Der Mummel
, [
307-308] des -s, plur. ut nom. sing. im
gemeinen Leben, der Nahme eines erdichteten Ungeheuers, womit man die
Kinderfürchten macht, und welches durch eine vermummte Person vorgestellet
wird; an einigen Orten Mummanz, Mummelmann, Mummelbäg, Mummelack, (Lat. Acco,)
bey dem Cäsarius von Heisterbach Mummart. Ungeachtet der Verkleidung, welche
gemeiniglich mit der Vorstellung und Aufführung eines Mummels verbunden zu seyn
pflegt, so stammet dieses Wort doch unstreitig von dem brummenden Laute Mum,
Mum her, welchen der vorgegebene Mummel von sich hören lässet, und welcher so
alt ist, daß dieses Schreckbild der Kinder schon im Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - heißt. Indessen sind dieses mum,
mum, und der Begriff der Verkleidung, Vermummung, genau mit einander verwandt,
weil eine im Gesichte verhüllte Person diesen Laut am leichtesten und
gewöhnlichsten hervor bringen kann. Statt dieses Lautes ist an vielen Orten
auch der Laut bau, bau, oder wau, wau üblich, im Ital. bau, bau, und baco,
baco; daher wird der Mummel auch in vielen Gegenden der Baubau oder Wauwau,
Ital. il Baubau, im Nieders. Bumann, im Holländ. Bietebaw, ohne Zweifel von dem
Nieders. biten, beißen, genannt. Unser Hochdeutsches Popanz scheinet eben daher
zu stammen. Das Oberdeutsche Butzemann kommt wohl von dem veralteten Butze,
eine Larve, her, wovon auch die Niders. Budde, Buddeke, Butke, alle in der
Bedeutung dieses Mummels, abstammen können, wenn sie nicht gleichfalls den Laut
bu, bu zum Grunde haben. In den Nieders. Benennungen des Mummels Bullkater,
Bullemann, Bulol, Liefländ. Bubbul, Holländ. Bulleman, Engl. Boggle Boe, u. s.
m. erkennet man einen ähnlichen Laut. Viele andere Nahmen hat Popowitsch in
seinem Wörterb. S. 521 gesammelt. Es ist ein sehr altes Vorgeben, daß der
Mummel die ungezogenen Kinder fresse. Er heißt um deßwillen schon bey dem
Plautus Manducus und Manduco, und auch im Deutschen in einigen Gegenden der
Kinderfresser, im Hennebergischen der Freßmann, in Westphalen die Etheninne,
von eten, essen, wo man ihn als ein altes fürchterliches Weib vorstellet.
Übrigens wird er in Westphalen auch Watermöme, Wassermöhme, und im mittlern
Lateine von seiner bärtigen Larve Barbualdus genannt. Zum Beweise, wie sehr
sich der Mensch und seine Art zu denken und Wörter zu bilden in allen
Jahrtausenden und unter allen Himmelsstrichen gleich ist, will ich hier
bemerken, daß die Mandingoer, eine Neger-Nation am Senegal in Afrika, eben
einen solchen Mummel haben, die Weiber im Zaume zu halten, als derjenige ist,
mit welchem man in Deutschland die Kinder schreckt. Er ist ein fürchterlich
verkleideter Mann, welcher einen schrecklichen Lärmen macht, die ungezogenen
Weiber zu fressen, droht, und sogleich gehohlt wird, wenn sich eine Frau mit
ihrem Manne zankt, welche denn eben so sehr vor ihm zittert, als ein Deutsches
Kind vor seinem Mummel. Weil er seine Ankunft gleichfalls mit dem brummenden
Laute mum, mum, ankündiget, so wird er daselbst der Mumbo Jumbo genannt; ein
Nahme, welcher unserm Mummel so ähnlich ist, als das Schreckbild selbst. In
Deutschland hat man für verschiedene Zeiten auch verschiedene Arien von Mummel.
In Franken lässet sich am Feste der Erscheinung Christi die Berch oder Brech
sehen, welche ihren Nahmen vermuthlich von dem Brechentage, dem alten
Oberdeutschen Nahmen dieses Festes, hat; in Baiern heißt sie die Frau Berst,
welche den Kindern den Bauch aufschneidet, und daselbst ihr Amt das ganze Jahr
verwaltet. In ganz Deutschland schreckt man um diese Zeit von Weihnachten an
mit dem Knechte Ruprecht, der den heil. Christ begleitet; (
S. Ruprecht.) In Österreich und Baiern hat man am
Nicolai-Tage vor Weihnachten den Klaubauf, welcher in Gesellschaft des heil.
Nicolai herum gehet, die ungezogenen Kinder zu bestrafen, anderer zu
geschweigen. [
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