2. Das Maul
, [
117-118] des -es, plur. die Mäuler,
Diminut. das Mäulchen. 1. Eigentlich, diejenige breite Öffnung an dem Kopfe der
Menschen und Thiere, welche ihren vornehmlich zum Essen und Trinken dienet. Am
gewöhnlichsten ist es von dieser Öffnung an den thierischen Körpern, zum
Unterschiede von einem Schnabel. Dem Ochsen, da der drischet, sollt du nicht
das Maul verbinden, 5 Mos. 25, 4. Einem Pferde das Gebiß in das Maul legen. Ein
Pferd hat ein weiches Maul, wenn es den Druck des Gebisses bald und leicht
fühlet, im Gegensatze eines harten Maules. Im gemeinen Leben, im harten und
verächtlichen Verstande, auch von den Menschen, für das anständigere Mund. Ein
großes, weites, kleines Maul haben. Das Maul aufreißen, aufsperren, im Oberd.
für gähnen. Jemanden auf das Maul schlagen. Ein Maul voll, ein Mund voll. Wohin
auch eine Menge figürlicher R. A. gehöret; welche insgesammt nur im gemeinen
Leben üblich sind, und gemeiniglich einen verächtlichen Nebenbegriff haben. Das
Maul aufsperren, etwas mit dummer Verwunderung betrachten; Maul und Nase
aufsperren. Jemanden das Maul aufsperren, ihm vergebliche Hoffnung machen.
Jemanden etwas vor dem Maule wegnehmen, wegfischen. Das Maul wässert ihn
darnach, er ist darnach lüstern. Jemanden das Maul wässerig machen, ihn lüstern
machen, sinnliche Begierden erwecken. Etwas seinem Maule abbrechen, es sich an
dem Maule abbrechen, an den Nahrungsmittel. Das Maul hängen, oder hangen
lassen, sein Mißvergnügen durch Stillschweigen und niederhangende Lippen an den
Tag legen. Das Maul wischen und davon gehen, ohne zu danken fortgehen. Jemanden
ums Maul gehen, ihm schmeicheln. Ihm nach dem Maule reden, so wie er es gern
höret. Andern Leuten in das Maul sehen müssen, ihrer Gnade leben müssen. Das
Maul hinbringen, seinen nothdürftigen Unterhalt von einer Zeit zur andern
erwerben. Besonders in Ansehung des Gebrauchs des Maules zur Sprache. Ein
leichtfertiges Maul haben, Fertigkeit besitzen, leichtfertig zu sprechen. Ein
loses, unnützes, ungewaschenes Maul haben. Reden, wie es jemanden in das Maul
kommt, ohne Wahl, ohne Überlegung reden. Er getrauet sich nicht, das Maul
aufzuthun, zu reden. Einem das Maul stopfen, machen, daß er schweigte. Er hat
das Maul zu weit aufgethan, er hat zu frey gesprochen. Kein Blatt vor das Maul
nehmen, frey- müthig reden. Sich das Maul verbrennen, zu seinem Schaden zu frey
reden. Ein groß Maul haben, prahlen, groß sprechen, auch viel sprechen, oder
versprechen. Überall das Maul allein haben, allein sprechen wollen. Halt das
Maul! eine niedrige und grobe Art, jemanden das Reden zu verbiethen. Das Maul
halten, schweigen. Sich in der Leute Mäuler bringen, machen, daß andere von uns
reden. In der Leute Mäuler kommen, beredet werden; wo es im Singular nicht
üblich ist, ungeachtet es Ezech. 36, 3 heißt: und seyd den Leuten ins Maul
kommen. Jemanden über das Maul fahren, ihm trotzig, ohne Achtung antworten.
Einem nicht das Maul in einer Sache gönnen, ihn nicht werth halten, ihn in
einer Sache, oder um dieselbe anzusprechen. Sich das Maul über etwas zerreißen,
viel und heftig über etwas reden, es tadeln, bereden. Einem etwas in das Maul
känen, es ihm deutlich beschreiben, umständlich vorsagen; auch, es ihm in das
Maul schmieren. Ihm steht das Maul auf dem rechten Flecke, er hat eine gute
Gabe zu reden, und hundert andere mehr. In manchen dieser figürlichen R. A.
kann man Mund dafür gebrauchen, um den Ausdruck weniger niedrig und verächtlich
zu machen, in allen aber gehet es nicht an. In einigen lässet sich in der
vertraulichen Sprechart auch das Diminut. Mäulchen gebrauchen. 2. Figürlich. 1)
Ein Kuß; doch nur in der harten und groben Sprechart, besonders
Oberdeutschlandes. Jemanden ein Maul geben. Das Diminutivum Mäulchen hingegen
ist in der vertraulichen Sprechart auch im Hochdeutschen sehr gewöhnlich, wo
sich zugleich der verächtliche Nebenbegriff verlieret. Auf ähnliche Art
bedeutet Osculum, im Lat. einen Kuß, von Os, der Mund. 2) Eine Person, in
Ansehung ihrer Fähigkeit so wohl zu essen, als auch zu sprechen, gleichfalls
nur im gemeinen Leben und in der harten Sprechart. Zwanzig Mäuler zu ernähren
haben, zwanzig essende Personen. Alle unnütze Mäuler aus der Stadt schaffen.
Falsche Mäuler decken Haß, Sprichw. 10, 18. Verstummen müssen falsche Mäuler,
Pf. 31, 19. Ein Milchmaul, in der niedrigen Sprechart, eine Person, welche gern
Milchspeisen isset. Ein Leckermaul, welche gern leckere Speisen isset. Ein
Lügenmaul, eine lügenhafte Person. Ein Lästermaul, eine lästernde Person u. s.
f. 3) Bey den Tischlern wird die Öffnung am Hobel, wodurch das Eisen gehet, und
der Span fähret, das Maul genannt. Anm. Im Niedersächsischen, wo es wohl
ungewissen als weiblichen Geschlechtes ist, Muul, Muule, im Dän. Mule, im
Schwed. Mule, im Isländ. Mul. Es kann seyn, daß es, wie Wachter will, zunächst
von mahlen, Nieders. mulen, so fern es auch die Speisen zermalmen bedeutet,
abstammet. Allein es scheinet überhaupt den Begriff der Öffnung zu haben, und
zu den Geschlechte der Wörter Maue, welches im Nieders. einen Ärmel bedeutet,
Mahl in der Bedeutung einer Vertiefung, Mulde, Malter u. s. f. zu gehören. (
S. Mund.) In den gemeinen Mundarten hat man noch eine
Menge anderer Wörter, das Maul nebst dessen anklebendem verächtlichen
Nebenbegriffe zu bezeichnen. Dergleichen sind Fresse, Kerbe, Flabbe, Schnautze,
die Oberdeutschen Waffel, im Osnabrück Wüwwelwawwel, Gosche, Schmecker, Gefräß,
und die Nieders. Kiffe, Flotze, Keek, Plärre u. s. f. welche zum Theil auch
noch einige Nebenbedeutungen haben,
S. diese Wörter. [
117-118]