Seit
, [
39-40] eine Partikel, welche das
Schicksal aller Partikeln gehabt, d. i. in ihren Bedeutungen und Gebrauche
beträchtliche Veränderungen erfahren hat, welche hier angeführet werden müssen,
damit man die Abstammung dieses Wortes in der heutigen desto besser übersehen
könne. Er bedeutete, 1. * Eigentlich dem Orte nach, niedrig, unten das untere,
welches wenigstens eine der ersten und eigentlichsten Bedeutungen ist, wo es
sowohl als ein Nebenwort, als auch ein Beywort üblich war. Im Hochdeutschen ist
es völlig veraltet, allein im Nieders. Schwedischen und Dänischen ist es völlig
im Gange. Nieders. sied, ein sieder Stuhl, ein niedriger, das Wasser ist sieder
geworden, Dän. süd, Schwed. sid. Es ist hier gewisser Maßen das Stammwort von
den Intensivis sitzen und setzen, und in Ansehung des Oberd. sint, von sinken,
senken; wenigstens ist es mit ihren Stämmen sehr nahe verwandt. 2. Figürlich,
was der Ordnung, Zahl und Zeit nach auf etwas anderes folget. (1) * Der Ordnung
nach, wo sith im Angelsächsischen so wohl als ein Bey- und Nebenwort, das
nachfolgende, und sythest der letzte ist. Im Schwed. gleichfalls sid, sidst. Im
Hochdeutschen ist diese Bedeutung fremd. (2) * Der Zahl nach, für weniger, eine
im Deutschen gleichfalls veraltete Bedeutung in welcher aber das Schwedische
sid üblich ist. (3) Der Zeit nach. (a) * Für spät, so wohl als ein Bey- als ein
Nebenwort. Bey dem Ulphilas seit, im Schwed. sid. Der e wart oder sit, Walcher
von der Vogelweide, der ehe oder später ward. Auch diese Bedeutung ist
veraltet. (b) * Für hernach, als ein Nebenwort, ingleichen für nachdem, als ein
Bindewort, ein gleichfalls ungewöhnlich gewordener Gebrauch, welcher doch in
Ottfrieds sid mehrmahls vorkommt Auch im Schwed. ist sedan, und zusammen
gezogen sen, hernach, nachdem. (
S.
Sint.) (c) Eine Zeitfolge von einem gewissen bestimmten
Zeitpuncte an zu bezeichnen, als ein Nebenwort, in welcher Bedeutung es im
Hochdeutschen allein noch üblich ist, und alsdann im Oberdeutschen auch sint,
sinter, im Niederdeutschen seder, sedert, sedder, sunt, lautet, Engl. sith,
since, Schwed. sedan. Wenn die Zeit in Gestalt eines Hauptwortes ausgedruckt
ist, so stehet dieses in der dritten Endung, weil seit eines von denjenigen
Nebenwörtern ist, welche ehedem auch als Vorwörter gebraucht wurden, oder doch
den Übergang der Nebenwörter in die Vorwörter ausmachen, als von beyden etwas
an sich haben. Sein dem Tage, da ich die Kinder Israel aus Egypten führete, 2
Sam. 7, 6. Seit der Zeit (daß) Menschen auf Erden gewesen sind, Offenb. 15, 18.
Seit seinem Tode. Ich habe ihn seit Einem Jahre nicht gesehen. Seit Pfingsten,
seit gestern. O, wie liebt ich dich, seit jenem Tage u. s. f. Geßn. Seit welche
Zeit hat er nicht geschrieben? Seit wenn ist er dein Freund? Antw. seit vielen
Jahren. Die Verbindung mit der zweyten Endung ist im Hochdeutschen
ungewöhnlich. Sint des kamen die Kriegsleute nicht mehr in das Land, 2 Kön. 6,
23. Seit des Ungewitters, Opitz. Seit meines Hierseyns, in welchem letztern
Falle es aber richtiger Zeit meines Hierseyns heißt, so fern es nicht einen
terminum a quo, sondern die Länge der Dauer bestimmt, wie man auf ähnliche Art
sagt Zeit meines Lebens. Wenn der Zeitpunct, auf welchen sich seit beziehet,
ein ganzer Satz ist, so wird dem Nebenworte noch das Fürwort den zugesellet, so
daß daß ausdrücklich folgt, oder auch wegbleibt, welches letztere oft der
Wohlklang erfordert. Er ist mein Freund, seit dem, daß ich ihn kenne, oder
besser, seit dem ich ihn kenne. Seit dem ich von dir schied, bin ich der Freude
unbekannt geworden, Dusch. Seit dem ich sie traurig gesehen habe, habe ich
große Lust es auch zu seyn, Gell. Die Schreibart seitdem läßt sich nicht mit
nachdem entschuldigen, weil die Bedeutung hier figürlich ist, in seit dem aber
nicht; indessen läßt man beyde Wörter lieber getheilt, wie in vor dem, aus dem
u. s. f. Das dem wird von der höhern Schreibart oft mit Nachdruck weggelassen.
Fünf Tage sinds nun, seit er uns beyde auf seinem Schloß hatte und weinte,
Geßn.
Geneuß, geneuß der Kuh, die dir entzogen, Seit ich dieß Feuer
angefacht, Raml.
In der Oberdeutschen Mundart ist diese Weglassung schon alt;
doch behält sie alsdann gern das daß bey.
Sit das ich si so gar herzeclichen minne, Kaiser Heinrich. Sit
das der winter hat die bluomen in getan, König Wenzel.
Oft stehet so wohl in dem Vor- als im dem Nachsatze ein seit,
da denn das letztere das dem bekommt, das erstere aber desselben entbehren
kann. Seit du auf dem Steine beym Brunnen mir das Frühlingslied sangest, seit
dem habe ich dich nicht gesehn, Geßn.
Seit der erhabne Friedrich Für Gott und Vaterland ficht. Seit
dem, ihr Musen, nahm ich nicht Die Leyer in die Hand, Gleim.
(4) Nach einer noch weitern Figur, als ein verursachendes
Bindewort, für da, weil; eine veraltete Bedeutung, in welcher seit im
Schwabenspiegel häufig vorkommt, und welche noch in sintemahl übrig ist, (
S. dasselbe.) Seyd nun die Keltin ist ein sach der
Forcht, so u. s. f. weil nun die Kälte eine Ursache der Furcht ist, Buch der
Natur, 1483. Seyt ir mich thut fragen, so will ich euch sagen, Theuerd, Kap.
25. Anm. Hieraus erhellet, daß weder Wachters und Frischens Ableitung von
hier nichtlateinischer Text, siehe Image, noch Gottscheds und
anderer von Zeit, die wah- [
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letzte tadelt um deßwillen den Ausdruck seit der Zeit, der aber immer
untadelhaft seyn würde, wenn auch die angegebene Ableitung richtig wäre.
S. auch Sint. [
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