Das Recht
, [
999-1000] des -es, plur. die -e, der
Zustand, da etwas recht ist, und dasjenige was recht ist, doch nur in einigen
Bedeutungen dieses Bey- und Nebenwortes. 1. Der Zustand, als ein Abstractum. 1)
Der Zustand, da jemandes Worte oder Handlungen mit der Sache selbst, mit der
Wahrheit überein stimmen; doch nur in einigen R. A. und ohne Plural so wohl als
ohne Artikel. Sie haben recht, sagt man, wenn man zu erkennen geben will, daß
jemand die Wahrheit sage; bedeutet es aber so viel, daß jemandes Worte oder
Handlungen dem Gesetze, der Vorschrift, der Billigkeit u. s. f. gemäß seyn, so
gehöret es zur folgenden sechsten Bedeutung. Einem Recht geben, gestehen, daß
er die Wahrheit rede, und in engerer Bedeutung, gestehen, daß seine Worte,
seine Handlungen mit den Gesetzen, mit der Klugheit u. s. f. überein stimmen.
Recht behalten, andern das Zeugniß abzwingen, daß man Recht habe. Einem Recht
lassen, zugeben, daß er Recht behalte. Tochter, du hast sehr Recht, Gell. du
sagest vollkommen die Wahrheit. Sie haben Recht, wenn sie sagen, daß er ihrer
Wohlthaten unwürdig ist. Viele schreiben es in diesen Fällen mit einem kleinen
r, als wenn es das Nebenwort wäre; allein das Hauptwort wird bey einer genauern
Untersuchung immer mehr Gründe für sich haben. 2) * Die echte Beschaffenheit
eines Dinges, im Gegensatze der verfälschten; eine völlig ungewöhnliche
Bedeutung, zu welcher nur das Licht und Recht, 2 Mos. 28, 30 gehöret, worunter
glänzende und echte Steine verstanden werden.
S. das Beywort Recht 2. 4). 3) In gewöhnlicherer
Bedeutung, das moralische Vermögen, etwas zu thun, zu lassen, und von dem
andern zu fordern; wo auch der Plural Statt findet, so fern dieses Vermögen in
Ansehung mehrerer Gegenstände betrachtet wird. (a) Im weitesten Verstande,
dieses Vermögen gründe sich worauf es wolle. Du hast kein Recht, so mit mir
umzugehen. Habe ich nicht das Recht zu Hause zu bleiben? Sich sein Recht nicht
nehmen lassen. Sein recht vergeben, die Ausübung dieses Vermögens unterlassen.
Von Rechts wegen, Kraft eines Befugnisses. Ich thue es mit allem Rechte, mit
gutem Fug und Recht. Das Recht des Stärkern, welches sich auf überlegene
physische Macht gründet, und das allgemeine Recht der Natur ist. Das
Convenienz-Recht, das Befugniß, dasjenige zu thun, was uns am vortheilhaftesten
ist. Ein Recht über etwas haben, die Herrschaft und das Eigenthum über eine
Sache, welche man wirklich besitzet. Ein Recht auf oder an etwas haben, das
Befugniß des Eigenthums über eine Sache, welche man nicht unmittelbar besitzet,
ingleichen das Befugniß, etwas von einem andern zu fordern. Wenn ich mich
jemahls wieder zur Liebe entschließe, so haben sie das erste Recht auf mein
Herz, Gell. Bedenke was für Recht er durch seine Wohlthaten auf dein Hetz hat.
Die Rechte des Blutes, die in der Blutsfreundschaft gegründeten Befugnisse. Das
Recht des Herkommens, das in einer langen Gewohnheit gegründete Befugniß. Das
Recht, Privilegia zu ertheilen.
S. auch Vorrecht. (b) In engerer Bedeutung, ein in den
Gesetzen gegründetes Befugniß, ein in denselben gegründeter Anspruch. Das
schwächt dein Recht. Das Recht ist auf meiner Seite. Der Richter beuget das
Recht, wenn er dieses Befugniß vorsetzlich verletzet. Jemanden zu seinem Rechte
verhelfen. Die wildesten Völker halten das Recht der Ehe für ein heiliges
Recht, Wider Recht und Billigkeit. Jemand bey seinem Rechte schützen. 2. Als
ein Concretum. 1) Ein Gesetz, die Richtschnur menschlicher Handlungen. (a)
Eigentlich; eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. So werden die
Gebothe oder Gesetze Gottes in der Deutschen Bibel sehr oft die Rechte Gottes
genannt. In den Rechten ist versehen, verordnet. Die Rechte bringen es so mir
sich. Sich den Rechten widmen. Den Rechten obliegen. Von Rechts wegen, Kraft
der Gesetze. (b) In weiterer Bedeutung. (aa) Objective, die Sammlung, der
Inbegriff der Gesetze Einer Art; wo es als ein Collectivum, bald im Singular
allein, bald aber auch im Plural allein gebraucht wird. Das göttliche Recht,
der Inbegriff der göttlichen Gesetze. Das geistliche, päpstliche oder
canonische Recht. Das bürgerliche Recht. Das Völkerrecht, das Naturrecht, das
Staatsrecht, das Lehenrecht. Das gemeine oder Deutsche Recht, im Gegensatze des
Römischen Rechtes. Etwas mir Bestand Rechtens behaupten, so daß er aus den
Gesetzen erwiesen werden kann, (
S. die Anm.) (bb) Subjective, die wissenschaftliche
Kenntniß der Gesetze, die Wissenschaft von dem Verhältnisse der Handlungen
gegen die Gesetze; die Rechtswissenschaft. Das Römische Recht studieren,
verstehen. Sich der Rechte befleißigen. Beyder Rechte Doctor, des geistlichen
und bürgerlichen Rechtes. Ein öffentlicher Lehrer beyder Rechte. 2) * Ein zu
Handhabung der Gesetze verordnetes Collegium, ein Gericht; in der Monseeischen
Glosse Reht, im Nieders. Recht. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung
veraltet, aber noch nicht in einigen provinziellen Sprecharten. Recht sitzen,
in den Bremischen Statuien, Gericht hegen. Vor recht erscheinen. Jemanden vor
Recht fordern. Zu Recht stehen. Jemanden zu Recht antworten. Ein zu Recht
beständiger Vortrag, der vor Gericht gültig ist. Zu Recht gehen. Das Landrecht
in Böhmen, das Landgericht. 3) Das gerichtliche Verfahren, der Prozeß; auch nur
noch in einigen Gegenden, und ohne Plural. Das Recht fliehen, den Prozeß. Den
Weg Rechtens ergreifen, das gerichtliche Verfahren, wo Rechtens der alte
Oberdeutsche Genitiv ist, (
S. die Anm.) Etwas durchs Recht erhalten. 4) Die
pflichtmäßige Handhabung der Gesetze; ohne Plural und nur noch in einigen
Fällen. Es müßte kein Recht mehr in der Welt seyn. Das recht verzögern.
