Lügen
Lügen,
[
2127-2128] verb. irreg. neutr. ich lüge,
du lügst, (Oberd. leugst, er lügt, (Oberd. leugt;) Imperf. ich log; Conjunct.
ich löge, Mittelw. gelogen; Imper. lüge, (Oberd. leug). Es erfordert das
Hülfswort haben, und bedeutet, 1) in der ersten Bedeu- tung des Hauptwortes
Lüge, sich stellen, verstellen, in welchem Verstande es noch in der höhern
Schreibart, selbst mit dem Accusativ eines Hauptwortes vorkommt.
Und lügt die Stirn auch Fröhlichkeit So wohnt im Herzen
Mißvergnügen, Weiße.
Ingleichen sich irren; gleichfalls in der höhern Schreibart.
Dein Auge lügt. Ingleichen nicht erfüllet werden, nicht eintreffen. Keine
Weissagung wird lügen, Ezech. 12, 24. 2) In gewöhnlicherer Bedeutung, eine
Unwahrheit sagen, besonders, eine wissentliche Unwahrheit mit Übertretung der
Pflicht der Wahrhaftigkeit vorbringen; beydes mit eben dem harten und
verächtlichen Nebenbegriffe, der dem Hauptworte anklebet. Er lügt, wenn er den
Mund aufthut. Jemanden die Haut voll lügen, in der niedrigen Sprechart, ihn
sehr belügen. Du lügst in deinen Hals, in eben derselben, das ist eine
unverschämte Lüge. Er lügt, als wenn es gedruckt wäre, oder er lügt, daß sich
die Balken biegen, sind im gemeinen Leben übliche Beschreibungen eines
Menschen, welcher eine besondere Fertigkeit im Lügen hat. Einem lügen, ihn
belügen, ihm eine Lüge vorsagen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich, kommt aber
noch in der Deutschen Bibel Ap. Gesch. 5, 3, 4 vor. Anstatt des ungewöhnlichen
Hauptwortes Lügung ist der Infinitiv üblich, das Lügen. Sich auf das Lügen
legen. Sich das Lügen angewöhnen. Anm. Die Oberdeutsche Form du leugst, er
leugt, Imperat. leug, rühret aus der gröbern Alemannischen Mundart her, wo
dieses Zeitwort leugen lautet, und das en durch alle Zeiten behält. Man thut
daher unrecht, wenn man sie den Hochdeutschen zur Nachahmung empfiehlet, ob sie
gleich noch mehrmahls in der Deutschen Bibel und bey den Dichtern vorkommt. Der
Held in Israel leugt nicht, 1 Sam. 15, 29. Ein treuer Zeuge leugt nicht,
Sprichw. 14, 5. Bey dem Kero liugan, bey dem Ottfried lougan und liegen, bey
dem Notker liugen, im Nieders. legen und lögen, bey dem Ulphilas ljugan, im
Angels. leogan, im Schwed. und Isländ. ljuga, im Engl. to lie, im Dän. lyve,
mit der nicht ungewöhnlichen Verwechselung der Gaumen- und Blaselaute, im
Slavon. lugati, im Böhm. mit Ausstoßung des Gaumenlautes hlati. Man könnte es
von lau, lege, falsch, unecht, herleiten; allein es ist weit wahrscheinlicher,
daß es, wie Ihre will, von dem noch im Bretagnischen üblichen laugen,
verborgen, und dem Wallis. Ilechu, verborgen seyn, Lat. latere, (Böhm. hlati,
lügen) abstammet, welche wiederum zu dem Geschlechte der Wörter Loch, so fern
es überhaupt einen hohlen Ort bedeutet, legen und liegen gehören, daher es auch
in vielen gemeinen Mundarten liegen gesprochen wird. Diese Bedeutung des
Verbergens erhellet aus dem Zeitworte läugnen am deutlichsten, welches das
Intensivum von unserm lügen, Oberd. leugen ist, und anfänglich verbergen
überhaupt bedeutete, jetzt aber nur noch von der Verhehlung der Wahrheit üblich
ist, (siehe dasselbe). Ehedem war für lügen im gelindern Verstande auch
mißsagen üblich. [
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