Schlecht
, [
1509-1510] -er, -este, adj. et adv.
welches von dem Zeitworte schlagen abstammet, und vornehmlich in folgenden
Hauptbedeutungen üblich ist. 1. Von schlagen, sich in die Länge ausdehnen, ist
schlecht gerade; Nieders. sligt, in Baiern schlett, schlätz, Schwed. slät. 1) *
Eigentlich; welche Bedeutung jetzt im Hochdeutschen veraltet ist, ehedem aber
sehr gangbar war, da es denn dem krumm entgegen gesetzet wurde. Was krumm ist,
kann nicht schlecht werden, Pred. 1, 15. Wer kann das krumme schlecht machen?
Kap. 7, 14. Den Leviathan, der eine schlechte Schlange, und den Leviathan, der
eine krumme Schlange ist, Es. 27, 1. Sprichw. Geld macht krumme Sachen
schlecht, gerade. Lief den nächsten auf den Held schlecht, Theuerd. Kap. 17,
lief gerade auf ihn zu. Auf schlechter ebner Bahn ist gut und sicher wallen,
Logau.
S. auch Schlicht. 2) Figürlich. (a) Redlich,
rechtschaffen, der Billigkeit und dem Gesetze gemäß, im Gegensatze der krummen,
unlautern Gesinnung; in welchem Verstande es nur noch zuweilen als ein
Nebenwort und in Verbindung mit dem recht gebraucht wird, besonders in der
biblischen Schreibart. Hiob ist schlecht und recht, gottesfürchtig, und meidet
das Böse, Hiob 1, 8. Siehe, deine Sache ist recht und schlecht, aber du hast
keinen Verhör vom Könige, 2 Sam. 15, 3. Bey dem Ottfried ist slehtaz billig. In
recht, rechtschaffer, richtig, aufrichtig liegt eben dieselbe Figur zum Grunde.
(b) * Einfältig, d. i. Mangel am Verstande leidend; eine im Hochdeutschen
fremde Bedeutung, in welcher es aber auch eine Figur der letzten Hauptbedeutung
seyn könnte. Er ist seit einiger Zeit schlecht geworden, für einfältig, in
einigen Oberdeutschen Gegenden. Auch das Niedersächs. sligt ist in eben der
Bedeutung üblich. (c) Wird es als eine Partikel in verschiedenen Verbindungen
für unbedingt, ohne Bedingung und Einschränkung, und nach einer noch weitern
Figur für völlig, gänzlich, gebraucht. Ein Hurenkind soll schlecht nicht in die
Gemeine des Herrn kommen, 5 Mos. 23, 2, das ist, durchaus nicht. Doch so für
sich allein ist es in dieser Bedeutung veraltet, nicht aber in den Verbindungen
schlecht bin, oder schlechthin und schlechterdings, Oberdeutsch schlechter
Dingen, (
S. Ding.) Sie wollen schlechthin, daß ich ihn für einen
ehrlichen Mann erkennen soll, d. i. durchaus ohne Bedingung und Einschränkung.
Noch üblicher ist in diesem Verstande das schlechterdings. Was kann man nicht
durchsetzen, wenn man es schlechterdings will? Gott handelt hierin nicht
schlechterdings, auf unbedingte Art, mit unumschränkter Macht. Ingleichen für
durchaus, völlig, gänzlich, als eine mit Nachdruck bekräftigende oder
verneinende Partikel. Er konnte vor Weinen schlechterdings nichts sagen. Die
lange Angst hat mich schlechterdings unkenntlich gemacht, völlig. Er hat es
schlechterdings gethan. Auf eben die Art ist in der vertraulichen Sprechart
auch platterdings üblich. Der Stand ändert oft die Bedeutung. Es ist nicht
schlechterdings wahr, nicht ohne alle Bedingung und Einschränkung; es ist
schlechterdings nicht wahr, durchaus nicht. 2. So fern schlagen in
Verwandtschaft mit schleichen der nachgeahmte Laut einer schnellen, leichten,
einförmigen Bewegung ist, ist schlecht so wohl eben, als glatt und leicht. 1) *
Eben, Nieders. sligt, Schwed. slät, bey den Schwäbischen Dichtern sleht; eine
im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Was höckericht ist, soll schlecht werden,
Es. 40. 2) Glatt, welches so wie gleiten selbst mit diesem Worte verwandt ist.
