Recht
, [
997-998] adj. welches so wie das vorige
Nebenwort gleichfalls nicht compariret wird, und in einer doppelten
Hauptbedeutung üblich ist. 1. Die rechte Hand, diejenige, welche gemeiniglich
am stärksten, zu den Verrichtungen am geschicktesten ist, und daher auch zu den
Handarbeiten am meisten gebraucht wird; im Gegensatze der linken Hand. Daher
auch alles, was sich an dieser Seite des menschlichen Leibes, und figürlich
auch an den thierischen Körpern befindet mit diesem Beyworte bezeichnet wird.
Die rechte Seite, das rechte Auge, der rechte Fuß. Ingleichen was sich auch
außer dem menschlichen Körper auf dieser Seite befindet. Der rechte Flügel
einer Armee, im Gegensatze des linken. Rechter Hand, d. i. zur rechten Hand,
auf die Seite, nach der Richtung der rechten Hand. Sich rechter Hand wenden.
Das Dorf liegt rechter Hand. Einen Weg rechter Hand liegen lassen. Jemanden die
rechte Hand lassen, ihn oben an, zur rechten Hand gehen lassen. Jemandes rechte
Hand seyn, figürlich, ihm mit Rath und That unentbehrliche Dienste leisten. Die
rechte Hand, oder Rechte Gottes, in der Deutschen Bibel, dessen unmittelbare
Macht. Auch in der höhern Schreibart wird das Beywort in Gestalt eines
Hauptwortes gebraucht, die Rechte für die rechte Hand. So bald der Speer der
schrecklichen Minerva seine Rechte füllte, Ramml. Im Oberdeutschen ist auch
dafür gerecht üblich. Und trat gleich darein mit dem gerechten Fueßlein sein,
Theuerd. Kap. 63. Das Nebenwort von recht in dieser Bedeutung lautet rechts,
S. dasselbe. Es hat alles Ansehen, daß recht in dieser
Bedeutung nicht unmittelbar von der folgenden Bedeutung des gerade, der
Richtung nach, oder einer ihrer Figuren abstammet, sondern zu rechen, reichen,
in der weitesten Bedeutung der Bewegung, oder auch des Darreichens, an sich
Nehmens u. s. f. gehöret, weil die rechte Hand zu diesen und andern ähnlichen
Handlungen am häufigsten gebraucht wird. Das Lat. dexter leidet eine ähnliche
Ableitung von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , zeigen, -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , das Zeichen, der Beweis, und unserm
Intensivo zeichnen, Nieders. tekenen, Angels. taecan, bey dem Ulphilas taiknan.
In unsern alten Oberd. Schriftstellern kommt für recht in dieser Bedeutung
beständig zesun, zeso, zeswa, zeseswa, zeschwa u. s. f. vor, und es scheint in
dieser Bedeutung in einigen Oberdeutschen Gegenden noch üblich zu seyn. So viel
ich weiß, hat noch niemand dessen Ableitung versucht; allein, wenn man erwäget,
daß dieses Wort bey dem Ulphilas taihswo lautet, und daß s und t in den
Mundarten beständig in einander übergehen, wie auch hier aus dem Hochd.
zeichnen und Niederd. tekenen erhellet, so siehet man bald, daß es mit diesen
Wörtern gleichfalls zu dexter, -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , u. s. f. gehöret. In den gemeinen Sprecharten sagt man für
rechter Hand oder zur rechten Hand, von der Hand, von sich, im Gegensatze des
zu der Hand, zu sich, d. i. linker Hand.
S. auch Link. 2. Gerade, so wie das Nebenwort recht,
Lat. rectus, Ital. retto und mit vorgesetztem d dritto, Franz. droit. Im
Hochdeutschen ist es im eigentlichen Verstande auch hier veraltet; aber in
einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man noch eine rechte Linie, für eine
gerade. Indessen stammen von dieser eigentlichen Bedeutung noch verschiedene
figürlich ab, von welchen einige auch zu der vorigen ersten Bedeutung gehören
können. Überhaupt scheinen sich alle diese figürlichen Bedeutungen, so wie bey
dem Nebenworte, auf den Begriff der Gemäßheit, der Übereinstimmung, zu gründen,
und nur in Ansehung des Gegenstandes derselben verschieden zu seyn. Merkwürdig
ist indessen, daß das Bey- und Nebenwort hier nicht allemahl in einerley Fällen
gebraucht werden, ob sie gleich in einigen zusammen treffen. Ohne Zweifel ist
hiervon noch derjenige Gebraucht ein Überbleibsel, da man einen von einer
perpendiculären auf einer horizontalen Linie gemachten Winkel, oder einen
Winkel von 90 Graden, einen rechten Winkel, angulum rectum, zu nennen pflegt,
im Gegensatze eines schiefen Winkels. 1) In Ansehung der Richtung, so wie das
Nebenwort; doch hier auch nur in den Zusammensetzungen scheitelrecht,
wagerecht, senkrecht, wasserrecht u. s. f. Wo es im Nothfalle auch die
Comparation leidet. [
999-1000] 2) Dem körperlichen
Umfange nach; doch nur in einigen gemeinen Sprecharten, wofür im Hochdeutschen
gerecht vorkommt. Ein rechtes Kleid, ein gerechtes. Ein in alle Sättel rechter,
gerechter Mann.
