3. Ihr
3. Ihr,
[
1357-1358] ein Pronomen possessivum oder
zueignendes Fürwort, so wohl der dritten einfachen Person weiblichen
Geschlechtes, als auch der dritten vielfachen Person aller Geschlechter; wo es
auf zweyerley Art gebraucht wird. I. Als ein Conjunctivum, oder in
Gesellschaft, des Hauptwortes wird es so abgeändert:
Masc.
Fäm.
Neutr.
Plur.
Nomin.
Ihr,
ihre,
ihr,
Ihre
Genit.
Ihres,
ihrer,
ihres,
Ihrer.
Dat.
Ihrem,
ihrer,
ihrem,
Ihren.
Accus.
Ihren,
ihre,
ihr,
Ihre.
Es bedeutet eigentlich etwas,
welches der dritten einfachen weiblichen Person, oder der dritten vielfachen
Person aller Geschlechter gehöret, womit sie in Verbindung stehen, und in
weiterer Bedeutung, was sich auf diese oder jene Art auf sie beziehet. In der
einfachen Zahl beziehet es sich alle Mahl auf das weibliche Subject, doch so,
daß es sich nach dem Geschlechte des folgenden Hauptwortes richtet. Deine
Mutter kann es, denn es ist ja ihr Haus. Die arme Sylvia, der Wolf nahm ihrer
Herde ein Schaf. Wehe den Freunden, wenn ihre Thränen aus Falschheit fließen!
Es ist auch einer ihres Gleichen, wo sich das Fürwort so wohl auf eine einfache
weibliche Person, als auf eine vielfache aller Geschlechter beziehet. Alles was
seiner Glückseligkeit in ihrem Laufe entgegen stehet. Die Augenblicke
überhohlen Gedanken in ihrem Fluge, Dusch. Gehen sie ihre Wege! im gemeinen
Leben ihrer Wege. Nach einem Genitiv macht dieses Fürwort alle Mahl einen sehr
merklichen Mißklang, so gemein auch dieser Fehler ist. (
S. die Sprachlehre,) Meiner Mutter ihr Bruder, für,
meiner Mutter Bruder. Man muß nicht einzelner Grillenfänger ihre Neuerungen
annehmen, Gottsch. für, die Neuerungen einzelner Grillenfänger. Der Chloe ihr
Helfer, Berl. Bibl.
Erzürnter Schönen ihrer Rache Kann kein Geschöpf so leicht
entfliehn, Gell.
Nach dem Dativ ist es ohne Tadel. Ein schwächlicher Leib
macht der Seele ihr Bemühungen schwer, Gell. Wenn die öftere Wiederhohlung
dieses Fürwortes Übelklang verursachen, oder dessen Beziehung zweydeutig werden
sollte, so kann man statt dessen auch die Demonstrativo-Relativa deren, dessen
oder derselben gebrauchen. Die Physik beschäftiget sich mit den Körpern; ihre
Absicht ist, die Natur derselben, (oder deren Natur, nicht aber ihre Natur,)
ihre Eigenschaften oder Verhältnisse zu entdecken. Aber nicht: die Sprachen
sind älter als die Regeln derselben, Gottsch. für, als ihre Regeln. Mit den
Hauptwörtern Halbe, Weg, Wille wird dieses Fürwort im gemeinen Leben und der
vertraulichen Sprechart gern zusammen gezogen, doch so, daß das letzte n in das
t euphonicum übergehet. Ihrethalben kann er kommen, ich habe es ihretwegen
gethan, ich sagte es um ihretwillen; für ihren Halben, ihren Wegen, um ihren
Willen. (
S. 2. Dein I.) Das n nebst dem t beyzubehalten ist ein
Übelklang, und wider die Analogie der übrigen zueignenden Fürwörter, welche in
meinethalben, deinetwegen, um euretwillen, seinetwegen u. s. f. insgesammt das
n wegwerfen. Ich habe ihretwegen die bittersten Thränen geweinet. Die Spinne
des Fontenelle bildete sich ein, daß der ganze kostbare Hausrath des Pallastes
um ihretwillen da sey. Das Höflichkeitswort Ihro und Ihre,
S. hernach besonders. II. Als ein Absolutum mit
Auslassung des Hauptwortes, welches auf gedoppelte Art geschiehet. 1) So daß
das ungewisse Geschlecht ihr adverbialiter gebraucht wird. Das Loos ist ihre,
(ihr,) Gell. Dieses Geld soll mit der Bedingung ihre, (ihr,) seyn, ebend. In
der anständigen Schreibart vermeidet man diese Art des Ausdruckes gern,
[
1359-1360] außer wo ihr der Dichter durch eine Inversion
einen kühnen Schwung geben könnte.
S. 2. Dein II. 1. 2) Außer der Adverbial-Form, so das es
sich auf ein vorher gegangenes oder darunter verstandenes Hauptwort beziehet,
da es denn von dem conjunctiven Fürworte in der Declination bloß darin
abweicht, daß die erste und vierte Endung im Singular ihrer, ihre, ihres hat.
Das Haus, welches wir sahen, war ihres. Ich gab es nicht meinem Bedienten,
sondern ihrem. In der höhern Schreibart gebraucht man dafür lieber das
Abstractum der, die, das ihrige. Nach einem Genitiv gehöret es auch absolute in
die Sprache des gemeinen Lebens und des vertrauten Umganges. Die Geschichte der
Römer ist wohl so lehrreich, als der Griechen ihre Schriften, welche der
gelehrten Männer ihren nichts nachgeben. Mosts Stab verschlang der Zauberer
ihren. In der anständigern Schreibart lässet man sich eine kleine Umschreibung
nicht dauern; als die Geschichte der Griechen, Schriften, welche den Schriften
der gelehrtesten Männer nichts nachgeben.
S. Sein, welches auf eben diese Art gebraucht wird, und
die Sprachlehre. Bey dem Ottfried im weiblichen Geschlechte ira, bey dem Notker
hingegen in allen Endungen, Geschlechtern und Zahlen iro, im Nieders. ör.
S. auch Ihro. [
1359-1360]