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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

Der Teyanker | | Das Thal

Th

, [561-562] der Figur nach ein zusammengesetzter Buchstab, welcher indessen doch nur einen einfachen Laut bezeichnet, einen Laut, welcher dem t gleicht, nur daß er der Regel nach gelinder seyn, und das Mittel zwischen dem weichern d und härtern t halten sollte; Theil, Theer, Thau, Muth, Werth. In den neuern Zeiten hat dieser Buchstab von solchen, welche sich zu Sprechverbesserern aufwarfen, und die Verbesserung der Sprache immer mit der Rechtschreibung anfingen, weil da das Bessern am leichtesten und bequemsten ist, viele Gegner bekommen. Die schwächsten darunter verkannten seinen wahren Werth und seine Bestimmung, und glaubten, daß das h bloß zur Bezeichnung eines gedehntes Selbstlautes da sey, und aus Unkunde in den vorigen Zeiten von seiner rechten Stelle versetzt und dem t anhängt worden. Unter der Zahl dieser befand sich auch Mosheim, dessen anderweitige Gelehrsamkeit und Verdienste viele auf seine Seite zogen, welche glaubten, ein gelehrter Mann müsse gerade in allen Wissenschaften und Theilen derselben gleich gelehrt seyn. Beyder irrigen Voraussetzungen zu Folge schrieben Mosheim und seine Nachfolger Noht, rahten, Wehrt, Teihl, tuhn, Tiehr, Tuhrm, teuher u. s. f. und glaubten, sich ein großes Verdienst erworben zu haben, daß sie das h ihren Gedanken nach wieder an seine rechte Stelle gebracht hatten. Allein, es war sehr leicht ihnen zu zeigen, daß das h, wenn es dem t zugesellet wird, kein Zeichen eines gedehnten Selbstlautes, sondern vielmehr eines gelindern Lautes des t sey, und dieses geschahe besonders von Gottsched in den krit. Beytr. Th. 5 S. 571 und in seiner Sprachkunst, oder gleich keinen andern Grund anzugeben wußte, als weil die Niederdeutschen in den Fällen, wo wir ein th schreiben, ein d gebrauchen; welches aber viel zu viel beweiset, indem auch das härteste t der Hoch- und Oberdeutschen in eben so vielen Fällen im Niederdeutschen ein d ist. Mit Mosheim sind die Feinde dieses Buchstabens nicht abgestorben, sondern es haben sich auch noch in den neuesten Zeiten verschiedene so genannte Sprachverbesserer gefunden, welche das h verbannet wissen wollten, weil sie keinen begreiflichen Nutzen von demselben einsahen. Die Griechen hatten eine eigene Figur, den Mittellaut zwischen dem hier nichtlateinischer Text, siehe Image und hier nichtlateinischer Text, siehe Image anzudeuten, nähmlich das hier nichtlateinischer Text, siehe Image oder hier nichtlateinischer Text, siehe Image, welches aber mit einigen Zischen ausgesprochen wurde. Die Lateiner, welchen es an einer eigenen Figur fehlte, wählten dafür das th, welches sie besonders in solchen Wörtern gebrauchten, welche unmittelbar aus dem Griechischen herstammeten und daselbst ein hier nichtlateinischer Text, siehe Image hatten. Die ältesten nordischen Völker hatten den Laut des th gleichfalls und ihre Runen hatten dafür ein eigenes Zeichen, das hier nichtlateinischer Text, siehe Image, welches aber erweislich aus dem Griechischen hier nichtlateinischer Text, siehe Image entlehnet ist. Auch in der Sprache der Angelsachsen befand sich ein Mittellaut zwischen dem d und t, welcher noch dazu wie das Griechische hier nichtlateinischer Text, siehe Image mit einem gelinden Zischen ausgesprochen wurde, und ihr Alphabet hatte das hier nichtlateinischer Text, siehe Image denselben zu bezeichnen, wofür ihre Nachkommen, die heutigen Engländer, als sie das Angelsächsische Alphabet mit dem Lateinischen vertauschten, das Lat. th annahmen, welches sie noch jetzt mit einem gelinden Zischen aussprechen. Die alten eigentlichen Deutschen hatten kein eigenes Alphabet, sondern nahmen mit Einführung des Christenthums das Lateinische an. Es ist unbekannt, ob in einer ihrer alten Mundarten ein hier nichtlateinischer Text, siehe Image gewesen, welches wie das Englische th mit einem Zischer ausgesprochen worden. Aber es scheinet doch, das sie den dreyfachen Unterschied des t sehr lebhaft gefühlt, daher sie allerley Versuche machten, den mittlern Laut durch Buchstaben auszudrucken. Der unbekannte Übersetzer eines Stückes des Isidor, welcher für den ältesten Schriftsteller gehalten wird, schreibt erdha, dhuo, (da,) dhanne, uuardh, dher, dhiz, dhurah u. s. f. Indessen hängt er nicht einem jeden d das h an, sondern er schreibt auch mittungardes, garuuida, abgrunidiu, herduom u. s. f. Das th kommt bey ihm seltener vor, doch schreibt er anthlatte, Antlitz, anthlühhan, eröffnen. Sein nächster Nachfolger Kero