2. Der Kopf
2. Der Kopf,
[
1709-1710] des -es, plur. die Köpfe,
Diminut. das Köpfchen, Oberd. Köpflein. 1. In der weitesten Bedeutung, ein
jedes hervor ragendes Ding, in welchem Verstande es nur noch in einigen wenigen
Fällen vorkommt. So wird in der Mechanik, der kurze Theil eines Hebels der Kopf
genannt, im Gegensatze der Zunge oder des längern Theiles. In dem Hüttenbane
heißen die Hebearme oder die kurzen dicken Hölzer an der Welle, welche die
Stämpel heben, auch Hebköpfe und Köpfe; wo aber auch wohl zunächst auf das
heben gesehen werden kann. Feldköpfe sind im Oberdeutschen kleine Gehölze oder
Gebüsche, welche auf dem Felde stehen und sonst auch Feldbüsche genannt werden.
In etwas engerer Bedeutung des hervor ragenden Theiles eines Dinges ist der
Kopf eines Dinges dessen Gipfel, (
S. Koppe.) Auch an Mark- und Grenzsteinen wird der obere
spitzige Theil der Kopf, der dickere untere Theil oder Fuß aber der Beck
genannt. 2. In engerer Bedeutung, der runde oberste Theil eines Dinges. Der
Kopf einer Stecknadel, welcher auch der Kopf genannt wird. Der Distelkopf,
Mohnkopf, wegen ihrer runden Gestalt. Die Köpfchen an einigen Mosarten. Der
Kopf eines Nagels. Der Kopf an einem Stücke Geschütz, der vordere erhabene
Theil an der Mündung. Der Kopf an einer Tobakspfeife, der Pfeifenkopf; wo aber
auch die Bedeutung eines hohlen Gefäßes Statt findet, (
S. 1. Kopf.) Bey den Perruckenmachern führen die Wurzeln
der Haare, welche sonst Kolben heißen, den Nahmen der Köpfe; hundert anderer
Fälle zu geschweigen. 3. In der engsten Bedeutung, der gemeiniglich runde oder
rundliche oberste Theil eines thierischen Körpers. Einem Ochsen den Kopf
abhauen, ihn vor den Kopf schlagen. Einer Taube den Kopf eindrücken. Besonders
des menschlichen Körpers. 1) Eigentlich, wo dieses Wort in der vertraulichen
Sprechart am üblichsten ist, und besonders von solchen Personen gebraucht wird,
welchen man keine vorzügliche Achtung schuldig zu seyn glaubt; dagegen in den
entgegen gesetzten Fällen Haupt üblicher ist. Der Kopf thut mir weh, schmerzet
mir. Das Wasser schlug ihm über dem Kopfe zusammen. Die Hände über den Kopf
zusammen schlagen, ein Zeichen der Verzweiflung.. Mit bloßem Kopfe da stehen,
mit unbedecktem Kopfe. Er ist einen ganzen Kopfe kleiner als du. Jemanden den
Kopf vor die Füße legen, ihn enthaupten. Den Kopf hängen, zum Zeichen der
Traurigkeit, der Muthlosigkeit, siehe Kopfhänger. Den Kopf schütteln, zum
Zeichen der Mißbilligung, der Verneinung. Sich den Kopf zurechte machen, den
Kopfputz. Daher so viele figürliche Redensarten, welche doch größten Theils nur
in der vertraulichen Sprechart üblich sind. Über Hals und Kopf, in der größten
Geschwindigkeit und Unordnung. Jemanden vor den Kopf stoßen, ihn beleidigen;
doch nur von Beleidigungen geringerer Art. Jemanden bey dem Kopfe nehmen
lassen, ihn in Verhaft nehmen lassen. Den Kopf aus der Schlinge ziehen, sich
aus einer gefährlichen oder bedenklichen Sache heraus wickeln. Jemanden den
Kopf biethen, ihm Widerstand leisten. Überall mit dem Kopfe durch wollen, alles
mit Gewalt durchsetzen wollen. Jemanden etwas auf den Kopf Schuld geben, gerade
zu, ohne alle Umschweife. Einem das Haus über dem Kopfe anstecken, eine
pleonastische R. A. Einem zu Kopfe wachsen, ihm über den Kopf wachsen,
eigentlich von Kindern, welche der Zucht ihrer Vorgesetzten entwachsen. Stand
er etwa da, als wenn er vor den Kopf geschlagen wäre; Less. Und wenn ihr euch
auf den Kopf setzet, sollt ihr sie nicht sehen, Weiße.
Es lernte Jost ohn Unterlaß, Daß ihm der Kopf fast rauchte,
Haged.
Es ist schwer, viele Köpfe unter Einen Hut zu bringen, viele
Personen Eines Sinnes zu machen. Der Scham den Kopf abgebissen haben,
Fertigkeit besitzen, keine Scham mehr zu empfinden. Einem den Kopf waschen, ihm
einen derben Verweis geben. Sie haben sich die Köpfe in den Niederlanden wacker
gewaschen, Less. sich geschlagen, Franz. Laver la tete a quelqu'un; entweder
von dem waschen des Kopfes in den Bädern, oder auch von dem Waschen der Köpfe
der Kinder vor der Firmelung in der Römischen Kirche, welches ehedem am
[
1711-1712] Palmsonntage geschahe, der daher auch
Capitilavium genannt wurde, welches Wort im mittlern Lat. gleichfalls von einem
bittern Beweise gebraucht wird. Besonders so fern der Kopf der Sitz der
Erkenntniß- und Begehrungsvermögens ist. Er weiß nicht, wo ihm der Kopf stehet,
er ist sich seiner selbst fast nicht bewußt. Der Wein steigt in den Kopf, nimmt
den Kopf ein, wenn er den Gebrauch des Verstandes hindert. Jemanden den Kopf
zurechte rücken oder setzen, ihn durch Ernst auf bessere Gedanken bringen. Im
Kopfe nicht richtig seyn, im Kopfe verrückt seyn, des gesunden Verstandes
beraubt seyn. Mit dem Kopfe arbeiten, durch Nachdenken. Ich habe den Kopf so
voll, daß ich unmöglich auf alles denken kann, habe so viele Dinge zu bedenken.