Jemanden das Recht versagen. [
1003-1004] 5) Das in den
Gesetzen gegründete Urtheil, der Ausspruch eines Richters oder Gerichtes; auch
nur noch in einigen Gegenden, und in einigen Fällen. Der Richter spricht den
Parteyen Recht. Nach Urtheil und Recht. Das Recht scheidet wohl streitende
Parteyen, aber es stiftet keine Freundschaft. 6) Alles dasjenige, was man
vermöge eines Gesetzes von andern zu fordern befugt ist, worauf man ein Recht,
ein in den Gesetzen gegründetes Befugniß hat. (a) Eigentlich. Dieses Haus hat
das Recht, daß ihm niemand das Licht verbauen darf. Jemanden zu seinem Rechte
verhelfen. Ehedem wurden auch die Einkünfte und Abgaben sehr häufig Rechte
genannt. (b) In weiterer Bedeutung, alles was in den Gesetzen verordnet, in
denselben gegründet ist; ohne Plural. Jemanden sein Recht widerfahren lassen,
ihm sein Recht thun, gemeiniglich nur noch, ihm die in den Gesetzen verordnete
Strafe widerfahren lassen. Es ist Rechtens, daß u. s. f. es ist in den Gesetzen
verordnet, (
S. die Anm.) Gnade für Recht ergehen lassen, anstatt der
in den Gesetzen verordneten Strafe. Im Schwedischen ist Rätt die Lebensstrafe.
Hier geht Gewalt für Recht. Jemanden Recht verschaffen. Anm. Schon bey dem
Kero, Ottfried und andern Reht, im Niederdeutschen gleichfalls Recht, im
Angels. Riht, im Engl. Right im Schwed. Rätt. Das Lat. rectus ist mit seinem
Geschlechte auf das genaueste damit verwandt. Ehedem hatte das Hauptwort Recht
im Deutschen noch weit mehrere Bedeutungen, welche zum Theil in einigen
Sprecharten, so wie in den Gerichten mancher Gegenden, noch nicht ganz veraltet
sind. Ottfried und Kero gebrauchen es sehr häufig für Gerechtigkeit,
Billigkeit. Im Niedersächsischen und Schwedischen, bedeutet es auch den Ew. Da
mehrere Zeitwörter, welche ursprünglich Nachahmungen des Schalles sind, auf
dieses Wort so wohl als auf das Bey- und Nebenwort Anspruch machen können, so
ist es schwer, den ersten ursprünglichen Begriff in diesem so alten und so
wenig veränderten Worte mit Gewißheit zu bestimmen. Wenn in dem Bey- und
Nebenworte, wie es sehr wahrscheinlich ist, der Begriff der geraden Richtung
der herrschende ist, so stammet es ohne Zweifel von reichen ab, (
S. Gerade, dessen letzte Hälfte gleichfalls hierher
gehöret;) und von diesem Begriffe der geraden Richtung lassen sich die
meisten übrigen sehr bequem als Figuren herleiten. Bey dem Kero ist Rehtung die
Regel, Richtschnur, Regula. Sollte aber das Hauptwort, wie nicht
unwahrscheinlich ist, zunächst von rechen, reden, sprechen, und dessen
Intensivis oder Iterativis rechnen, und rechten abstammen, so würde die
Bedeutung eines Urtheilspruches, eines Rechtshandels u. s. f. eine der ersten
seyn. Vielleicht stammen auch einige Bedeutungen von diesem Zeitwort, und
andere von reichen und dessen Intensivo richten ab. In dem Worte Rede, und
dessen Zusammensetzungen redlich u. s. f. kommen fast eben diese Bedeutungen
vor welche unser Recht hat, zum deutlichen Beweise, theils eines ähnlichen
Ganges der Begriffe, theils aber auch einer gemeinschaftlichen Abstammung.
S. Rechten und Richten. Die mittlere Oberdeutsche
Mundart, welche noch jetzt in vielen Gegenden Oberdeutschlandes üblich ist,
hänget diesem Worte in der Declination ein n an: des Rechtens, dem Rechten, u.
s. f. Daher rühren denn auch die im Hochdeutschen aus dem Oberdeutschen
beybehaltenen Formen, den Schein Rechtens haben, des Rechtes, den Weg Rechtens
ergreifen, das ist Rechtens, in den Gesetzen, in den Gebräuchen eines Gerichtes
gegründet, beyder rechten Doctor u. s. f. [
1003-1004]