2. Nur
, [
539-540] ein Bindewort, welches im
Deutschen, so wie alle Partikeln dieser Art, von einem vielfachen Gebrauche
ist. Es bedeutet, 1. Eigentlich, eine Ausschließung aller andern Dinge, außer
dem gemeldeten, und zwar 1) Eine bloße Ausschließung, ohne allen Nebenbegriff,
welche wiederum von mehrerer Art ist. (a) Die Ausschließung betrifft entweder
eine größere Menge oder Zahl, da es denn für nicht mehr als, nicht länger als,
nicht öfter als, u. s. f. stehet. Er hatte nur einen einzigen Freund. Gib mir
nur ein wenig davon. Ich habe nur noch zwey Gulden übrig. Es kostet nur zehn
Thaler. Gevatter, nur Ein Wort, mit dem Tone auf dem Ein, dagegen wenn nur, wie
in der folgenden Bedeutung, alles andere außer einem kurzen Gespräche
anschließt, der Ton entweder auf dem nur oder auch auf Wort lieget. Es sind nur
zwey Zimmer ledig. Es ist unwichtig, wenn in einigen Sprachlehren behauptet
wird, nur werde oft zu dem Zahlworte ein gesetzet, um es von dem Artikel zu
unterscheiden. Das Zahlwort ein nimmt diese Partikel nicht mehr und nicht
weniger an, als ein jedes anderes Zahlwort, nähmlich nur dann, wenn eine
größere Zahl ausdrücklich ausgeschlossen wird. Warte nur bis morgen. Nur dieß
Mahl thue es, oder thue es nur dieß Mahl. (b) Oder eine jede andere Sache, als
die gemeldete, für nichts als, allein. Sage ihm nur dieß, weiter nichts als
dieß. Er hatte nur ein Hemd an, weiter nichts als ein Hemd, mit dem Tone auf
dem nur; dagegen der Ton auf ein das Zahlwort bezeichnen, und der ganze
Ausdruck so viel sagen würde, daß er nicht mehr Hemden als Eines angehabt habe.
Nur der Zins macht jährlich hundert Thaler, der Zins allein; der bloße Zins.
Ich will nur essen, will weiter nichts thun als essen. Nein, ich verlange
nichts, du sollst mir nur verzeihen, Gell. Wenn ich entschlief, so traten nur
ängstliche Träume an die Stelle banger Gedanken. Lassen sie mich nur sehen.
Wohin das so gebräuchliche nicht nur - sondern auch gehöret, wofür man auch
nicht allein - sondern auch sagt. Ich habe es nicht nur gehöret, sondern auch
gesehen. (c) Besonders, eine jede andere Absicht, einen jeden andern
Bewegungsgrund ausschließen. Er thut es nur aus Furcht, aus bloßer Furcht. Er
verschenkte gern alles, nur um die Welt froh zu sehen. Nur um dich zu
beruhigen, habe ich diesen Entschluß gefaßt. Ich will alle meine Ansprüche
fahren lassen, nur damit ich sie nicht unglücklich mache. (b) Ingleichen eine
jede andere Person, für niemand als. Nur ich bin in aller Absicht daran Schuld.
So ein Mann nur konnte mein Schwiegersohn werden, oder nur so ein Mann u. s. f.
Nur ein Freund schont die Eigenliebe nicht. Nur der ist unglücklich, der sich
unter den Streichen der Zufälle beugt. Nur ich bin da gewesen. 2) Eine solche
Ausschließung mit allerley Nebenbegriffen. (a) Mit dem Nebenbegriffe der
geringen Anzahl, der Kleinheit, und nach einer noch weitern Figur des geringen
Werthes. Es sind ihrer nur zehen. Er ist nur zwanzig Jahre alt. Es ist nur fünf
Ellen lang. Es ist nur ein geringer Mensch. Es ist nur schlecht. Ich will es ja
nur sehen. Es ist ja nur eine Kleinigkeit. Aber Opitzens nur nicht für nicht
Ein Mahl, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Und wie ein Schaf den Mund im
Scheren nur nicht rührt. (b) Eine Einschränkung oder Verminderung des vorher
gegangenen. Ich legte mich schlafen, aber nur auf das Bett. Ich ließ es ihn
merken, jedoch nur von weitem. Die meisten Menschen sind lasterhaft, nur einige
mehr, andere weniger. (c) Oft auch eine Intension, eine Verstärkung. Das macht
ihn nur stolz, das hat keine weitere Wirkung, als daß er dadurch stolz wird.
Die Hindernisse, welche uns trennen, haben mein Verlangen nur gestärkt. Durch
Bitten stärken wir nur ihren Eigensinn, Gell. Ich bin verdrießlich und werde es
nur mehr, je mehr ich rede, ebend. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie
ihn für unschuldig hält, ebend.
Will abwärts mit der Herde treiben, Und treibt nur mehr ans
Ufer hin, ebend.
So bald sich nur das geringste regt. Besonders vor den
Wörtern gar zu. Das ist nur gar zu schlecht. Seine Gütigkeit ist nur gar zu
groß. Anm. Der Standort des nur hängt in dieser ganzen Bedeutung von demjenigen
Worte ab, auf welches sich die Ausschließung zunächst beziehet, indem es
demselben so nahe stehen muß, als die übrige Construction es verstattet. Er
weiß es nur besser, ist daher unrichtig; es sollte heißen; nur er weiß es
besser, oder er [
541-542] nur; denn es ist in den
meisten Fällen gleichgültig, ob es vor oder nach dem Nennworte stehet, außer
daß bey der Stellung vor demselben der Nachdruck gewinnet. Einige Tage sollten
nur noch unsere Glückseligkeit verschieben; besser, nur noch einige Tage,
besser einige Tage nur noch. Nur den Dichtern kann man es übersehen, wenn sie
diese Partikel um des Reimes und Sylbenmaßes willen zuweilen aus ihrer
gehörigen Stelle reißen.
