Das Jahr
Das Jahr,
[
1417-1418] des -es, plur. die -e, welches
seinem Ursprunge nach die Zeit von einer Ernte zur andern bedeutet, so wie man
in der Dichtkunst noch jetzt die Jahre nach Ernten zu berechnen pfleget. Jetzt
bezeichnet es, 1. Eigentlich, diejenige Zeit, in welcher die Sonne ihren
scheinbaren Lauf durch die ganze Ekliptik vollendet, welche gemeiniglich auf
zwölf Monathe oder 365 Tage bestimmt wird. Ein bürgerliches Jahr, welches die
jetzt genannte Zahl von Tagen hat; im Gegensatze des astronomischen, welches
noch einen Anhang von Stunden und Minuten hat, welche alle vier Jahre in dem
bürgerlichen Jahre eingeschaltet werden, daher denn das vierte bürgerliche Jahr
ein Schaltjahr, die übrigen drey aber gemeine Jahre genannt werden.
S. auch Sonnenjahr und Mondenjahr. Der Punct in der
Ekliptik, wo man diese Zeit anfängt, ist willkürlich. In der christlichen
Zeitrechnung nimmt man den ersten Jänner für den Anfang des Jahres an. Es
geschahe voriges Jahr, im vorigen Jahre, im Oberd. ferden,
S. dieses Wort. das Jahr ist bald vorbey, ist bald
verflossen. Das Jahr ist um. Zu Ende des Jahres. Ein Jahr zurück legen. Ein
Jahr um das andere. Es ist schon spät im Jahre. Das neue Jahr, das erst
angefangene Jahr, oder welches man in kurzen anfangen wird, im Gegensatze des
alten,
S. Neujahr. Der Wechsel des Jahres oder Jahreswechsel,
diejenige Zeit, wo sich ein Jahr endiget und sich ein neues anfängt. Das ganze
Jahr hindurch. Jahr aus Jahr ein, im gemeinen Leben, so wohl, alle Jahre, als
auch das ganze Jahr hindurch, in der anständigen Schreibart Jahr für Jahr. Von
Jahr zu Jahr, von einem Jahre zum andern, fon Jare zi Jare, bey dem Ottfried.
Es sind schon einige Jahre her. Über drey Jahre. Nach sechs Jahren. Vor hundert
Jahren. Das heilige Jahr, in der Römischen Kirche, in welcher das große
Jubiläum eröffnet wird,
S. Jubeljahr. Im Jahre 1775, nähmlich nach Christi
Geburt, siehe Jahrzahl. Besonders der Witterung und Fruchtbarkeit. Ein nasses,
trocknes, fruchtbares, warmes, schlechtes Jahr. Ein Mißjahr. Ein gutes
Kornjahr, Weinjahr, Obstjahr. Oft dienet jede Begebenheit zum Puncte, von
welchem man das Jahr, d. i. eine Zeit von zwölf Monathen, zu rechnen anfängt.
Es ist nun gerade ein halbes Jahr, daß ich ihn nicht gesehen habe. es wird bald
ein Jahr seyn, daß er gestorben ist. Es sind schon zwey Jahre her, daß er hier
war. Übers Jahr, von jetzt an in einem Jahre kommt er wieder. Es gehet in das
vierte Jahr, daß wir einander kennen. In Jahres Frist, innerhalb eines Jahres.
