3. Spannen
, [
161-162] verb. reg. act. einen
elastischen Körper entweder durch Zusammendrückung oder durch Ausdehnung in den
Fall setzen, daß es sich mit Heftigkeit bemühe, sich wieder in seinen vorigen
Stand zu setzen. 1. Durch Zusammendrücken. (1) Eigentlich. Den Bogen (das
Schießgewehr dieses Nahmens) spannen. Ein gespannter Bogen. Die Armbrust
spannen. So auch den Hahn an einem Feuergewehre spannen oder aufspannen,
entweder, weil dabey die Feder wirklich gespannt wird, oder auch als eine von
dem Spannen der Bogen und Armbrüste beybehaltene Redensart. (2) In weiterer
Bedeutung, mit einer Schnellkraft befestigen, so daß entweder die befestigte
Sache, oder die zur Befestigung dienenden Theile eine Schnellkraft äußern. (a)
Eigentlich. Der Schlösser spannet das Eisen, welches er bearbeiten will, in den
Schraubestock, der Drechsler, den Körper, welchen er abdrehen will, auf die
Drechselbank oder zwischen die Docken. Die Fuhrleute spannen den Wagen und die
darauf liegenden Last mit der Spannkette, daher auch die Auf- oder Abländer,
welche solches verrichten, an einigen Orten Spanner oder Spänner heißen, wo es
aber auch zu der folgenden Bedeutung des Bindens, Fesselns gehören kann. Das
gespannte Roß, in der Zimmermannskunst, wenn zwey Träger so auf einander
gekämmet werden, daß sie eine große Last tragen können. (
S. Roß und Spannriegel.) Das Kleid spannet, der Schuh
spannt mich, sagt man, wenn die Kleidungsstücke die Theile des Leibes zu sehr
einschränken, so daß diese ihre elastische Kraft dagegen äußern. (b) Figürlich.
aa) Einen Fluß spannen, oder aufspannen, ihn stämmen, seinen Abfluß hemmen, und
dadurch aufschwellen machen, wo es in Ansehung dieses Aufschwellens auch eine
Figur der Ausdehnung seyn kann. Auf ähnliche Art ist, einen Fluß oder
Mühlenbach einspannen, ihn einfassen, sein Bett einschränken. bb) In manchen
Fällen stehet es für binden, fesseln überhaupt. In der Landwirthschaft spannet
man die Pferde, wenn man ihnen auf der Weide die Voderfüsse mit Stricken
zusammen schleifet, damit sie nicht entlaufen, welches auch fesseln, und in
Niedersachsen tüdern genannt wird. Im Niedersächsischen bedeutet es auch, einen
Gefangenen fesseln oder binden. Am üblichsten ist es von der Befestigung des
Zugviehes an den Wagen, Pflug u. s. f. Die Pferde vor den Wagen, die Ochsen an
den Pflug oder vor den Pflug spannen, in welcher Bedeutung schon Notker spannen
sagt. Die Pferde hinter den Wagen spannen, figürlich, eine Sache verkehrt
anfangen. Die figürliche R. A. sie sind mit einander gespannt, oder über den
Fuß gespannt, von Personen, welche nicht in dem besten Vernehmen mit einander
stehen, ohne eben Feinde zu seyn, ist dunkel. Man könnte spannen hier von dem
alten Span, Spänigkeit, Streit, Mißhälligkeit, ableiten, wenn nicht der Beysatz
des Fußes diese Ableitung unwahrscheinlich machte. 2. Durch Ausdehnung. (1)
Nach allen Richtungen. Einen gespannten Leib haben, wenn derselbe aufgetrieben,
und die Haut gleichsam gespannt oder ausgedehnet ist. Da es denn auch von der
dieser Ausdehnung ähnlichen Empfindungen gebraucht wird. Ach, wie spannt michs
auf dem Schienbeine! Gell. (2) Der Länge nach von dehnbaren und elastischen
Körpern. (a) Eigentlich. Einen Missethäter auf die Leiter spannen, eine Art der
Tortur, welche auch der Zug genannt wird. Der Seiltänzer tanzet auf einem
straff gespannten Seile. Die Saiten auf einem musikalischen Instrumente
spannen. Die Saiten höher spannen, auch figürlich, seine Forderungen erhöhen.
Die Saiten zu hoch spannen, zu viel begehren, die Sache zu weit treiben.
Ingleichen durch Ausdehnung befestigen. Zeug in den Rahmen spannen. (b)
Figürlich. aa) Mit Ausdehnung begreifen, erreichen. So weit als man mir der
Hand spannen kann, so weit als man mit den ausgedehnten Fingern der Hand
reichen kann. (
S. Spanne und Umspannen.) Ehedem sagte man auch
gespannte, d. i. ausgestreckte, Arme. Nach einer noch weitern Figur ist ein
weit gespanntes Gewölbe, welches einen großen Bogen macht. bb) Anstrengen, von
den Fähigkeiten des Leibes und Geistes. Alle seine Kräfte spannen oder
anspannen. Die Spannung der Kräfte. Überspannte Empfindungen. Ingleichen nach
einer noch weitern Figur, ein zu hoch gespanntes, übertriebenes, Lob. So auch
das Spannen und die Spannung, welches letztere in einigen Fällen auch von der
Handlung des Spannens, noch häufiger aber von dem Zustande gebraucht wird, da
ein Körper gespannt ist. Anm. Bey dem Notker und Ottfried spannen welcher
letztere es für binden gebraucht, im Nieders. gleichfalls spannen, im Schwed.
spänna, welches so wohl biegen, als ausdehnen bedeutet. Das doppelte n bedeutet
auf ein Intensivum, dessen einfacheres Zeitwort spanen noch bey dem Notker
vorkommt, und, wenigstens in einigen Bedeutungen, zu dem Schwed. spana, ziehen,
Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image, gehöret. In
andern Bedeutungen hingegen sticht die Bedeutung des Bindens merklich hervor,
aus welchem Worte es vermittelst des oft gleichfalls intensiven Zischlautes
gebildet seyn kann, daher dieses s auch in andern Sprachen mangelt, z. B. in
dem Lat. pandere, dem Schwed. bända, päna, im mittlern Lat. bendare, in Angels.
bendan, im Engl. to bend, welche insgesammt spannen bedeuten. Ehedem ging diese
Zeitwort irregulär, ohne Zweifel, weil das einfachere spanen, mit dem
intensiven spannen vermischt war. Das Imperf. lautet bey dem Notker spien, und
das Mittelwort bey dem Ottfried gespannan, für gespannt.
[
163-164]