(a) * Eigentlich; Schwed. slät, Nieders. sligt, (
S. Schlichten.) Auch in dieser Bedeutung ist es
veraltet. (b) Figürlich. (aa) * Gütig, sanftmüthig, ingleichen schmeichelhaft,
Schwed. siät; zwey im Deutschen längst veraltete Bedeutungen, in welchen Kero
die Schmeicheleyen Slechtiu nennet. (bb) Ohne Zusatz, ohne künstlichen Zusatz,
gewöhnlich u. s. f. wo aber auch die erste Bedeutung des gerade mit eintreten
kann. Schlechte Manschetten, glatte, einfache, im Gegensatze der ausgenäheten
oder mit Spitzen besetzten. Ein schlechtes Kleid, im Gegensatze eines
bordierten. Es ist nur schlechtes Holz, gewöhnliches. Die Taufe ist nicht
schlecht Wasser. Sich ganz schlecht kleiden, einfach, ohne allen künstlichen
Putz. Ich will gern schlecht und recht gehen, wenn ich sie nur galant sehe,
Gell. So auch in den zusammen gesetzten Nebenwörtern schlechtweg und
schlechthin. Ein Flecken schlechthin, ohne allen weitern Zusatz, im Gegensatze
des Marktfleckens. Sich schlechtweg kleiden, einfach, ungekünstelt. Da diese
Bedeutung mit den beyden folgenden leicht Mißdeutung veranlassen kann, so muß
man sich ihrer mit Vorsicht: bedienen, wie sie denn auch wirklich in Abgang zu
kommen anfängt. Im Italiänischen ist schietto rein, lauter, unvermischt. 3)
Leicht; in welcher Bedeutung es mit diesem leicht selbst sehr nahe verwandt,
und durch den vorgesetzten Zischlaut daraus gebildet ist. In beyden ist die
leichte Bewegung der Grund der Benennung. (a) * Eigentlich; eine längst
veraltete Bedeutung, von welcher doch noch hin und wieder Spuren übrig sind.
Bey dem Kero ist slechti lohhe ein leichtes Joch. (b) Figürlich, einen geringen
oder geringern Werth habend, wo es oft dem gut entgegen gesetzet wird. Indessen
kann es seyn, daß es in dieser Bedeu- [
1511-1512] tung nur
eine fortgesetzte Figur der vorigen Bedeutung ist. Im Böhmischen ist zlehciti
geringe werden, und ohne Zischlaut lehky geringe. Schlechtes Gold, welches man
auch leichtes nennet, geringhaltiges, im Gegensatze des guten. Etwas um ein
schlechtes Geld kaufen, um ein geringes, der Zahl nach. Das ist ein schlechtes
für einen so reichen Mann, ein geringes. Sich um schlechte Dinge erzürnen, um
geringe, unerhebliche Dinge. Eine schlechte Anzahl, eine geringe. Schlechte
Leute, von geringem Stande. Von schlechtem Herkommen, im Gegensatze des guten.
Ein schlechter Edelmann, ein gemeiner Edelmann, der keine andere als adelige
Würde hat. Eine schlechte Mahlzeit, von geringem Werthe. Jetzt hüthe ich um
schlechten Lohn hier diese Ziegen, Geßn. Eine schlechte Besoldung. Um der
Zweydeutigkeit mit der folgenden Bedeutung willen, kann es bey einem
unbehuthsamen Gebrauche auch hier leicht Mißdeutung verursachen. Indessen ist
es in diesem Verstande im gemeinen Leben am üblichsten. 3. Einen völligen
Mangel an den nöthigen und verlangten Eigenschaften habend und darin gegründet.
