3. Der Schauer
, [
1381-1382] des -s, plur. ut nom. sing.
welches mit dem vorigen Eines Geschlechtes ist, aber noch in mehr eigentlicher
Bedeutung gebraucht wird. Es bezeichnet eine schnell vorüber gehende,
gemeiniglich zitternde oder doch rauschende Bewegung, deren Laut es
eigenthümlich nachahmet und wird noch in folgenden Fällen gebraucht. 1) Ein
schnell vorüber gehender Sturm, ein schnell vorüber gehender Platzregen oder
Hagel, eine vorüber gehende Erschütterung der Erde, wird noch häufig ein
Schauer genannt. Skura windis ist schon bey dem Ulphilas ein Windsturm, und
Jeroschin nennet eine vorüber gehende Erschütterung der Erde einen Schauer. Am
üblichsten ist es von einem vorüber gehender Platzregen oder Hagel, welche man
so wohl einen Schauer schlechthin, als auch einen Regenschauer, einen
Hagelschauer nennet. Der Schaur heißt im andern Teutsch der Hagel, Buch der
Natur von 1483.
Eben hatte der weichende Winter von stürmischer Schwingen
Seine letzten Spure (Schauer) von rieselndem Hagel geschüttelt, Zachar.
Im Nieders. Schuur, im Angels. Scur, im Engl. Shower, im
Schwed. Skur, alle entweder von einem Platzregen, oder von einem Hagel. Das
Nieders. Schuur bedeutet auch eine dunkle Regen- oder Gewitterwolke, wo aber
auch der Begriff der Dunkelheit, des Schattens, Statt findet. Im Tatian heißt
Scouwen der Schatten. 2) Eine schnell vorüber gehende Erschütterung der Haut,
dergleichen man bey einem plötzlichen Anfalle der Kälte, bey einem hohen Grade
des Schreckens, des Abscheues, der Angst u. s. f. empfindet. Es läuft mir ein
Schauer über die Haut. Der Schauer kommt mich an. Überläuft sie nicht ein
Schauer bey diesen Frechheiten?
Der Schauer, welcher mich mit kalter Angst durchläuft, Weiße.
Schon bey dem Stryker ist Schawr Schrecken, Horror, welches
letztere selbst hierher gehöret, indem ihm nur der Zischlaut mangelt. Ein
höherer Grad des Schauers heißt Schauder, vermittelst des intensiven d, und in
Franken hat man das noch mehr verstärkte Schütter für Schauder und Schauer. Oft
ist der Schauer eine Wirkung des höchsten Grades der Ehrfurcht, der mit einer
Art von Furcht und Schrecken verknüpften Empfindung der Größe, der Majestät,
daher es bey den Dichtern häufig für diese Empfindungen gebraucht wird.
Ein mächt'ger Schauer rauscht Durch das erschrockne Thal, in
dem kein Waldgott lauscht, Cron. O, senkt euch herab von rauschenden Wipfeln,
Heilige Schauer, die ganz die Seele des Dichters empfindet! Zachar.
Wo sich aber der Begriff der feyerlichen Stille mit
einschleicht, welche eine Figur der vorigen Bedeutung der Bedeckung seyn kann.
3) Eine jede schnell vorüber gehende mit einer Art eines Rauschens verbundene
Veränderung. Ein Fieberschauer, ein Fieber-Paroxismus. Im Niederdeutschen heißt
der Anfall der Epilepsie der Schauer, welchen Nahmen daselbst auch ein jeder
vorüber gehender Anstoß, ja eine jede Zwischenzeit bekommt. Seinen tollen
Schauer haben, seinen gewöhnlichen Anfall von Raserey. Der schlafende Schauer,
der Anfall der Schlafsucht, der weinende Schauer, der Anfall der Lust zu weinen
u. s. f.
S. das Bremisch-Niedersächsische Wörterbuch. Anm.
Gleichfalls vermittelst der Endsylbe -er von schauen, so fern es ursprünglich
eine schnelle gelinde rauschende Bewegung bezeichnet, deren verstärkte Grade
durch schauden, scheiden, schütten, und zitternde Abänderung durch schauern,
schäuern, schaudern, schüttern, schütteln u. s. f. ausgedruckt werden.
S. Schauen Anmerk. und Schauder.
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1383-1384]