Die Stimme
, [
381-382] plur. die -n, Diminutivum,
welches nur in der vertraulichen Sprechart von einer schwachen, feinen und
angenehmen Stimme üblich ist, das Stimmchen, Oberd. Stimmlein, der Laut,
welchen organische Geschöpfe durch die Luftröhre von sich geben, lautbar oder
hörbar gemachter Athem. 1. Im weitesten Verstande. Die meisten Fische haben
keine Stimme, weil die wenigsten eine Lunge haben, welche zu Stimme
unentbehrlich ist. Die Stimme des Löwen, der Vögel des Himmels, in der
Deutschen Bibel. Der Löwe eine furchtbare Stimme.
Ein Esel wollt' - auf öffentlichen Gassen, Sein lieblich
Stimmchen hören lassen, Lichtw.
Eben derselbe sagt von einem Gimpel:
Sein Stimmchen machte schlechten Staat.
Figürlich leget man auch wohl leblosen Dingen, die durch das
Gehör empfunden werden, in der dichterischen Schreibart eine Stimme bey. Die
Stimme des Donners, in der Deutschen Bibel. Die schreckende Stimme des Donners
schweigt, Geßn. Die Stimme des Getümmels, einer Posaune, der Trompete, der
Pfeifen und Harfen u. s. f. für Laut, Schall, Klang, lassen sich nur in der
dichterischen Schreibart nachahmen.
- So ruft die Glocke bereits mit silberner Stimme Zu dem
ländlichen Tisch, Zachar.
2. In engerer Bedeutung, die menschliche Stimme, wo dieses
Wort eigentlich den durch die organischen Sprachwerkzeuge hörbar gemachten
Athem bezeichnet, der zur Sprache wird, wenn die Stimme und die einzelnen
Laute, die sie umfasset, Zeichen der Empfindungen und Gedanken. (1) Eigentlich.
Eine grobe, eine feine, eine klare Stimme haben. Er sagte mit lauter Stimme.
Seine Stimme erheben, sinken lassen. Seine Stimme hören lassen. Die Stimme
verändern. Für Rede, wie es in der Deutschen Bibel mehrmahls gebraucht wird, z.
B. Gott erhöre meine Stimme, würde es sich allenfalls noch in der dichterischen
Schreibart gebrauchen lassen. (2) In engerer Bedeutung, bedeutet es in der
Musik (a) Die Beschaffenheit der Stimme, so fern sie sich zum Gesang schickt.
Eine gute Stimme haben. Keine Stimme haben keine zum Gesange taugliche Stimme.
Stimme zum Singen haben. Die Stimme verlieren. Hier wird der Plural nur von
mehrern Arten gebraucht. (b) Die Arten der Stimme in Ansehung der Tiefe und
Höhe heißen in der Musik gleichfalls Stimmen. Die Discant-Stimme, Alt-Stimme,
Tenor-Stimme, Baß-Stimme. Eine Stimme singen. Da denn auch die für jede Stimme
geschriebene Noten die Stimme genannt werden. In weiterm Verstande heißen auch
die für jedes musikalische Instrument geschriebenen Noten Stimmen. Die
Violin-Stimme, die Noten für die Violine. (3) Figürlich. (a) In der höhern und
dichterischen Schreibart ist die Stimme die Wirkung eines leblosen Dinges auf
das Erkenntniß- und Begehrungsvermögen. Die Stimme der Natur die Überzeugung,
welche durch den Zusammenhang der natürlichen Dinge in uns gewirket wird. In
einem andern Verstande ist die Stimme der Natur, der natürliche Trieb. Das
große Interesse des Menschen liegt also darin, daß er dieser Stimme der Natur,
die ihn zum Schönen, zum Guten hinruft, gehorsam werde, Sulz. In so weit wir
bloß dieser Stimme der Natur, die unsre Herzen einander zuführen will, folgen,
in so weit ist es noch keine Tugend, Gell. Die Stimme des Blutes, die
Empfindung, welche aus der nahen Verwandtschaft entspringet. Man höre bey
seiner achtsamen Wahl zuerst auf die Stimme des Herzens, Gell. (b) Die durch
Worte oder Zeichen ausgedruckte Meinung in der Berathschlagung mehrerer. Sechs
Stimmen waren für, und sechs wider die Sache. Die Stimmen sammeln. Die meisten
Stimmen gelten. Wo es in engerer Bedeutung auch die beyfallende, bejahende
Stimme dieser Art bedeutet. Er hatte alle Stimmen. Seine Stimme zu etwas geben.
(c) Das Recht, in der Berathschlagung mehrerer, seine Stimme zu geben, d. i.
seine Meinung, sein Urtheil zu sagen, das Stimmrecht, ohne Plural. Sitz und
Stimme im Rathe, in einem Collegio, im Kapitel u. s. f. haben. Jemanden seine
Stimme nehmen. (d) An verschiedenen musikalischen Instrumenten ist die Stimme
ein Theil, welcher den Klang oder Ton des Werkzeuges bestimmet. So ist es ein
ausgerichtetes Hölzchen in den Geigen, welches den Resonanz-Boden in die Höhe
hält. An den Pauken wird der Trichter über dem runden Loche an dem
Paukenkessel, so wohl das Schallstück, als die Stimme genannt. Anm. Schon im
Isidor und bey dem Kero Stimma, im Tatian Stemmi, bey dem Notker ohne Zischlaut
Timmo, im Nieders. Stemme, im Schwed. Stämma, im Angels. Stemn, und mit andern
obgleich verwandten Endlauten im Angels. Stefen, bey Ulphilas Stibna, und im
Lappländ. Stiubne, (
S. Staben). Das Griech. hier nichtlateinischer
Text, siehe Image, welches unter andern auch die Stimme bedeutet, ist
nahe damit verwandt.
S. das folgende. [
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