* Das Ding
, des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort,
welches aber ehedem von einem großen Umfange war, und noch in
verschiedenen Provinzen so wohl Ober- als Niederdeutschlandes üblich ist,
daher dessen Bedeutungen ein wenig genauer erwogen werden müssen. Es
bedeutete,1. Eine Rede, ein Gespräch. Daß dieser Gebrauch im
Deutschen der erste und ursprüngliche sey, behauptet Wachter, mit vieler
Wahrscheinlichkeit, worin ihm auch Ihre beypflichtet. Von dieser nunmehr ganz
veralteten Bedeutung finden sich in den ältern Denkmahlen noch
häufige Beyspiele.
Zelit thir iz LucasVuas iro thing thar tho uuss,
Lucas erzählet dir, was damahls ihr Gespräch war,
Ottfried B. 3, Kap. 13, V. 105. Ein Dinch Gotes Fater Daz Dinch noli ieo ana
uuas, daz ift sin Sun. Das Wort Gottes des Vaters. Dieses Wort war im Anfange
das ist sein Sohn, Notker Pf. 21, V. 7.
Vntar uuorton managen Joh thingon filu hebigen,
[
1495-1496] unter mancherley Worten und
wichtigen Gesprächen, Ottfr. B. 3, Kap. V. 2.
Manota er sie tho alles Thes ererin thinges,
da erinnerte er sie an das ganze vorige Gespräch, B. 5,
K. 11, V. 90. Und so an andern Orten mehr.
S. Dingen 1.2. Besonders, ein feyerliches Gespräch,
und die Versammlung zu demselben, und in weiterer Bedeutung eine jede
Zusammenkunft. So wohl, 1) eigentlich, von welcher Bedeutung sich so wohl in
den mittlern, als auch spätern Zeiten gleichfalls häufige Beyspiele
finden. Brahten sia in thaz thing, stelleten sie in die Versammlung, Ottfr. B.
3, Kap. 17, V. 17 u. Kap. 20. V. 108, nennet er das Synedrium der Juden ein
Thing. Concilio populorum communi, quod ab ipsis (Sueonibus) Worph, anobis
Thinc vocatur; Adam von Bremen. Als auch 2) figürlich, was in einer
solchen feyerlichen Unterredung beschlossen wird, eine Bedingung, ein Vertrag,
in welcher Bedeutung so wohl Ding, als auch Geding, selbst von besondern Arten
der Verträge, z. B. einem Heirathsvertrag, einer Leihe, Lehnung, Miethe,
Schenkung, Anwartschaft u. s. f. sehr häufig war. Omne Thinx, quod est
donatio, heißt es in dem Longobardischen Gesetze.3. Ein Gespräch, in
welchem man streitet, ein Wortwechsel, besonders ein Wortwechsel vor Gerichte,
und figürlich auch eine streitige Sache, eine Rechtssache, ein
Prozeß. Auch von diesem veralteten Gebrauche finden sich in den
ältern und mittlern Zeiten häufige Beyspiele. In den Monseeischen
Glossen ist Dinch eine Rechtssache, und Notker gebraucht Dingstrit in eben dem
Verstande. Im Angels. ist Thing gleichfalls ein jeder Streit, besonders ein
gerichtlicher.4. Eine gerichtliche Versammlung, ein Gericht, und der Ort, wo
dasselbe gehalten wird. Diese Bedeutung findet sich von den ältesten
Zeiten an. Schon in dem Galischen Gesetze ist Thenca ein Gericht. Ottfried
nennet ein Blut- oder Criminal-Gericht notlich Thing, und das jüngste
Gericht Thing filu hebigas. Gebothen Ding ist in den spätern Zeiten eine
ordentliche, ungebothen Ding aber eine außerordentliche
Gerichtsversammlung.
S. Bothding. Obgleich im Hochdeutschen auch diese
Bedeutung veraltet ist, so ist sie doch in vielen Provinzen hin und wieder
gänge und gebe. Zu Breslau theilen sich die Stadtgerichte in das
große und in das kleine Ding, d. i. in das Ober- und Untergericht. Daher
die noch hin und wieder übliche Redensart, das Ding hegen, Gericht halten.
Sich vor gehegtem Dinge und an gewöhnlicher Gerichtsstelle einfinden. Am
häufigsten kommt dieses Wort noch in einigen Niedersächsischen
Gegenden, z. B. in Schleßwig, Hollstein u. s. f. vor, wo das Ding, oder
das Ding und Recht, das Gericht in bürgerlichen Sachen ausdruckt. In
diesen und andern Gegenden sind zum Theil auch noch die Zusammensetzungen
Bürgerding, Vogtding, Dreyding, Meierding, Freyding u. s. f. üblich,
besondere Arten der bürgerlichen Gerichte auszudrucken.
S. auch die folgenden Zusammensetzungen, welche im
Hochdeutschen gleichfalls veraltet, in einigen Provinzen aber noch jetzt
üblich sind. Das Angelsächs. Ding, das Holländ. Ding, das
Schwedische Ting, und das Dänische Thing haben gleichfalls die Bedeutung
eines Gerichtes.Anm. Sollte Ding in dieser letzten Bedeutung eine mehr als
zufällige Verwandtschaft mit dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Gericht, und dem Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , richten, vor Gericht streuen, dingen, -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , ein Rechtshandel, und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein
Richter, haben? so würde es eines der ältesten Wörter in der
Deutschen Sprache seyn. Bey dem Ottfried und dessen Zeitgenossen kommt Ding und
Geding auch häufig für Hoffnung, und dingen für hoffen vor; eine
Bedeutung, derenVerwandtschaft mit den vorigen ein wenig schwer zu entwickeln
seyn möchte.2. [
1497-1498]