Der Stock
, [
387-388] des -es, plur. die Stöcke,
Diminut. das Stöckchen, Oberd. Stöcklein, ein sehr vieldeutiges Wort, indem es
den alten weiten Umfang einer Ausdehnung nach fast allen Richtungen größten
Theils beybehalten hat, denn so wird es, obgleich größten Theils nur in
einzelnen Fällen von verschiedenen Dingen gebraucht, welche in die Länge, Höhe,
Dicke und Tiefe ausgedehnet sind. 1. Mit dem herrschenden Begriffe der Länge
ohne beträchtliche Dicke. (1) Der Stamm eines Baumes oder Gewächses. Notker
nennt noch den wilden Öhlbaum uuilt Stocche. Wir gebrauchen es im Hochdeutschen
nur noch von einigen Stauden. Der Weinstock, der Johannis-Beerstock, der
Rosenstock, Roßmarinstock, Stachelbeerstock u. s. f. Der Wein schmeckt nach dem
Stocke. Vielleicht weil die Stauden aus mehrern Stämmen bestehen; ob es gleich
noch ungewiß ist, ob hier nicht vielmehr auf den Umfang, die Ausdehnung eines
solchen Gewächses gesehen wird, (
S. Staude.) Besonders scheinet es auch den Stängel
eigentlicher Pflanzen bedeutet zu haben, denn von dem Getreide sagt man noch,
es bestocke sich, wenn es Halme bekommt. Indessen gebraucht man es hier nur
noch von einigen eigentlichen Pflanzen oder Gewächsen, sie mögen nun
staudenartig wachsen oder nicht, holzartige Stängel haben oder nicht; Ital.
Stecco. Der Blumenstock, Nelkenstock, Salbeystock, Lavkojenstock, Lackstock u.
s. f. Ein schöner Stock. Im Schwed. ist Kalstock, ein Kohlstrunk. Hierher
scheinet auch die bey den Buchdruckern übliche Bedeutung zu gehören, wo der
Stock oder Buchdruckerstock, eine in Holz, Bley oder Messing geschnittene
Verzierung zu Anfange und Ende eines Buches oder eines Theils desselben ist.
Man könnte diese Benennung zwar von der Gestalt der hölzernen, messingenen oder
bleyernen Formen solcher Verzierungen herleiten, welche gemeiniglich kleinen
Stöcken, d. i. Klötzen, gleichen; allein, wenn man erwäget, daß eine solche
Verzierung im Französischen Vignette heißt, welches das Diminutivum von Vigne,
ein Weinstock ist, Lat. Viticula, so wird obige Ableitung wahrscheinlicher,
indem daraus zugleich erhellet, daß diese Verzierungen anfänglich bloß aus
Figuren von Wein- und Blumenstocken bestanden, welche letztere gemeiniglich
noch dazu gewählet werden. Ist eine solche Verzierung in Kupfer gestochen, so
nennet man sie im Deutschen nicht mehr einen Stock, sondern man gebraucht
alsdann das Französische Vignette. Die Buchbinder haben ähnliche Stöcke, welche
sie auf die Bände der Bücher drucken. (2) Ein Stab, so fern er ein langer Theil
eines dünnen Stammes von einem Baume oder Staudengewächse ist, heißt im
gemeinen Leben häufig ein Stock, in der anständigern Sprechart ein Stab. Der
Nahme eines Stockes kommt ihm nur zu, wenn er eine gewisse, aber unbestimmte,
mittelmäßige Länge bey einer geringen Dicke hat. Ist er lang, so heißt er eine
Stange, Nieders. Staken; sehr lang, dünn und vorn zugespitzt, eine Gerte oder
Ruthe; ist er kurz und dick, ein Knüttel, Bängel oder Prügel; wenn er klein
ist, wird er ein Stecken genannt u. s. f. Der Ladestock, oder Ladestecken, der
Spatzierstock, Springstock u. s. f. Am Stocke gehen. Mit Stock und Degen
spatzieren gehen. Jemanden mit einem Stocke prügeln. Den Stock bekommen, damit
geschlagen werden. Im Nieders. gleichfalls Stock, Angels. Stoc, Ital. Stocco.