Wenn ich die Bitte dir gewähre, Gewähr' ich dir dein Unglück
nur, Gell. besser, gewähr' ich dir nur dein Unglück.
2. Figürlich, wo es als ein Bindewort eine vielfache
Verrichtung hat. 1) Eine Ausnahme anzukündigen, für außer. Sie sind alle ganz,
nur daß einige ein wenig gelitten haben, oder nur einige haben ein wenig
gelitten; wo es ja die vorige ausschließende Bedeutung zurück tritt. 2) Eine
Bedingung. Ich will es gern thun, nur heute nicht. Wie sie befehlen, nur daß
ich mich nicht zu lange in der Luft aufhalten darf, Gell. Ich freue mich, sie
bey mir zu sehen, nur bitte ich vorlieb zu nehmen. ich will ihn aufnehmen, nur
daß er fleißig sey, oder nur muß er auch fleißig seyn.
Da hast du bare funfzig Thaler, Nur unterlasse den Gesang,
Haged.
3) Eine Zulassung zu begleiten. Thue es nur. Du kannst nur
hingehen. Besonders, wenn sie mit Gleichgültigkeit, ingleichen mit Unwillen und
einer darin gegründeten Bedrohung verknüpft ist; wie immer und immerhin. Er
kann nur kommen. Laß ihn nur kommen. Probire es nur. Verstellt euch nur, ich
merk es schon, Gell. Nur fein höhnisch! Nur mit einer frommen alten Frau noch
gespottet, ebend. Nur geweint, so machen es alle die, die kein gut Gewissen
haben. 4) Ingleichen eine Ermahnung. Thue es nur auch. Wandelt nur würdiglich
dem Evangelio, Phil. 1, 27. mache nur nicht, daß ich Ernst gebrauche. Laß mich
nur nicht wieder kommen. Ingleichen eine Aufmunterung, ein Antreiben, wo es die
Rede anfängt. Nur fort! Nur heraus damit! Nur nicht zu lange nachgesonnen! Nur
nicht zu weitläuftig, guter Thomas, Weiße. 5) Einen mit besorgendem Zweifel
verbundenen Wunsch. Wenn er nur käme! Wenn ich nur ein wenig davon hätte! Ach,
wenn er doch nur gleich da wäre! Ingleichen eine Besorglichkeit überhaupt zu
begleiten. Wenn er nur auch zu Hause ist. Wenn ichs nur haben kann. Wenn ich
ihm nur nicht zu ungelehrt bin. 6) Oft dienet es auch den Gegenstand der Rede
mit Nachdruck auszudehnen, dessen Allgemeinheit nachdrücklich zu bestimmen,
alle Ausnahmen auszuschließen. Wer nur kommt, der wird aufgenommen, ein jeder
welcher kommt. Wer es nur verlangt, der bekommt es, ein jeder ohne Unterschied.
So viel er nur aufbringen kann. Wozu er nur Lust bekam, das wurde ihm gegeben.
Wo ich ihn nur antreffe, an einem jeden Orte, wo ich ihn antreffe. Des Beste,
was du nu haben kannst. 7) Zu Einem der vorigen Fälle, vielleicht auch zu mehr
als Einem derselben, gehören noch folgende Arten des Gebrauches. Ich will es
ihnen nur gestehen, daß sich die Sache so verhält. Ich will es nur sagen, denn
was hilft das Läugnen. Nehmen sie es nur nicht übel. Höre nur, du bist
verständiger, als deine Schwester, Gell. Sehen sie nur, ist das nicht ein
artiges Kind? Ich muß nur geben. Ich weiß nicht, wo sie bleibt, ich muß sie nur
suchen. Und tausend andere mehr, denn wer kann alle Bedeutungen der Partikel
einer lebendigen Sprache mit allen ihren Schattirungen und Nebenbegriffen
aufzählen und mit andern gleichbedeutenden Ausdrücken erschöpfen? Der
Wortforscher muß zufrieden seyn, wenn er nur die vornehmsten und
abstechendsten, [
543-544] von welchen die übrigen nur
abgeändert sind, auffinden und nur einiger Maßen deutlich machen kann. Anm.
Diese den Hoch- und Oberdeutschen vorzüglich eigene Partikel lautet in dem
alten Gedichte auf den heil. Anno newere, bey dem Hornegk newer, newe, newer,
newan, im Theuerdanke newr; aus welchen alten Formen zugleich erhellet, daß es
ein zusammen gesetztes Wort ist, welches in den spätern Zeiten in nur zusammen
gezogen worden. Daß die erste Sylbe in dem alten newar die Verneinung ne, ni,
nicht, sey, ist wohl nicht zu läugnen; war, we, wan, sind indessen nicht so
deutlich. In der Pfalz ist für nur nummen, numme, nummer üblich, welches mit
dem Ital. noma, nur, überein kommt, und den Frisch verleitet hat, so wohl
dieses als unser nur von nehmen abzuleiten, und es durch ausgenommen zu
erklären. Allein in diesem Pfälzischen nummen scheint das man, me, zu stecken,
welches die Niedersachsen, Schweden und Holländer für nur gebrauchen, und
welches mit dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -
und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , nur, zu -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , min, und minder gehöret. Übrigens
gebraucht Ottfried für nur wan, welches auch die letzte Sylbe in Hornegks newan
ist, ingleichen ekord, bey dem Notker echert, bey dem Willeram okkert, dagegen
bey andern alten Schriftstellern auch ot für nur gefunden wird. in einigen
Oberdeutschen Gegenden lautet unser nur auch nurt und nurten.
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543-544]