Geringe
Geringe,
[
589-590] -r, -ste, adj. et adv.
welches, 1. Eigentlich, einen kleinen körperlichen Umfang in de Dicke bedeutet
zu haben scheinet, da es denn so viel ist als dünn, und dem was dick ist
entgegen stehet. In dieser im Hochdeutschen größten Theils veralteten Bedeutung
sagt man noch im Oberdeutschen ring oder gering von Leibe, von Person, für
schlank oder geschlank. Ein geringer oder schmaler Hirsch ist eben daher bey
den Jägern ein magerer Hirsch. 2. In weiterer Bedeutung, wird dieses Wort oft
von einem jeden so wohl körperlichen als unkörperlichen kleinen Umfange
genommen, und stehet alsdann entgegen, was man groß zu nennen pfleget. Nach dir
wird ein ander Königreich kommen, geringer denn deines, Dan. 2, 39. Es ist
besser geringe Klugheit mit Gottesfurcht, denn große Klugheit mit Gottes
Verachtung, Sir. 19, 21. Ein geringer Vorrath. Ein geringer Umfang von
Wahrheiten. Größern oder geringern Antheil an etwas nehmen. Sich zu der
geringsten Fähigkeit des großen Haufens herab lassen. Eine geringe Kenntniß von
etwas haben. Eine geringe Bewegung. Das machte keinen geringen Eindruck auf
ihn. Einem die Gefahr sehr geringe machen. Nicht die geringste Zeit haben. In
einem sehr geringen Zeitraume. Nicht der geringsten Abwechselung unterworfen
seyn. Das ist meine geringste Sorge. Der Geringere am Geiste fühlet in dem
Umgange mit der Demuth seine Schwäche nicht, Gell. 3. Besonders. 1) Der Schwere
nach, für leicht; zuweilen noch im gemeinen Leben, besonders Oberdeutschlandes.
Es ist um ein Loth zu geringe. Ring oder gering vom Gewichte. Dem Held war sein
Herz ganz gering, d. i. leicht, Theuerd. Kap. 85. 2) Dem Werthe, der Würde, der
Achtung nach. (a) Der innern Güte nach, für schlecht. Geringes Erz, im
Bergbaue; welches wenig Gehalt hat. Geringer Wein, geringes Bier. Jedermann
gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken worden sind, alsdann den
geringern. Joh. 2, 10. Eine geringe Waare. Ein geringes Tuch. Geringe Leinwand.
In einem geringen Sommerkleide gehen. Geringe Speisen. (b) Dem Werthe nach. Ein
geringes Amt. Ein geringes Einkommen haben. Ein geringer, niedriger, Preis. Ein
geringes Geschenk. Es wird ein Geringes kosten. Ich kann es nicht geringer
(wohlfeiler) geben. Ich konnte es für ein Geringes haben. Etwas geringe
schätzen, achten, halten. Eine sehr geringe Meinung von etwas haben, es sehr
geringe schätzen. (c) Der Wichtigkeit nach, für unerheblich. Geringe Vorfälle
unsers Lebens. Eine geringe Beleidigung. Ein geringer Gewinn. Nicht geringen
Nutzen von etwas haben. Ein geringer Diebstahl, der eine Kleinigkeit betrifft.
Eine geringe Ursache. Der Schluß vom Kleinern auf das Größere, vom Geringen auf
das Erhebliche. Ein geringes Dorf, ein geringer Ort, eine geringe Stadt. Laß
mich die geringste deiner Sorgen empfinden, Dusch. Er bildet sich nichts
Geringes ein, hält sich für eine wichtige Person. Dahin auch die Art der
verstärkten Verneinung gehöret im geringsten, oder im geringsten nicht. Sind
sie nicht erschrocken? Antw. im geringsten nicht, keinesweges. Ohne im
geringsten (auf keine Weise) an ihn zu denken. (b) Der Achtung nach, der Würde
nach. Alles Gold ist gegen sie wie geringer Sand, Weish. 7, 9. Die Weisheit
regierete den Gerechten durch ein gering Holz, Kap. 10, 4. Auch seiner eigenen
Achtung nach, für unwürdig. Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, 1
Mos. 32, 10. Ich bin hierzu zu geringe. Besonders (e) der bürgerlichen Achtung,
den Stande, der Würde nach, da es dem vornehm entgegen gesetzet ist. Ihr sollt
nicht vorziehen den Geringen, noch den Großen ehren, 3 Mos. 19, 15. Priester
von (aus) den geringsten im Volk, 1 Kön. 12, 31. Ich bin ein armer geringer
Mann, 1 Sam. 18, 23. Es sind bloß geringe Leute. Ein geringer Mensch. Leute von
geringem Stande. Ein Mädchen von geringem Herkommen. Anm. In den gemeinen
Mundarten oft nur ring. Bey dem Kero bedeutet ring leicht, in eigentlichen
Verstande, und bey dem Ottfried giringo leicht, im figürlichen. Bey eben
demselben sind Worto ungiringo harte Worte. Das Nieders. ring bedeutet so wohl
leicht, als klein. Im Franz. ist rien nichts, und im Wallis. cryn mittelmäßig.
Im Schwed. bedeutet ring gleichfalls schlecht, unerheblich. Frisch hat den
wunderlichen Einfall, es stamme von dem Hauptworte Ring, annulus, ab, welches
ehedem auch wohl eine Null bedeutet haben könne. Allein es scheinet vielmehr zu
dem noch in Baiern üblichen rahn, rahnig, schlank, geschlank, zu gehören,
welches wiederum mit Rand verwandt zu seyn scheinet.
S. auch Rank. In den gemeinen Sprecharten hat man auch
die Hauptwörter die Geringheit und Geringigkeit, wofür aber im Hochdeutschen
Gerinfügigkeit üblicher ist. Da das g am Ende, wenn ein n vorher gehet, wie ein
gelindes k lautet, Schwung, jung, Ding, Ring; so behält es in diesem Worte
seinen ursprünglichen noch gelinden Laut, daher man, selbigen zu bezeichnen,
billig das e euphonicum anhängen sollte, geringe, ungeachtet solches nicht alle
Mahl geschiehet. [
591-592]