Hüthen
Hüthen,
[
1337-1338] verb. reg. act. welches
ursprünglich scheinet sehen bedeutet zu haben, aber hernach nur in engerer
Bedeutung gebraucht wurde, in der Absicht sehen und beobachten, um ein Übel von
einem Dinge abzuwenden. 1. Überhaupt, sehen, Acht haben, damit einem Dinge
nichts Übels widerfahre, mit Inbegriff der Abwendung dieses Übels; mit der
vierten Endung der Sache. Das Haus hüthen, Acht haben, daß keine Diebe
einbrechen, kein Feuer auskomme u. s. f. Junge Mädchen sind schwer zu hüthen.
Der Geitzige hüthet sein Geld den ganzen Tag, lässet es nicht aus den Augen,
damit es ihm nicht gestohlen werde. Ich kann ihn nicht immer hüthen. Das Bett
hüthen müssen, figürlich, nicht aus dem Bette können, krank seyn. Das Zimmer
hüthen, nicht aus dem Zimmer gehen können. Ehedem gebrauchte man dieses
Zeitwort häufiger und fast in allen Fällen, wo man jetzt die Ausdrücke
bewahren, bewachen, die Wache haben, Acht auf etwas haben u. s. f. gebraucht;
da es denn im Oberdeutschen häufig mit der zweyten Endung verbunden wurde, und
noch verbunden wird. Eines Dinges hüthen. Des Hauses, des Zimmers, des Bettes
hüthen. Sin huoten zwenzig tusent man, ihn bewachen 20 000 Mann, in dem alten
Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Du sollt meines Volkes Israel
hüthen, 2 Sam. 5, 2. Daß er der Lade des Herren hüthete, sie bewachte, 1 Sam.
7, 1. Wo es auch zuweilen als ein Neutrum gebraucht wurde. Die Priester, die an
der Schwelle hütheten, die Wache hatten, 2 Kön. 12, 9. Di der Burg huhdin,
welche daselbst in Garnison standen, in dem alten Gedichte auf dem h. Anno. (
S. Behüthen, Verhüthen,) 2. In engerer Bedeutung. 1) Als
ein Reciprocum, sich hüthen, sich vorsehen, durch Vorsicht ein Übel zu
vermeiden oder abzuwenden suchen, entweder mit dem Bindeworte daß, oder mit dem
Vorworte vor. Man kann sich hier nicht genug hüthen. Hüthe dich vor Schaden.
Vor Feinden kann man sich wohl hüthen, aber nicht allemahl vor falschen
Freunden. Hüthet euch vor dem Verbannten, Jes. 6, 18. Hüthe dich, daß du nicht
fällst. (
S. Behuthsam,) 2) Das Vieh hüthen, eine Herde Vieh
hüthen, Acht geben, so wohl, daß ihr auf der Weide kein Schade widerfahre, als
auch, daß sie selbst keinen Schaden verursache. Gänse, Schafe, Pferde, Schweine
hüthen. Da er seines Vaters Esel hüthete, 1 Mos. 36, 24. Jetzt hüthe ich um
schlechten Lohn hier diese Ziegen Geßn. Im Oberdeutschen gleichfalls mit der
zweyten Endung. Sie hüthete der Schafe, 1 Mos. 29, 9. So will ich wiederum
weiden und hüthen deiner Schafe, Kap. 30, 31. Hüthen nicht deine Brüder des
Viehes in Sichem? 1 Mos. 37, 13.
S. Abhüthen. Daher die Hüthung in der ersten allgemeinen
und zweyten engern Bedeutung. (
S. auch Huthung) Bey dem Kero und Ulphilas huotan, im
Nieders. höden und hüden, im Angels. hydan, im Dän. hyte. Frisch sahe schon die
Übereinkunft mit dem Lat. cautus, cautela, cavere u. s. f. ein, fand es aber
nicht dienlich, den Ursprung beyder Wörter weiter zu verfolgen. Dem ersten
Anblicke nach scheinet es sehr wahrscheinlich, daß dieses Zeitwort gleichfalls
von dem veralteten Zeitworte hedan, hudan, bedecken, verbergen, Engl. to hide,
Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , abstamme, ja
wohl gar dieses Zeitwort selbst sey; (
S. der Hut und Haut,) Allein, wenn man bedenkt, daß der
Begriff des Sehens in allen dessen Bedeutungen sehr merklich hervor sticht, so
wird man es lieber zu weiden rechnen, so fern dieses mit hüthen gleichbedeutend
ist, bey dem Ulphilas vitan, welches mit dem Lat. videre sehr deutlich überein
kommt. Der Übergang des Hauchlautes in den Blaselaut darf niemanden befremden,
da selbiger im Deutschen und andern Sprachen in tausend unläugbaren Fällen
erweislich ist. Acht, achten, bewahren, warten, das Franz. garder, und andere
bedeuten ursprünglich gleichfalls sehen. [
1339-1340]