Manche Wortforscher glauben, daß hier der Begriff des Schlagens der herrschende
sey, welchen Begriff die verwandten obgleich des Zischlautes beraubten,
zudecken für prügeln, Nieders. tageln, das Lat. tax! den Laut eines Schlages
nachzuahmen, verstatten, der aber doch hier nicht der herrschende zu seyn
scheinet. Für Stock gebraucht man in vielen Fällen in der anständigen Sprechart
lieber Stab; z. B. Commando-Stab, Maßstab u. s. f. Doch sind auch hier einige
ausgenommen. Der zierliche Stab, woran man gehet, heißt doch fast durchgängig
der Stock, obgleich die dichterische und erhabene Schreibart ihn auch den Stab
nennen wird. In einigen Gegenden ist der Stock ein Stab von bestimmter Länge,
da es denn als ein Längenmaß gebraucht wird. In den Niederdeutschen Marsch-
[
389-390] ländern ist der Stock, so viel als Ruthe, d.
i. ein Längenmaß von 8 Rhein. Fuß. Ein Stock Torf. In andern Niedersächsischen
Gegenden ist Stock so viel wie Elle. Ein Stock Leinwand, eine Elle. Zuweilen
werden auch ähnliche Körper von größerer Länge und Dicke Stöcke genannt. So ist
der Flaggenstock auf den Schiffen, eine starke Stange, welche die Flagge trägt,
und die Stange, oder der Schaft, woran die Fahne befestiget ist, wird wohl auch
der Fahnenstock genannt. In den Bauwesen wird ein steinernes Fensterkreuz, ein
Fensterstock genannt. 1. Mit dem herrschenden Begriffe so wohl der
beträchtlichen Länge, als der beträchtlichen Dicke kommt es nur in einigen
Fällen als ein Kunstwort vor. Ehedem wurde es häufig für Säule, Balken u. s. f.
gebraucht, von welcher Bedeutung noch einige Fälle üblich sind. Die
Fensterstöcke oder Stöcke eines Fensters, sind die vier starken hölzernen oder
steinernen Massen, woraus die Einfassung eines Fensters bestehet. Der Pfeiler
auf der linken Seite einer Drechselbank heißt der Stock. Im Schwed. ist Stock,
und im Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image, ein
Balken. Auf ähnliche Art ist im Schwed. Stabbe, eine Säule, welches mit unserm
Stab verwandt ist. Wenn Stock eine Säule oder etwas stehendes bedeutet, so
tritt auch der Begriff des Stehens, der Festigkeit mit ein. 3. Noch häufiger
verschwindet der Begriff der Ausdehnung in die Länge, dagegen der Begriff der
Ausdehnung in die Dicke zunimmt, wo es denn wiederum in verschiedenen besondern
Fällen üblich ist. (1) Ein kurzes dickes Stück oder Ding heißt sehr häufig ein
Stock, wobey zugleich der Begriff des Stehens, der Festigkeit, Unbeweglichkeit,
oft auch eines Stückes, der geschehenen Abstutzung, Abkürzung, mit eintritt. Im
Schwedischen ist stäcka, abkürzen, und stackig, kurz. Der in der Erde
zurückgebliebene Sturz oder Stumpf eines gefälleten Baumes heißt gewöhnlich ein
Stock; Nieders. Stak, Stuke, Stubbe. Schwed. Stock. Die Kienstöcke ausraden,
die Stöcke von gefälleten Kienbäumen. Daher ausstocken, diese Stöcke ausgraben.
Lasset den Stock mit seinen Wurzeln in der Erde bleiben, Dan. 4, 12, 20. Er
stehet wie ein Stock, mit dummer Unbeweglichkeit. Über Stock und Stein, über
Stock und Block laufen, in der größten Eile, ohne sich durch einige Hindernisse
aufhalten zu lassen; ein einigen Gegenden über Rusch und Busch. Nicht anders
laufen sie auch über Stock und Stein, Opitz. Eben diesen Nahmen bekommt sehr
oft auch ein Klotz oder Block; Ital. Zocco, der Haustock, Haublock oder
Hauklotz. Der Amboßstock, oder Stock schlechthin, der Klotz oder Block, worin
ein Amboß stecket. Welchen Nahmen denn auch viele Dinge bekommen, welche die
Gestalt eines Klotzes haben, oder ursprünglich aus einem bloßen Stocke
bestanden. Ein Stock zum Almosen, der Armenstock, ein ausgehöhlter
eingegrabener verschlossener Stock, worin Almosen für die Armen gesammelt wird,
der, wenn er in der Kirche stehet, auch der Kirchenstock heißt. Der Geldstock,
eine Art schwerer starker Geldkisten, welche anfänglich vermuthlich auch ein
ausgehöhlter fest stehender Klotz war. Der Bienenstock, oder Stock schlechthin,
ein kurzes dickes Behältniß für Bienen, weil selbiges ehedem nur ein
ausgehöhlter Klotz war, und es zum Theil noch ist, da es denn auch eine Beute
genannt wird. Er heißt jetzt ein Stock, auch wenn es ein geflochtener Korb ist.
