Laufen
Laufen,
[
1933-1934] verb. irreg. neutr. welches in
den meisten Fällen das Hülfswort seyn erfordert. Ich laufe, du läufst, er
läuft, (oft auch schon du laufst, er lauft;) Imperf. ich lief; Mittelw.
gelaufen, (in den niedrigen Sprecharten geloffen;) Imperat. lauf. Es druckt
überhaupt eine beschleunigte Bewegung aus, eine Bewegung, welche schneller ist,
als gewöhnlich. 1. In der engsten Bedeutung, von der beschleunigten Bewegung
vermittelst der Füße; zum Unterschiede so wohl von dem Gehen, als auch von dem
Springen. 1) Eigentlich. Lauf nicht eher, als man dich jagt. Mancher läuft
ungejagt. Ich fange an zu laufen, er läuft nach, und lief mir immer hinten
drein, Raben. Es kam ein Hase gelaufen, (
S. Kommen.) Du liefest was man laufen kann. Mit jemanden
in die Wette, oder um die Wette laufen. Sich müde laufen, sich lahm laufen,
sich aus dem Athem laufen, wo es, so wie alle Reciproca, das Hülfswort haben
erfordert. Sie liefen über Macht nach dem Gebüsche zu, Less. Der Dieb ist in
das Haus gelaufen. Mit dem Kopfe wider die Wand laufen. Bey den Jägern läuft
der Rehbock auf das Blatt, wenn er dem vermittelst eines Baumblattes von dem
Jäger nachgemachten Rufe des Rehes nacheilet, welches auch auf Reigen laufen
genannt, und von allen andern Thieren gebraucht wird, welche man vermittelst
eines nachgemachten Schalles anlocket. In einigen wenigen Fällen stehet dieses
Zeitwort, ob es gleich ein Neutrum ist, bey einem Hauptworte in der vierten
Endung. Bothschaft laufen, im gemeinen Leben, ein Fußbothen abgeben, welches
auch Post laufen genannt wird. Sturm laufen. Seine Straße, seinen Weg laufen,
sich schnell entfernen, am häufigsten im Imperativo, lauf deine Straße, für
gehe fort, wofür man auch wohl in der zweyten Endung sagt, seiner Wege, seiner
Straße laufen oder gehen. Das Pferd läuft einen guten Trab. 2) Figürlich. (a)
Von einigen Thieren sagt man, daß sie laufen, wenn sie sich begatten, weil sie
alsdann weiter und mehr als gewöhnlich zu laufen pflegen. So gebraucht man es
von den Hunden, und in der Jägerey auch von den Dachsen. Von andern Thieren
sind andere Zeitwörter üblich. In diesem Verstande ist zugleich das Hülfswort
haben üblich, wenigstens im Hochdeutschen. Der Hund, die Hündin hat gelaufen,
hat sich begattet. Belaufen und läufig sind in einem etwas weiten Umfange der
Bedeutung üblich. Bey den Fischern wird es von den Aalen für gebären,
gleichfalls mit dem Hülfsworte haben gebraucht. Die Aale haben gelaufen, weil
sie lebendige Jungen zur Welt bringen, dagegen von Eyer legenden Fischen
leichen üblich ist. (b) Oft und viel gehen; nicht selten mit einem
verächtlichen Nebenbegriffe. Den ganzen Tag herum laufen, müßig. In de Stadt
herum laufen. Er läuft gewiß auf den Dörfern herum betteln. Alle Tage in die
Spielhäuser laufen. (c) Den Ort oder einen Zustand eilfertig verändern;
gleichfalls im verächtlichen Verstande. Der Schuldner ist davon gelaufen. Aus
einem Kloster, aus dem Dienste laufen. Jemanden laufen lassen, auch figürlich,
sich nicht weiter mit ihm abgeben. (d) Sich eifrig um etwas bewerben;
gleichfalls im verächtlichen Verstande. Nach einem Amte laufen. In sein
Verderben laufen. 2. Von der schnellen Bewegung verschiedener leblosen Körper.
Das Schiff läuft in den Hafen, ist auf den Grund gelaufen. Die Post wird bald
ablaufen. Die Sonne läuft um die Erde, die Erde um den Mond. Das Rad läuft um.
