Die Gerechtigkeit
Die Gerechtigkeit,
[
579-580] plur. die -en, das Abstractum
des vorigen Bey- und Nebenwortes, es Zustand, da eine Person oder Sache gerecht
ist; nur in einigen Bedeutungen dieses Wortes. 1. Der Zustand der sittlichen
Vollkommenheit, ohne Plural; in welchem Verstande es zuweilen von Gott
gebraucht wird, so wohl im weitern Verstande, die innere sittliche
Vollkommenheit desselben zu bezeichnen, da sie mit der Heiligkeit einerley ist,
als auch im engern, von der genauen Beobachtung des Besten in der Einrichtung
aller seiner Werke, da sie auch die Weisheit mit unter sich begreift. Auch von
Menschen kommt es in der Deutschen Bibel häufig vor, die möglichste sittliche
Vollkommenheit derselben zu bezeichnen, wo es aber füglicher zur folgenden
Bedeutung gerechnet wird.
S. Gerecht 3. 2. Der Zustand, da eine Sache dem Rechte,
einer Befugniß gemäß ist. 1) Eigentlich; gleichfalls ohne Plural. Die
Gerechtigkeit einer Klage, eines Anspruches. Es ist besser wenig mit
Gerechtigkeit, denn viel Einkommens mit Unrecht, Sprichw. 16, 8. Noch mehr, 2)
das Recht oder die Befugniß selbst, und ein Ding, welches jemanden vermöge
eines Rechtes zukommt; welches der einzige Fall ist, wo dieses Wort einen
Plural leidet. Eine Stadt hat viele Gerechtigkeiten, wenn sie viele Rechte,
Vorrechte oder Gerechtsamen hat. Eines Gerechtigkeit schmälern. Mußtheil,
Gerade und andere weibliche Gerechtigkeiten. Die Gerechtigkeit haben etwas zu
thun. Stadtgerechtigkeit, das Recht eine Stadt vorzustellen; Meßgerechtigkeit,
die Befugniß eine Messe zu halten; Mühlgerechtigkeit, das Recht eine Mühle zu
halten u. s. f. Siehe Gerecht 4. 3. Der Zustand, da eine Person oder Sache dem
Gesetze und den daraus erwachsenden Pflichten gemäß ist; wo es in eben so
vielen Einschränkungen gebrauchen wird, als das Bey- und Nebenwort gerecht, und
gleichfalls keinen Plural leidet. 1) Im weitesten Verstande, das ganze
rechtmäßige Verhalten des Menschen, oder die gesammte Beobachtung aller seiner
Pflichten; in welchem es in der Deutscher Bibel sehr häufig ist, außer der
biblischen Schreibart aber nicht gebraucht wird. In Gerechtigkeit wandeln, 2
Kön. 3, 6. Gerechtigkeit war mein Kleid, Hiob. 29, 14; und so in andern Stellen
mehr. Bey dem Ottfried Girihti im Isidor Rehtunga. 2) In engerm Verstande, das
ganze rechtmäßige Verhalten Christi, auch so fern es in der Rechtfertigung dem
Menschen angerechnet und zugeeignet wird; gleichfalls nur in der Deutschen
Bibel, und der biblischen Sprechart. Durch eines Menschen Gerechtigkeit ist die
Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen kommen, Röm. 5, 18. Die
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, 2 Cor. 5, 21. 3) In noch engerer Bedeutung,
die Beobachtung der Pflichten gegen andere, auch mit Einschließung der
unvollkommenen Pflichten, und die Fertigkeit solcher Beobachtung. Ingleichen
objective, die Eigenschaft einer Sache, vermöge welcher sie den Rechten des
andern gemäß ist. Sich der Gerechtigkeit gegen jedermann befleißigen. Sie
lassen mir keine Gerechtigkeit widerfahren, wenn sie glauben, ich habe bey
meinem Dienste auf eine Belohnung gesehen. Die Gerechtigkeit der Gnadenwahl. 4)
In der engsten Bedeutung, die Beobachtung der durch ein Gesetz bestimmten
Pflichten, die Erfüllung des strengen Rechtes gegen andere, die Fertigkeit
dieser Erfüllung, und zuweilen auch dieses Recht selbst. (a) Unter gleichen
Personen, welche von einigen die Justitia aequatoria genannt wird. (b) Unter
ungleichen Personen, besonders Höherer gegen Geringere, Justitia rectoria, das
rechtmäßige Verhalten gegen Geringere, welches überhaupt in der thätigen
Beweisung des Mißfallens an ihren unrechtmäßigen und des Wohlgefallens an ihren
rechtmäßigen Handlungen bestehet, und im höchsten Verstande auch Gott zukommt.
In etwas engerm Verstande bestehet diese Gerechtigkeit in dem Schutze eines
jeden bey dem Seinigen, und in der Verbindlichkeit dazu; da sie denn in den
schönen Künsten unter dem Bilde einer Person weiblichen Geschlechtes mit
verbundenen Augen vorgestellet wird, welche in der einen Hand eine Wagschale,
und in der andern ein bloßes Schwert hält. Die Gerechtigkeit lieben, handhaben.
Diener der Gerechtigkeit, die dazu verordneten Personen. Einem Gerechtigkeit
widerfahren lassen. Über die Gerechtigkeit halten. Der Gerechtigkeit ihren Lauf
lassen. Das ist wider alle Gerechtigkeit. Figürlich werden zuweilen auch die zu
diesem Schutze verordneten Personen die Gerechtigkeit genannt. Die
Gerechtigkeit um Schutz, um Hülfe anflehen. Vor der Gerechtigkeit erscheinen.
Jemanden der Gerechtigkeit überliefern. Nieders. Rechtigheit, im Schwabensp.
Rechtikait, Schwed. Rättighet. [
581-582]