
treten, Oberd, tretten. Eben daselbst bedeutete treden ehedem auch betreffen,
angehen, wo es für treffen stehet, von welchem es, so wie von traben, (im Lat.
hat das Perf. von tero, trivi, und das Sup. tritum,) ingleichen von trappen,
Treppe u. s. f. nur im Endlaute verschieden ist.
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