Die Sanduhr läuft nicht mehr, der Sand in der Uhr. Die Uhr ist abgelaufen, die
Kette in der Uhr. Es lief mir ein Schauer über die Haut. Die Milch läuft
zusammen, wenn sie gerinnet, (
S. Lab.) Besonders von allen Arten flüssiger Körper. Die
Sale läuft in die Elbe, die Oder in die Ostsee; wofür doch fließen und sich
ergießen üblicher sind. Das Blut lief aus der Wunde. Der Schweiß lief ihm über
das Gesicht. Die Thränen liefen ihm über die Wangen. In der anständigern
Sprechart sind auch hier die Zeitwörter fließen und rinnen üblicher. Das Wasser
läuft mit in die Schuhe, es läuft in den Keller. Die Lichter laufen, oder
lecken, wenn die um den Docht befindliche Vertiefung sich mit geschmolzenem
Talge anfüllet, und überläuft. Nach einer bey flüssigen Körpern sehr
gewöhnlichen Figur wird bey diesem Zeitworte, so wie bey andern ähnlichen, das
Gefäß anstatt des darin befindlichen flüssigen Körpers gesetzt. Das Faß läuft,
d. i. der Wein im Fasse läuft aus, das Faß ist leck. Die Schiffe liefen halb
voll Wasser, das eingedrungene Wasser füllete die Schiffe halb an. Die Augen
laufen ihm voll Wasser, die Thränen treten ihm in die Augen. Auch gebraucht man
figürlich dieses Wort von der Zeit [
1935-1936] und der
schnellen Fortpflanzung einiger anderer in körperlichen Dinge. Die Zeit
verläuft, vergehet. Der laufende Monath, das laufende Jahr, im gemeinen Leben,
das gegenwärtige. Es läuft ein Gerücht, es breitet sich aus. 3. In vielen
Fällen verschwindet der Begriff der Geschwindigkeit, oder wird doch merklich
vermindert. So wird im Bergbaue das Wort laufen anstatt gehen, ja oft für
tragen gebraucht, besonders in der Zusammensetzung auflaufen. Besonders gehören
hierher verschiedene, großen Theils figürliche R. A. Bey einer Sache Gefahr
laufen, in Gefahr gerathen. Du wirst keine Gefahr laufen, in keine Gefahr
gerathen. Mein Beutel lief Gefahr, gestohlen zu werden. Ich habe von ungefähr
ein Wort davon laufen lassen, es ist mir ein Wort davon entfahren. Das läuft
wider die Ehre, streitet wider dieselbe, ist ihr zuwider. Das läuft wider den
Stand der natürlichen Freyheit. Das würde wider die Wahrheit laufen. Das läuft
nicht in mein Fach, gehöret nicht in dasselbe, schlägt nicht dahin ein. Die
Sache wird auf ein Trauern hinaus laufen, wird sich damit endigen. Worauf wird
das hinaus laufen? was wird das für ein Ende nehmen? Das läuft auf Eins hinaus,
ist einerley. Ingleichen, für sich erstrecken. Die Küste läuft südwest. Das
Gebirge läuft nach Morgen. Manche Pflanzen lassen ihre Zweige und Ranken auf
der Erde hin laufen, sich nahe über der Erde ausbreiten. Anm. Schon bey dem
Kero lauffan, bey dem Ottfried laufan, bey dem Willeram lofen, (wovon das
gemeine Mittelwort geloffen abstammet,) im Nieders. lopen, im Isländ. hleipa,
im Dän. lobe, und Schwed. löpa. Es bezeichnet überhaupt eine geschwinde
Bewegung, daher ist bey dem Ulphilas hlaupan, Angels. hleapan, Engl. to leap,
springen, tanzen,(
S. Galopp.) Auch das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , eilen, und Hebr. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , gehen, vergehen, durchstechen,
gehören zu dem Geschlechte dieses Wortes. Im gemeinen Leben hat man sehr viele
Wörter, die besondern Arten des Laufens zu bezeichnen. Unserer rennen, traben
und anderer mehr nicht zu gedenken, heißt hin und her laufen im Nieders. bißen,
geschwinde laufen aber eben daselbst klanen, kleppen, (
S. Klepper,) kilen, kiddeln, und mit kurzen Schritten
laufen in eben dieser Mundart zwickern, purjen, padjen, peideln, packern u. s.
f. [
1935-1936]