1. Hinter
1. Hinter,
[
1191-1192] eine Präposition, im Rücken
eines Dinges; im Gegensatze des vor. Es bezeichnet so wohl einen Ort, als eine
Ordnung. I. Einen Ort, wo es so wohl mit der dritten als auch mit der vierten
Endung des Hauptwortes verbunden wird. 1. Mit der dritten Endung, ein Seyn,
eine Ruhe in dem Rücken eines Dinges zu bezeichnen. 1) Eigentlich. Das hörete
Sava hinter ihm, hinter der Thür der Hütte, 1 Mos. 18, 10. Bestelle einen
Hinterhalt hinter der Stadt, Jos. 8, 2, 4. Hinter dem Tische sitzen. Hinter dem
Ofen liegen. Hinter der Mauer wohnen. Hinter dem Vorhange stehen. Hinter der
Hand sitzen, im Kartenspiele, im Gegensatze des Sitzens vor der Hand. Wohin
auch diejenigen Fälle gehören, wo das folgende Zeitwort zwar eine Handlung,
eine Bewegung bedeutet, welche aber doch als ruhend, als bleibend gedacht
werden kann. Der Herr schloß hinter ihm zu, 1 Mos. 7, 16. Mache die Thür hinter
dir zu. Jemanden hinter der Thür suchen. Jemanden hinter dem Pfluge wegnehmen.
Noch ist die Sonne nicht hinter dem Berge hervor gekommen. Du Fluß, der du mit
blendendem Silberglanze hinter jenen grauen Bergen hervor rauschelt, Geßn.
Allein, Es. 57, 8 hinter der Thür und Pfosten stellest du dein Geheimniß,
sollte billig die vierte Endung stehen; dagegen in der R. A. sich hinter einem
Berge verstecken, auch die vierte Endung stehen könnte, hinter einen Berg. In
eben dieser Gestalt hilft es verschiedene, größten Theils nur im gemeinen Leben
übliche Arten des Ausdruckes bilden. Hinter der Thür Abschied nehmen, heimlich
davon gehen, ohne Abschied weggehen. Hinter dem Berge halten, zurück halten,
seine wahre Absicht, seine wahren Gedanken verbergen. Mit etwas hinter dem
Berge halten, es nicht einem jeden bekannt machen. Er hat es hinter den Ohren,
er besitzt mehr Fähigkeit, als man vermuthen sollte. Hinter den Ohren noch
nicht trocken seyn, noch jung, noch nicht zu Verstande gekommen seyn. Hinter
einer Sache stecken, sie in geheim betreiben, befördern. Es steckt was
dahinter, es ist etwas Verdächtiges darunter verborgen. Ich muß sehen was
hinter ihm steckt, was für ein Mensch er ist. Das hat etwas hinter sich, es ist
etwas Wichtiges darunter verborgen. Es ist nichts hinter ihm, er ist ein
unbedeutender Mensch, er besitzt keine Fähigkeiten. Es ist ein Schalk hinter
ihm, er ist ein heimlicher Schalk. Er hat es hinter meinem Rücken gethan, ohne
mein Wissen. 2) Figürlich, ohne Wissen des andern; wo es doch nur im
Oberdeutschen am üblichsten ist. Der Knecht that es hinter seinem Herren, ohne
dessen Wissen. Er hat es hinter mir gethan. Wo es mit Pronominibus im
Oberdeutschen auch mit der zweyten Endung gefunden wird, hinter meiner, hinter
seiner, ohne mein, ohne sein Wissen. 2. Mit der vierten Endung, eine Bewegung
nach einem Orte, im Rücken eines Dinges. Loths Weib sahe hinter sich, zurück, 1
Mos. 19, 26. Die Wolkensäule trat hinter sie, 2 Mos. 14, 19. Er soll das
Bocksblut hinein bringen hinter den Vorhang, 3 Mos. 16, 2. Boas legte sich
hinter eine Mandel, Ruth. 3, 7. Du wirfst meine Gebothe hinter dich, Pf. 50,
17. Er kann weder hinter sich noch vor sich. + Jeman- den hinter die Ohren
schlagen. Sich hinter die Thür stellen.
Es hören meinen Stolz Belt, Donau, Wolga, Rhone, Und weichen
hinter mich, Raml.
