Offenbar
, [
583-584] -er, -ste, adj. et adv. 1)
Offen, auf allen Seiten durch nichts eingeschränkt; in welchem Verstande man es
nur noch in dem Ausdrucke die offenbare See gebraucht, das hohe, dem Anblicke
nach auf allen Seiten unbegränzte Meer. 2) * Bloß, unbedeckt; eine gleichfalls
veraltete Bedeutung, in welcher man nur noch in einigen Gegenden, z. B. in der
Lansitz, den Barfrost, d. i. den ohne vorher gegangenen Schnee eintretenden
Frost, einen offenbaren Frost zu nennen pflegt. 3) Von jedermann dafür erkannt.
Es ist eine offenbare Lüge. Die offenbare Wahrheit. Es ist offenbar, daß dieß
schon mehrmahls geschehen ist. Ein offenbarer Feind, im Gegensatze eines
heimlichen oder verborgenen Feindes. Ein offenbares Wunder. Offenbare Sünden,
welche von jedermann für Sünden erkannt werden. Bey dem Menschen waltet
offenbar ein anderes Naturgesetz über die Succession seiner Ideen, Herd. 4) *
Bekannt. Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreuet es, Ps. 119, 130. Vieler
Herzen Gedanken werden offenbar werden, Luc. 2, 35. Denn daß man weiß, daß Gott
sey, ist ihnen offenbar, Röm. 1, 19. In dieser Bedeutung ist es im
Hochdeutschen größten Theils veraltet, ob es gleich noch hin und wieder in den
Kanzelleyen gebraucht wird, wo auch offenkündig für offenbar vorkommt. Der
Thäter ist noch nicht offenbar, noch nicht bekannt. Anm. Bey dem Stryker schon
offenbar, im Nieders. apenbar. Es ist von offen und bar zusammen gesetzet, von
welchen auch ehedem jedes für sich allein für offenbar gebraucht wurde, daher
die Zusammensetzung bloß um des mehrern Nachdruckes willen geschehen zu seyn
scheinet. In dem Isidor und bey dem Ottfried heißt offenbar beständig offen.
Der Regel nach liegt der Ton auf der ersten Sylbe als der Stammsylbe des
Hauptwortes. Allein in der nachdrücklichen Rede legt man ihn oft auf die
Ableitungssylbe bar.