Man siehet es hier gemeiniglich als eine fortgesetzte Figur der vorigen
Bedeutung an; allein es scheinet vielmehr eine eigene Classe von Bedeutungen
auszumachen, welche von schlagen, so fern es auch verwunden und verletzen
bedeutet, abstammet, indem die meisten ähnlichen Wörter auf ähnliche Art
gebildet sind. Schlecht würde also eigentlich durch eine erlittene Verletzung
zu seiner Absicht und Bestimmung untauglich bedeuten, und mit dem Nieders.
leeg, schlecht, schlimm, böse, und dem Schwed. Lack, ein Mangel, Fehler,
verwandt seyn, welche auf ähnliche Art von lachen, verwunden, verletzen,
abstammen, obgleich das Nieders. leeg auch die Ableitung von leg, niedrig,
verstattet. 1) Überhaupt, der verlangten, der Absicht und Bestimmung gemäßen
Beschaffenheit beraubt und darin gegründet; wo es in den meisten Fällen dem gut
entgegen gesetzt ist, und auch eben dieselben Unterabtheilungen leidet, (
S. Gut I.) Schlechter Wein, schlechtes Bier, schlechtes
Brot. Schlechtes Gold. Ein schlechtes Zimmer, ein schlechtes Haus. Die letzte
Messe war sehr schlecht. Schlechtes Wetter, unangenehmes, nicht so wie man es
wünschet. Die schlechteste Waare. Das sind schlechte Ursachen, schlechte
Entschuldigungen. Es hat noch ein schlechtes Ansehen dazu. Die Zeiten werden
immer schlechter. Das ist ein schlechter Trost. Ein schlechter Bezahler, der
nicht so bezahlet, als es sich gebühret. Jemanden schlecht empfangen,
bewirthen. Sich schlecht verhalten. Schlecht bestehen. Ein schlechtes Gedicht.
Es gehet ihm schlecht. Ich weiß es ihnen schlechten Dank. Dabey komme ich
schlecht zurechte. Eine schlechte Meinung von jemanden haben. 2) In einigen
engern Bedeutungen. (a) Von einem Kranken der sich sehr krank befindet, von
welchem wenig Hoffnung übrig ist, sagt man, er befinde sich schlecht. (b) In
Ansehung des Vermögens und des Nahrungszustandes stehet jemand schlecht, (im
gemeinen Leben ist jemand schlecht,) wenn er allem Anschein nach nicht im
Stande ist, seine Schulden zu bezahlen. Die Handlung steht schlecht, eine
schlechte Handlung. (c) Zuweilen wird es auch für niederträchtig gebraucht. Ein
schlechter Mensch. Schlecht denken, handeln. Schlecht mit jemanden umgehen.
Schlechte Reden führen. Anm. Im Nieders. sligt, im Schwed. slät, im Engl.
slight, im Ital. schietto. Es stammet in allen seinen Bedeutungen ohne Zweifel
von schlagen ab. Ehedem hatte man von diesem Beyworte das Hauptwort die
Schlechte, so wohl die schlechte Beschaffenheit in allen obigen Fällen zu
bezeichnen, da es denn auch von Billigkeit, Güte, Sanftmuth, Schmeicheley u. s.
f. gebraucht [
1513-1514] wurde, als auch eine Ebene, eine
Fläche, in der zweyten Hauptbedeutung des Beywortes. Worold Slihti, die Fläche
der Welt, Ottfr. Jetzt ist dieses Hauptwort, den folgenden Gebrauch etwa
ausgenommen, veraltet. Im gemeinen Leben höret man von der schlechten
Beschaffenheit zuweilen die Schlechtigkeit; der anständigen Sprechart würde
Schlechtheit angemessener seyn, obgleich solches nicht allgemein üblich ist.
[
1513-1514]