So auch in den figürlichen R. A. Sich hinter eine Sache
stecken, sie heimlich befördern. Sich hinter jemanden stecken, ihn ins geheim
als ein Werkzeug zu Erreichung einer Absicht gebrauchen. Hinter eines Sprünge
kommen, seine Schelmerey entdecken. Hinter die Wahrheit, hinter eine Sache
kommen, sie entdecken, erfahren. Endlich bin ich doch hinter das Geheimniß
gekommen. Recht als ob es der Himmel hätte haben wollen, daß ich hinter ihre
Schliche kommen sollte, Gell. Jemanden hinter das Licht führen, ihn heimlich
hintergehen. Sich etwas hinter die Ohren schreiben, es sich merken, um es bey
Gelegenheit ahnden zu können. Die Pferde hinter den Wagen spannen, eine Sache
verkehrt anfangen. II. Die Ordnung, mit der dritten Endung. 1) Hinter einander,
einer hinter oder nach dem andern. Hinter einander gehen, trinken, laufen
werfen u. s. f. Sie starben alle hinter einander weg. Sechs Jahre hinter
einander. Er aß frisch hinter einander weg, ohne abzubrechen. 2) Mit der
Partikel her. Hinter jemanden her laufen, hinter ihm laufen und diese Ordnung
behalten. Hinter ihnen her ausziehen, Czech. 5, 14. Ich will das Schwert hinter
ihnen her schicken, Jer. 49, 37. Ingleichen, hinter einer Sache her seyn, sie
mit Eifer betreiben. Hinter einer Person her seyn, sie verfolgen; wofür man
auch sagt, hinter ihr darein seyn. Wo es auch zuweilen eine Zeitfolge bedeutet,
und die Gestalt eines Nebenwortes hat. Ich habe das Vergnügen noch lange hinter
her empfunden, noch lange nachher. Sein Verhalten hinter her prüfen, nach
geschehener Sache. Du wirst es hinter her bedauern. Für hinten nach. Anm. 1. Im
gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart wird dieses Vorwort häufig mit
dem Artikel zusammen gezogen; hinters, hintern, hinterm, für hinter das, hinter
den, hinter dem. Anm. 2. Dieses Vorwort wird mit Wörtern allerley Art zusammen
gesetzet, wo es denn bald seine eigentliche Bedeutung behält. bald eine
figürliche annimmt. Mit Partikeln, wie hinterhalb, hinterwärts, und das im
gemeinen Leben übliche hinterrückts; wohin aber nicht hinter her (wenigstens
nicht im eigentlichen Verstande,) und hinter einander gehören, welche keine
wahren Zusammensetzungen sind. Mit Beywörtern, hinterlistig, hinterständig,
hinterstellig u. s. f. Mit Hauptwörtern, dergleichen im folgenden viele
vorkommen, wo es aber vielmehr das folgende Beywort ist. Endlich auch mit
Zeitwörtern, wo der Ton von dem Vorworte auf das Zeitworte tritt, da es denn
zugleich eine untrennbare Partikel ist, welche in den sonst gewöhnlichen Fällen
nicht hinter das Zeitwort geworfen werden kann, sondern mit demselben
vereiniget bleibet; dergleichen hinterbleiben, hinterbringen, hintergehen,
hinterhalten, hinterlassen, hinterlegen, hinterschleichen und hintertreiben
sind. Ich hinterbringe dir eine Neuigkeit, hintertreib die Sache u. s. f. Eben
um deßwillen verlieren diese Zeitwörter auch in den zusammen gesetzten Zeiten
das gewöhnliche Augmentum ge; er ist hinterblieben, die hinterhaltene Sache,
hinterlegtes Gut. Das im gemeinen Leben übliche hinterstreichen, zurück
streichen, weicht von dieser Regel ab, weil der Ton nicht nur auf dem Vorworte
ruhet, sondern das Vorwort auch hinter das Zeitwort tritt, und diesem sein
Augment lässet; er strich die Haare hinter, hinter gestrichen. Indessen
scheinet es hier vielmehr das folgende Nebenwort hinter, für hinunter, zu seyn,
[
1193-1194] daher man es auch billig getheilet schreibt,
hinter streichen. Es gibt zwar noch einige Fälle, wo das Vorwort hinter in der
Zusammensetzung mit Zeitwörtern den Ton hat, und daher auch hinter das Zeitwort
geworfen wird; allein sie sind sehr elliptisch und nur im gemeinen Leben
üblich. Er bleibt immer hinter, hinter uns, zurück, dahinter. Treib das Vieh
hinter, dahinter. Anm. 3. Bey dem Ottfried hinter, bey dem Notker hinder, bey
einigen der neuern Oberdeutschen, so wie im Niedersächsischen, gleichfalls
hinder, im Engl. behind. Die erste Sylbe dieses Wortes ist vermuthlich, so wie
in hinten, das veraltete und noch im Schwedischen übliche Fürwort hin, jener,
welches dem hi, dieser entgegen gesetzet ist. Die letzte Sylbe hält Frisch für
das Nebenwort dar, es kann aber auch das alte Ur, area, ein Ort, seyn, (
S. Hier und Ort,) welches nur das t euphonicum vor sich
angenommen hat. Im Oberdeutschen ist für hinter auch after und im Nieders.
achter üblich. [
1193-1194]