Sich etwas in den Kopf setzen, den festen Vorsatz haben, darauf zu beharren.
Ich weiß nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freyheit in den Kopf
gesetzt hat, Gell. Der Kopf stehet ihm nicht recht, er ist übel aufgeräumet.
Auf seinem Kopfe bestehen, seine Meinung hartnäckig vertheidigen, hartnäckig
bey einem Vorsatze bleiben. Komme ich einmahl auf meinen Kopf, setze ich es mir
einmahl hartnäckig vor. Mache mir den Kopf nicht warm, mache mich nicht
ungeduldig, zornig. 2) Figürlich. (a) Die Gedanken, Vorstellungen. Das gehet
mir in dem Kopfe herum, macht mir allerley Gedanken, Sorgen. Ich kann diese
Sache nicht wieder aus dem Kopfe bringen. Schlagen sie sich die Sache aus dem
Kopfe. (b) Das Gedächtnis. Aus dem Kopfe reden, schreiben. Etwas aus dem Kopfe
hersagen. Ein Bild aus dem Kopfe zeichnen. Das habe ich schon im Kopfe, habe
ich schon behalten, gemerket. (c) Die gesammte Fähigkeit etwas zu begreifen und
einzusehen, das bestimmte Verhältniß der erkennenden Seelenkräfte. Einen guten,
gelehrigen, offenen Kopf haben. Einen harten, schweren Kopf haben, etwas nicht
begreifen können. Ein glücklicher Kopf für die Dichtkunst. Nach seinem Kopfe
leben, nach seinen Einsichten, nach seinem Gutdünken. Bey jedem Gegenstande
unserer Leidenschaften wird zuletzt der Kopf stumpf, Zimmerm. Was die Gefühle
des Herzens mehr als den kalten Beyfall des Kopfes interessiret. Er hat Kopf,
sagt man im engerm Verstande von jemanden, bey welchem sich ein glückliches
Verhältniß der obern Erkenntnißkräfte gegen die untern befindet. (
S. Genie.) Kopf für die Dichtkunst, für dir Musik u. s.
f. haben, natürliches Geschick. (d) Die Gemüthsart, die Gesinnung. Einen
wunderlichen Kopf haben. Sich nach eines andern Kopfe richten. Ein Starrkopf,
ein unbiegsamer, harter Mensch. (e) Das Leben, in einigen R. A. zunächst
freilich als eine Anspielung auf die Strafe des Schwertes, zuweilen aber auch
ohne dieselbe. Das wird die den Kopf kosten. Darauf stehet der Kopf, die Strafe
des Schwertes, und in weiterer Bedeutung die Lebensstrafe. Es wird ja den Kopf
nicht kosten. Auf seinem Kopf stehet eine Belohnung. (f) Ein mit einem Kopfe
begabtes Geschöpf; wo es von Thieren nicht üblich ist, indem von denselben
Haupt gebraucht wird, wohl aber zuweilen von Menschen, für Person. Die
Compagnie besteht aus hundert Köpfen, aus hundert Mann. Es sind viele unruhige
Köpfe in der Gesellschaft. Viel Köpfe viel Sinne. Besonders in Ansehung des
Erkenntniß- und Begehrungsvermögens. Ein seltsamer, wunderlicher Kopf, ein
Mensch von einer seltsamen, wunderlicher Gemüthsart. Ein lustiger Kopf. Durch
die Nachlässigkeit der Lehrer werden oft die besten Köpfe versäumt, Leute von
den besten Fähigkeiten. Gemeine Köpfe sind die beste Gesellschaft für schlechte
[
1713-1714] Köpfe, Zimmerm. Ein dichterischer Kopf, eine
Person, welche Fähigkeit für die Dichtkunst hat. Anm. In der zweyten
Hauptbedeutung im Nieders. Kop, im Ital. Capo, im Lat. Caput, im Griech.
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hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , welche alle mit Kopf aus
einer Quelle herstammen. Der Begriff der Hervorragung, besonders aber der
Ründe, ist in allen der herrschende; und dieser Begriff der Ründe ist
vermuthlich auch die Ursache, warum Kopf in manchen Fällen unedler ist, als
Haupt, welches von heben, erheben, abstammet, und folglich einen edlern
Nebenbegriff hat. Da diejenigen Wörter, welche eine Hervorragung bedeuten, auch
alle Mahl ursprünglich eine Vertiefung bezeichnen, so gehöret auch Kopf in der
Bedeutung eines Gefäßes hierher, so wie das Lat. Gibbus, die Deutschen Giebel,
Gipfel, Hübel, Schopf, Zopf, und hundert andere mehr.
S. auch Koppe und Kuppe. [
1713-1714]