Der Haubenstock, Perrückenstock, ein rundlicher Klotz, die Hauben oder
Perrücken darauf zu setzen. Von ähnlicher Art ist der Hutstock der Hutmacher.
Das viereckige Fußgestell einer Säule oder Bildsäule heißt im Oberdeutschen ein
Säulenstock, Bildstock, oder Stock schlechthin; (Siehe Stuhl.) In den
Walkmühlen ist der Stock ein ausgehöhlter Klotz, worin das Walken verrichtet
wird. Ein [
389-390] Amboß wird bey verschiedenen
Handwerkern nur ein Stock genannt, dergleichen der Polierstock der Klempener
ist. Besonders ist der Stock ein solcher Klotz, woran die Gefangenen in den
Gefängnissen befestiget werden, oft auch ein ausgehöhlter Klotz, worein sie mit
den Füßen geschlossen werden. Du hast meinen Fuß in den Stock gelegt, Hiob. 13,
27. Schwed. Stock. Jemanden in den Stock legen oder schlagen. Da es denn auch
zuweilen für Gefängniß überhaupt gebraucht wird, in welchem Verstande es schon
in dem alten Augsburgischen Stadtrechte von 1276 vorkommt. Jemanden mit Stock
und Galgen beleihen, mit dem Rechte die Verbrecher gefangen zu nehmen und
hinzurichten. Im Engl. sagt man für Stock a Pair of Stocks.
S. Stöcken, Stockhaus, Stockmeister u. s. f. Noch
häufiger ist der Stock ein kurzes dickes Werkzeug oder Ding; wo es als ein
Kunstwort in solchen Fällen üblich ist, wo ein solches Ding keinen
eigenthümlichen Nahmen hat. So ist der Stock in den Orgeln, das kurze dicke
schmale Bret, worin die Pfeifen stecken. Eine Docke der Drechsler heißt
zuweilen gleichfalls der Stock, wohin der bewegliche Reitstock gehöret. Selbst
das Wort Docke gehöret hierher, indem es sich bloß durch den Mangel des
intensiven Zischlautes von Stock unterscheidet. Das Gestell eines Lichtes, der
Leuchter, heißt im Oberdeutschen ein Lichtstock. Eben daselbst werden die
hölzernen Absätze an den weiblichen Schuhen im Diminut. Stöcklein, und im
gemeinen Leben Steckel genannt. Im Schraubstock, Daumenstock u. s. f. herrscht
eben dieser Begriff eines kurzen Dinges. Der Arbeitsstock der Petschaftstecher,
ist ein hohler Cylinder, worein sie die Petschafte befestigen, welche sie
stechen. Das kurze dicke Holz, worauf die Wagenwinde befestiget wird, heißt der
Stock. Der Kittstock der Stein- und Glasschleifer ist ein kleiner Klotz mit
einem Stiele, die Dinge, welche geschliffen werden sollen, darauf zu kitten.
Ähnliche Stöcke haben die Zinngießer, die zinnernen Gefäße, welche sie
ausdrehen wollen, daran zu befestigen. Und so in hundert andern Fällen mehr.
S. auch Wachsstock. Der mittlere Theil eines Hemdes ohne
Ärmel und Gehren oder Zwickel, heißt in vielen Gegenden der Stock, in andern
der Rumpf. (2) Eine Masse bey einander befindlicher Dinge Einer Art, besonders
so fern sie der Grund davon entspringender anderer Dinge eben derselben Art
ist, in welcher Bedeutung in vielen Fällen auch Stamm üblich ist. Der
Eyerstock, die bey einander befindlichen Eyer in den weiblichen Körpern. Der
Eiterstock in den Geschwüren. Die Stammgüter eines Hauses werden in manchen
Gegenden Stockgüter genannt. Im Engl. ist Stock, Französ. Estoc, Ital. Stocco,
das Geschlecht, ingleichen der Stamm eines Geschlechtes. Ein Stock Vieh, der
Viehstock, eine Menge zu einem Grundstück gehörigen Viehes, wofür doch im
Hochdeutschen Stamm, Viehstamm üblicher ist; Engl. gleichfalls Stock. Im
Englischen, Holländischen und Schwedischen bedeutet Stock sehr häufig ein
Capital, besonders ein in einer Bank stehendes oder zu öffentlichen
Bedürfnissen hergeliehenes Capital, in welcher Bedeutung es auch von einigen im
Deutschen gebraucht wird. In den Kartenspielen wird der Haufe Karten, wovon die
Spieler die ihrigen nehmen und bekommen, in einigen Gegenden der Stock,
Kartenstock, noch häufiger aber der Stamm genannt. (3) Ein unförmlicher Haufe
von Dingen Einer Art, doch auch nur in einigen einzelnen Fällen; eine mit der
vorigen sehr nahe verwandte Bedeutung. Ein Stock im Bergbaue, ein großer mit
Erz ausgefüllter Raum, (
S. Stockwerk.) Auf den Kupferhämmern ist der Stock ein
Stoß in einander passender Schalen, wofür in andern Fällen Satz üblich ist. Ein
Heustock ist in einigen Gegenden ein Heuschober, Heuhaufe, und in andern sind
[
391-392] Mauerstöcke, Ruinen. Im Schwed. ist Stock,
gleichfalls ein Haufe, Irrländ. Stacadh, Pohln. Stog, Ital. Stacca, Engl.
