Öffnen
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587-588] verb. reg. act. offen machen,
d. i. aufmachen, machen, daß andere Dinge freyen Aus- oder Zugang zu einem
eingeschlossenen Raume bekommen. 1. Eigentlich, wo dieses Wort von einem weiten
Umfange der Bedeutung ist, und alle die besondern Arten unter sich begreift,
wodurch andern Dingen der Zugang zu einem eingeschlossenen oder verschlossenen
Raume verschaffet wird, und welche man sonst durch aufmachen, aufthun,
aufschließen, aufschneiden, aufgraben, aufbrechen u. s. f. ausdruckt. Zugleich
ist es edler als die meisten dieser Zeitwörter, und wird daher vornehmlich in
der edlen und anständigen Schreibart gebraucht. Eine Bouteille öffnen, durch
Ausziehung des Stöpsels. Die Thür öffnen, so wohl durch Aufschließung des
Schlosses, als auch indem man sie aufsperret. Die Fenster öffnen. Einen Brief
öffnen, ihn aufsiegeln. Ein Packet öffnen, es aufbinden, aufschneiden,
aufbrechen. Die Augen öffnen, sie aufmachen, aufthun, aufschlagen. Ein Grab
öffnen, durch Wegnehmung der Bedeckung; ingleichen es machen, verfertigen. Die
Laufgräben öffnen, sie durch Graben verfertigen. Ein Buch öffnen, es
aufschlagen, aufmachen. Jemanden eine Ader öffnen, ihm die Ader schlagen. Ein
Geschwür öffnen, es aufschneiden, aufmachen. Einen todten Körper öffnen, ihn
aufschneiden. Ein Schloß öffnen, es aufschließen. Der Himmel öffnet sich, thut
sich auf. Die Erde öffnet sich, wenn sie sich aufthut, d. i. einen
beträchtlichen Riß bekommt. In einem andern Verstande öffnet sich die Erde im
Frühlinge nach dem Froste, wenn die Dünste und fruchtbaren Ausflüsse
ungehindert aus derselben aussteigen können. Die Blume öffnet sich, wenn sie
sich ausschließt. Weiß und unschuldig wie die Lilie, wenn sie am Morgenroth
sich öffnet, Geßn. Den Leib öffnen, den Ausleerungen den nöthigen ungehinderten
Ausgang verschaffen. 2. Figürlich. 1) Den freyen Zugang zu etwas, den freyen
Genuß, Gebrauch einer Sache verschaffen und verstatten. Die Stadt öffnete dem
Überwinder die Thore, ließ ihn ungehindert einziehen. Die Magazine öffnen, das
darin befindliche Getreide, jedem der es braucht, verkaufen. Das Feld, die
Wiese, einen Wald öffnen, Erlaubniß ertheilen, sie mit dem Viehe zu betreiben,
(
S. Offen.) Das bescheidene Verdienst öffnet sich den
Zutritt bey den Hohen und Niedrigen zugleich, Gell. Sich durch Ungestüm und
Wuth die Bahn der Ungebundenheit öffnen, ebend. Welches Feld von Tugenden
öffnet nicht bloß die gemeinschaftliche Erziehung ihrer Kinder! ebend. Ihm
öffnete sein hoher Stand ihr Haus, ebend. 2. Jemanden sein Herz öffnen, ihm
dasselbe entdecken, ihm seine Gedanken und Empfindungen bekannt machen. Da sie
mir ihr Herz so weit geöffnet haben, so sehen sie mich nunmehr vollends als
ihren Vertrauten an, Weiße. Kein einziger öffnete mir sein Herz, Dusch. O, wie
weit hätte mir das alles mein Herz öffnen können! entdecken. 3) Jemanden die
Augen öffnen, ihm Einsicht und Erkenntniß verschaffen, in der Deutschen Bibel
Luc. 24, 45, ihm das Verständniß öffnen. Die Schrift öffnen, erklären; nur in
der Deutschen Bibel, Luc. 24, 45. Ehedem wurde es in noch weiterer Bedeutung
für beweisen, offenbaren, ja für erzählen und bekannt machen überhaupt
gebraucht. Anm. Schon im Isidor, sogar in der letzten figürlichen Bedeutung
offonon, bey dem Ottfried und Willeram offenen, im Angels. openian, im Nieders.
apenen, im Schwed. öpna. Es ist von dem Nebenworte offen, vermittelst der
Endung des Infinitives -en gebildet; öffnen für offenen.
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