hat weder dh noch th sondern schreibt Teil, -tum, tuan, thun, tat, That u. s. f. Allein Ottfried, welcher über seine Sprache mehr nachgedacht zu haben scheinet, macht einen bestimmten Gebrauch von dem th, welcher doch von dem heutigen sehr abweicht, indem er das Hochdeutsche d häufig dadurch ausdruckt; thu, du thaz, daß und das, thiu, die, thanne, dann, u. s. f. Es würde unnöthig seyn, diesem Buchstaben in den folgenden Jahrhunderten zu folgen, indem doch nichts weiter daraus erhellen würde, als daß man denselben zu allen Zeiten für nothwendig gehalten, daß man aber in dessen Anwendung sehr unbestimmt und ungewiß gewesen, entweder, weil der Unterschied in der Aussprache schon unmerklich oder schwankend geworden; oder weil jeder Schriftsteller der Mundart folgte, in welcher er schrieb, welches bey allen Schriftstellern des mittlern Zeitalters der Fall ist. So viel ist gewiß, daß in unserm heutigen Hoch- und Oberdeutschen die alte wahre Aussprache des th verloren gegangen, und daß wir heut zu Tage keinen Mittellaut zwischen dem d und t mehr haben. Theil lautet nicht anders als Teil, Thau nicht anders als Tau, Ruthe nicht anders als Rute, u. s. f. Ein Mittellaut zwischen den d und t bloß in der Härte oder Weiche ist vielleicht ein bloßes Hirngespinst, eine Grille; das gezischte hier nichtlateinischer Text, siehe Image und th aber, der Griechen und heutigen Engländer haben wir in unserer heutigen Sprache nicht; ob es gleich sehr wahrscheinlich ist, daß die Angelsachsen und übrigen verwandten Germanischen Völker es gehabt. Indessen stehet es noch dahin, ob unser th nicht ursprünglich ein Überbleibsel rauher Oberdeutscher Mundarten ist, welche das t mit einem anklebenden Hauche aus der Gurgel aussprachen und zum Theil noch jetzt aussprechen, welche Aussprache denn die ältesten Oberdeutschen Schriftsteller, welche sichs zur Pflicht hielten, ihre rauhe Mundart nach allen ihren Schattierungen zu schreiben, durch Buchstaben so gut auszudrucken gesucht, als ihnen möglich war. Das h war dazu am geschicktesten, weil es in der Schrift der alten Oberdeutschen Schriftsteller die Stelle des ch vertrat. Als sich in der Folge die Sprache verfeinerte, oder vielmehr, als feinere Mundarten in den Schriften die Oberhand bekamen, behielt man [563-564] das th vermuthlich bloß darum bey, weil man es bey seinen Vorgängern fand, ob man es gleich in der Aussprache nicht von dem t unterschied. Sollten wir aber um deßwillen das th aus unserer Schrift verbannen, weil es in der Aussprache nicht gegründet ist, und auch sonst keinen erweislichen Nutzen hat? Ich glaube nicht. So unbestimmt und schwankend auch dessen Gebrauch in den vorigen Zeiten war, so ist derselbe doch seit ungefähr Einem Jahrhunderte durch die stillschweigende Vereinigung der ganzen Nation hinlänglich bestimmt und gewisser Maßen zu einem orthographischen National-Gesetze geworden. Ganz Deutschland schreibt Thal, That, thun, theuer, Werth, Ruthe, roth, vertheidigen u. s. f. und eine Neuerung würde nicht den mindesten Nutzen, wohl aber viel Verwirrung und Mißverstand verursachen. In unschädlichen Dingen ist die allgemeine Übereinstimmung des Volkes ein Heiltathum, welches jedem einzelnen Mitgliede ehrwürdig seyn muß. Aber es gehet unserer Sprache heut zu Tage wie der Religion. So viele arbeiten öffentlich und insgeheim daran, sie uns aus den Händen zu winden, ohne etwas besseres dafür versprechen zu können. Man sehe die Bemühungen unserer neuern Sprachverbesserer an, und urtheile, ob denn ihre Neuerungen, wenn sie auch allgemein werden könnten, vor dem bisherigen Sprachgebrauche das geringste voraus haben. Dieß voraus gesetzt, wird man nicht erwarten, daß einige Regeln gegeben werden könnten, wo man ein th oder ein t schreiben müsse. Es kommt hier bloß auf den Gebrauch an, und dieser ist zum Glücke so übereinstimmig, als man es von irgend einem Puncte der Orthographie nur erwarten kann. Einige wenige Fälle sind zweifelhaft, z. B. bethen, biethen, Geboth, wo aber doch das th die meisten Stimmen für sich hat. In einigen Fällen ist es erweislich, daß es mit dem Verlängerungs h verwechselt, und von seiner wahren stelle verdrängt worden. So schreibt man richtiger Draht, Naht, Fahrt, als Drath, Nath, Farth, weil sie von drehen, nähen, fahren abstammen. Blüthe hingegen kann sein th behalten, weil th hier statt der Ableitungssylbe de stehet. Wollte man Blühthe oder Blühte schreiben, so müßte man das h auch in Blut, Blume u. s. f. einführen, weil sie insgesammt von blühen herkommen. [563-564]
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