Stack. (
S. auch Steig und Steigen, von welchen es in dieser
Bedeutung ein Intensivum ist.) Aus den eigenthümlichen Nahmen vieler Berge in
der Schweiz und andern Gegenden, z. B. Blankenstock, Eckstock, Ortstock u. s.
f. erhellet, daß es so wie Steig ehedem auch einen Berg bedeutet habe. Hierher
gehöret auch Stock, sofern es in einigen Gegenden ein Getreidemaß ist. In
Hamburg ist ein Stock Gersten eine Menge von drey Wispeln. In andern Fällen ist
dafür Last üblicher. Wenn es alsdann ein Zahlwort vor sich hat, so bleibt im
Plural unverändert. Sechs Stock nicht Stöcke. (4) Nach einer, auch bey andern
ähnlichen Wörtern, welche eine Masse, eine Ausdehnung nach allen Seiten, oder
auch eine Festigkeit, eine Unbeweglichkeit bedeuten, gewöhnlichen Figur, ist
stock in vielen Zusammensetzungen des gemein. Lebens ein gewöhnliches Zeichen
der Intension, welches so wie erz - den Begriff des folgenden Wortes erhöhet.
Der große Haufe der Hoch- und Oberdeutschen kennet von dieser Art die Wörter
stockblind, stockdürre, stockdumm, stockfinster, stockfremd, stocksteif,
stockstille, stockstumm, und vielleicht noch einige andere. Im
Niedersächsischen sagt man auch stocktodt und stocknackend. Bey welchen Wörtern
man nicht allemahl unmittelbar an einen Stock, Stab, oder an einen Stock,
Klotz, denken muß.
S. diese Wörter an ihrem Orte, ingleichen Stockböhme und
Stocknarr. 4. Der Begriff aller in Einer oder auf Einem Boden eines
Gebäudes befindlichen Zimmer heißt ein Stock oder ein Stockwerk, sonst auch ein
Schoß oder Geschoß, wo der Plural, wenn ein Zahlwort vorher gehet, gleichfalls
Stock lautet. Ein Haus, von zwey, drey Stock. Im ersten, im zweyten Stocke
wohnen. Im Böhmischen gleichfalls Stock, im mittlern Lat. Estaco, Estaga, woher
die Franzosen ihr Etage haben. Der Stammbegriff ist in dieser Bedeutung noch
ein wenig dunkel; indessen scheinet, so wie in Schoß oder Geschoß, der Begriff
der Höhe, der herrschende zu seyn, obgleich auch der vorige Begriff der Masse,
des Inbegriffes mehrerer Dinge Einer Art der Stammbegriff seyn kann.
S. auch Stockwerk. 5. Endlich finden sich auch Spuren,
daß Stock ehedem auch einen hohlen Raum, ein Behältniß bedeutet haben müsse, da
es denn als ein Verwandter von dem Oberdeutschen Teichel, ein Canal von der
Docke im Schiffsbaue, von dem Holländ. Dogger, ein kleines Schiff, von tauchen
u. s. f. angesehen werden kann. So wird z. B. in den Brauhäusern ein
viereckiges Gefäß in Gestalt eines Kastens, worin man das Bier abkühlen lässet,
und welches auch die Kühle und das Kühlschiff heißt, der Kühlstock genannt.
Anm. Der verdoppelte Gaumenlaut am Ende ist ein Zeichen einer Intension, so daß
dieses Wort so wohl von stehen, stauchen, steigen, stechen, in der weitesten
Bedeutung der Bewegung, und andern ähnlichen abgeleitet werden muß, deren
sämmtliche Bedeutungen zum Theil in demselben zusammen fließen. In der ganzen
dritten Hauptbedeutung sind dick und Docke, Teig, und andere ähnliche als nahe
Verwandte davon anzusehen, indem ihnen zum Theil nur der theils zufällige,
theils intensive Zischlaut mangelt.
S. auch Stocken. [
391-392]