S. Gerecht. 3) Mit der Sache selbst genau überein
stimmend, wie das Nebenwort recht 2. 4). (a) In mehr eigentlichen Verstande, wo
es für wahr, im Gegensatze des falsch, gebraucht wird, aber in dieser Bedeutung
doch nur im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart gangbarer ist,
als in der edlen und anständigen Schreibart. Der rechte Gott, besser der wahre,
im Gegensatze falscher Gottheiten. Die rechte Bedeutung eines Wortes, die
wahre. Es ist mein rechter Ernst. Der rechte Glaube, der wahre. Warum tadelt
ihr die rechte Rede? Hiob. 6, 25. Eine Sache aus dem rechten Gesichtspuncte
ansehen. Der rechte Erbe, im Gegensatze des falschen, angeblichen Erben.
Klugheit ist das rechte graue Haar, Weish. 4, 9; welches ganz etwas anders ist
als recht graues Haar, (
S. das Nebenwort Recht 2. 4) (c) Den rechten Grund
wissen wollen. Da nennt man doch ein Verbrechen bey seinem rechten Nahmen,
Weiße. Eine Stelle im Zuchthause muß dagegen eine rechte Glückseligkeit seyn,
Gell. Der rechte Vater, die rechte Mutter, der rechte Bruder, die rechte
Schwester, im Gegensatze des Stiefvaters, der Stiefmutter u. s. f. rechte
Kinder, leibliche Kinder, im Gegensatze der Stiefkinder. Im einem andern
Verstande sind rechte Kinder rechtmäßige, eheliche; da gehöret es aber zur
folgenden sechsten Bedeutung. (b) Nach einer noch weitern Figur bekommt das
Beywort, so wie das Nebenwort, sehr oft eine intensive Bedeutung, für
vorzüglich, groß u. s. f. in welchem Verstande es aber auch nur in der
vertraulichen Sprechart üblich ist. Das ist eine rechte Plage, eine wahre,
große Plage. Das ist ja eine rechte Hofsprache, Gell. Ich habe noch nicht
rechte Lust zu geben. Ich habe eine rechte Freude darüber. Er ist ein rechter
Narr. Er ist ein rechter Medicus, ein überaus geschickter. Welche eine
gräuliche und rechte Nacht war, Weish. 17, 14. Das war ein rechter Lärm. Nun
geht erst die rechte Schwierigkeit an.
Der Teufel! seht, das war ein rechtes Rad, Gell. Das war ein
rechter Staar, ich hatt' ihn aufgezogen, ebend.
Da es denn im ironischen Verstande auch ohne Hauptwort
gebraucht wird. Du bist mir auch der rechte. Er ist der rechten einer. Da sind
sie zum rechten gekommen. Ihr seyd die rechten. Wenn es aber im ungewissen
Geschlechte als ein Hauptwort gebraucht wird, so bedeutet es, doch immer noch
im gemeinen Leben, etwas Vorzügliches, Wichtiges. Er hat was Rechtes gelernet.
Wir haben was Rechtes gelacht, gar sehr. Das wäre auch was Rechtes! Sie wissen
doch nichts Rechtes mit dem Briefe anzufangen. Es ist nichts Rechtes, niemand
von Bedeutung. 4) Der Vollkommenheit gemäß; wo es nur in einigen gemeinen
Sprecharten für echt, im Gegensatze des falsch oder unecht, gebraucht wird.
Rechte Perlen, echte, wahre. Rechtes Gold, echtes. 5) Dem Endzwecke, der
Absicht, der Bestimmung, den Umständen gemäß, im Gegensatze des unrecht. Das
sind nicht die rechten Mittel. Den rechten Weg gehen. Das ist nicht der rechte
Schlüssel. Die rechte Seite eines Tuches, im Gegensatze der unrechten. Etwas an
dem rechten Orte angreifen. Zur rechten Zeit kommen. Vor die rechte Schmiede
gehen. Die rechte Weite, Größe, Höhe haben. Ein Ding liegt an seiner rechten
Stelle, an seinem rechten Orte, der ihm zukommt,
[
1001-1002] oder der unserer Absicht nach der bequemste
ist. Der rechte Gebrauch der Sache, der ihrem Zwecke gemäß ist. Ihm stehet das
Maul auf dem rechten Flecke, in der niedrigen Sprechart. Die Wissenschaft zu
rechter Zeit ein Thor zu seyn, ist noch die einträglichste unter allen.
Ruh' etwas aus und iß dich satt, Und warte bis dein Fuß die
rechten Kräfte hat, Gell.
6) Dem Gesetze gemäß, für rechtmäßig, doch in den meisten
Föllen auch nur im gemeinen Leben. Die rechte Frau, die eheliche, im Gegensatze
einer Beyschläferinn. Rechte Kinder, eheliche, im Gegensatze unehelicher. Das
gehet nicht mit rechten Dingen zu, nicht auf eine rechtmäßige, erlaubte Art,
nicht durch rechtmäßige Mittel. Rechte Wage, rechte Pfunde, rechte Scheffel,
rechte Kannen sollen bey euch seyn, 3 Mos. 19, 36; im Gegensatze der falschen.
Zu rechter Vormittagszeit vor. Gerichte erscheinen, in der Gerichtssprache, zu
der gehörigen, in den Rechten bestimmten. In noch weiterer Bedeutung wurde es
ehedem auch für gerecht gebraucht, in welcher im Hochdeutschen veralteten
Bedeutung es noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Ein rechtes Gericht, 5 Mos.
16, 18. Der rechte Richter, Ps. 7, 12; Ps. 9, 5. Eine rechte Sache, Richt. 15,
3. Siehe die Anmerkung zu dem folgenden Hauptworte Recht.
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1001-1002]