Vor dem Jahre, im vorigen Jahre, oder vor einem Jahre. Sie ist erst sechzehn
Jahre alt. Das dreyßigste Jahr seines Alters zurück legen. Jahr und Tag, in dem
Sächsischen Rechte, eine Zeit von einem Jahre, sechs Wochen und drey Tagen,
anderwärts aber von einem Jahre und vier Wochen; im mittlern Lat. Annus et
Dies, in dem Französischen Rechte An et Jour. 2. In engerer und zum Theil
figürlicher Bedeutung. 1) Die Jahre bey jemanden stehen, bey ihm in der Lehre
seyn, und die gewöhnlichen Lehrjahre bey ihm aushalten, von den Lehrlingen der
Kaufleute, Künstler und Handwerker. 2) Von den Jahren des Alters, besonders des
menschlichen Alters. Er gehet in das zwanzigste Jahr. Wo das Hauptwort oft
verschwiegen wird. Er ist noch nicht dreyßig. Weil er schon nahe an vierzig
ist, Gell. Ich würde ihnen nicht zur Ehre rathen, da ich weiß, daß sie in die
sechzig sind, ebend. Besonders im Plural ohne Zahl. In seinen besten Jahren
seyn, in dem besten, brauchbarsten, muntersten Alter. Für einen Mann von meinen
Jahren würde sich das nicht schicken, von meinen Alter. Bey ihren hohen Jahren.
Seine Neigungen können sich in reifern Jahren ändern. Es wird mit den Jahren
schon anders werden. In meinen jüngern Jahren, als ich noch jünger war. Er ist
schon ein Mann von Jahren oder bey Jahren, von einem ziemlichen Alter. Mit
meinen Jahren lässet es sich wohl noch halten, Gell. Ist dieß der Gehorsam, den
sie meinen Jahren schuldig sind? ebend. Meiner Jahre wegen könnte ich in der
Kleidung noch sehr jung thun, ebend. Ich fühle meine Jahre. Sein Rücken krümmet
sich unter der Last der Jahre. Laß die Jahre reden, Hiob 32, 7, ältere,
bejahrte Personen. In noch engerer Bedeutung, die Zeit der Mündigkeit. Zu
seinen Jahren kommen, mündig werden. Vor seinen Jahren sterben, in der
Kindheit. 3) Das Merkmahl der Jahre in dem Holze, der Ring in dem Holze des
Stammes, welchen ein Baum jährlich anzusetzen pfleget, daher man aus deren Zahl
das Alter desselben ungefähr bestimmen kann. Enge, weite Jahre haben, wenn
diese Ringe enge oder weit von einander abstehen. Auf der Mitternachtsseite
stehen die Jahre eines Baumes näher an einander, als auf der Mittagsseite.
S. Jahrwuchs, Jahrzirkel. 4) Von der Zeit überhaupt;
doch nur im Plural. Gott, deine Jahre währen für und für, Ps. 102, 25. In
Betrachtung seiner lange Jahre geleisteten Dienste. Vielleicht gibt es sich mit
den Jahren.
- Ich hab' in langen Jahren, Was wahr ist, selbst geprüft, was
falsch ist, selbst erfahren, Schleg.
Anm. Nach Zahlwörtern dieses Wort im Singular zu setzen, sie
ist erst sechzehn Jahr alt, Gell. für Jahre, ist wohl im gemeinen Leben üblich,
klingt aber in der anständigen Sprechart unangenehm. Dieses Wort lautet schon
bey dem Kero Jar, im Isidor Jaar, im Nieders. Jar, im Engl. Year, bey dem
Ulphilas Jer, im Angels. Ger, Gear. Rudbeck und Wachter leiten es von dem
Schwed. yra, im Kreise herum drehen, Griech. -
hier nichtlateinischer Text,
siehe Image - ab, andere aber von dem Griech. -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - , Frühling. Allein die erste Ableitung ist für die
Einfalt der ersten Spracherfinder zu künstlich, und die letzte zu unerweislich.
Richtiger leitet man es von dem alten Ar, Schwed. Ur, die Ernte, ab, welches
auch im Schwed. das Jahr bedeutet, so wie das Isländ. Aar und Dän. Aar. Das
voran gesetzte Jod ist der müßige Laut, welcher, so wie das
S mehrern Deutschen Wörtern vorgesetzet wird;
S. J. Die Gewohnheit, die Zeit nach Ernten zu berechnen,
ist bey allen Völkern sehr alt, und noch nicht ganz abgestorben.
S. Ernte und Herbst. das mittlere Lat. Aera bedeutete so
wohl ein Jahr, als auch eine Jahrrechnung. [
1419-1420]