Der Geist
Der Geist,
[
511-512] des -es, plur. die -er, ein
buchstäblich nach dem Lat. Spiritus gebildetes Wort, von welchem es auch seine
Bedeutungen entlehnet hat, welche ungefähr auf folgende Art geordnet werden
können. 1. * Der Wind, und in weiterer Bedeutung auch der Athem, der Hauch;
welches die erste Bedeutung, so wohl dieses Wortes als auch des Lat. Spiritus,
des Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , das Hebr.
Ruach u. s. f. ist, und eine Nachahmung des Schalles ist, welcher durch den
Wind und Athem in vielen Fällen verursacht wird: Der Geist geistet, wo er will,
Kaisersb. d. i, der Wind bläset, wo er will. Gott geistet (blies) in sein
Antlitz den Geist des Lebens, (den lebendigen Athem,), in einer Deutschen Bibel
von 1483. In einer andern Bibel dieses Jahrhundertes ist eingaysten einblasen;
in welchem Verstande auch ingeisten bey dem Jeroschin vorkommt. Im
Angelsächsischen bedeutet gust gleichfalls blasen, und im Schwed. ist Gust und
im Isländ. Gioste, das Blasen. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung
längst veraltet.
S. Gäscht. 2. Ein flüssiges, flüchtiges, wirksames, und
mit dem Wasser mischbares Wesen, welches theils in der Gährung entwickelt,
theils auch durch die Destillation aus verschiedenen Körpern gezogen wird, und
die wirksamsten Theile derselben enthält, Latein. Spiritus. 1) Eigentlich. Der
Wein, das Bier hat vielen Geist, viele flüchtige wirksame Theile. Weingeist,
Vitriolgeist, Salpetergeist u. s. f. Der Plural ist hier von mehrern Arten
gebräuchlich. Flüchtige Geister, Spiritus volatiles, welche in ein wenig Öhl
verwickelt sind, welches sie mit sich fortführen. Feste oder feuerbeständige
Geister, Spiritus fixi, welche mit Salzen verbunden sind, die ihre Flüchtigkeit
zurück halten, dergleichen die sauren Geister des Vitriols, Alaunes und Salzes
sind. Doch ist bey vielen in dieser ganzen Bedeutung das Lat. Spiritus
üblicher. 2) Figürlich bey einigen Neuern, das Beste, Wesentlichste, Wirksamste
aus einem Buche oder aus einer Schrift, der Kern, nach dem Franz. Esprit. Der
Geist der Journale, kernhafter Auszug aus denselben. Der Geist des Weltweisen
zu Sans-Souci. 3. Ein feines, flüssiges Wesen, welches von verschiedenen Ärzten
und Zergliederern in den Nerven der Menschen und Thiere angenommen wird, und
die wirkende Ursache, oder doch wenigstens das erste und vornehmste Hülfsmittel
nicht nur aller Bewegungen, sondern auch aller Empfindungen seyn soll, und auch
der Nervensaft, Fluidum nerveum, ingleichen die Lebensgeister, Spiritus vitales
genannt wird. In dieser Bedeutung ist es nur im Plural üblich. Seine Geister
waren durch das frühe Aufstehen ganz erschöpft. Ingleichen nach einer noch
weitern Figur. 4. Das Leben, die Lebenskraft. 1) Eigentlich in welcher
Bedeutung es nur in einigen Stellen der Deutschen Bibel vorkommt. Das ging
alles zu Noah in den Kasten bey Paaren, von allem Fleisch, da ein lebendiger
Geist innen war, 1 Mos. 7, 15. Gott, der du bist ein Gott der Geister alles
Fleisches, 4 Mos. 16, 22. 2) Figürlich, die wirkende, thätige Kraft einer
Sache, in der weitesten Bedeutung. Die Worte, die ich rede, sind Geist und
Leben, Joh. 6, 63.
Die Liebe die nicht kränkt, ist Liebe sonder Geist, Gell.
Von dem Geiste des Widerspruches besessen seyn. Der Geist der
Kaufmannschaft ließ die Bürger zu Carthago nur auf den Erwerb der Reichthümer
sinnen. 5. Die mit dem menschlichen Körper verbundene einfache Substanz, welche
mit der Kraft zu denken und zu wollen begabet ist, die Seele; ohne Plural, die
letzte siebente Unterbedeutung ausgenommen. 1) Eigentlich und überhaupt. Denn
des Menschen Geist muß davon, Pf. 145, 4. Der Geist muß wieder zu Gott, der ihn
gegeben hat, Pred. 12, 7. Den Geist aufgeben, sterben. Je mehr mir der Leib
abstirbt, desto heller steht mein Geist hinaus in die Unsterblichkeit. Die
Bildung seines eigenen Geistes versäumen. Die Gegenwart des Geistes,
S. Gegenwart. 2) Figürlich, in Beziehung auf die
einzelnen Kräfte dieses Wesens und deren Verbindung; ohne Plural. (a) Am
häufigsten in Beziehung auf dessen Kraft zu denken, zu vergleichen, zu
schließen, auf die Kräfte des Verstandes, so wie Seele mehr von den
Bedeutungskräften gebraucht wird. [
513-514] Mein Geist
muß forschen, Pf. 77, 7. Etwas im Geiste betrachten, es sich in Gedanken
vorstellen. Im Geiste sehe ich ihn schon. Meisterstücke des menschlichen
Geistes. Groß an Gestalt, an Geiste klein. Weiße. Wo es auch oft den mit
Scharfsinn verbundenen lebhaften Witz bezeichnet. Ein Mann von vielem Geiste.
Er hat viel Geist. In der Stelle 1 Thess. 5, 23, bedeutet Geist die obern,
Seele aber die untern Kräfte. In andern biblischen Stellen bedeutet Geist,
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , oft die höheren Grade
der moralischen Erkenntniß, im Gegensatze der gemeinten äußeren Handlungen an
und für sich, wie sie durch Gesetze bestimmt werden. (b) Zuweilen auch in
Beziehung auf dessen Kraft zu begehren und zu wollen; das Gemüth. Einen hohen
Geist haben, nach hohen Dingen streben. Am häufigsten kommt es in diesem
Verstande in der Deutschen Bibel vor. Ein Mann, der seinen Geist nicht halten
kann, Sprichw. 25, 28. Ein Narr schüttet seinen Geist gar aus, Kap. 29, 11. Ein
zerschlagener und demüthiger Geist, Es. 57, 15. (c) Die Gesinnung,
Gemüthsfassung; doch nur in der biblischen Schreibart. Der kindliche Geist, die
kindliche Gesinnung gegen Gott. Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht
sein. Mit Gott zu einem Geiste verbunden werden, 1. Cor. 6, 17. Der Geist des
Gemüthes, Ephes. 4, 22, die innere Gemüthsfassung. Die Gemeinschaft des
Geistes, einerley Gesinnung. (d) Eigenthümliche Art zu denken und zu handeln.
O, daß doch sein Geist zwiefältig auf mich ruhen wollte! Der National-Geist
eines Volkes. Wenn einmahl ein Luther in dem Geiste ganzer Nationen eine
Hauptveränderung hervor bringt. (e) Die in der Bekehrung hervor gebrachte neue
Fertigkeit, im Gegensatze des Fleisches; doch nur in der Deutschen Bibel, wo
dieser Zustand auch der geistliche Sinn, der geistliche Mensch genannt wird.
Was vom Geist geboren wird, das ist Geist, Joh. 3, 6. Die nicht nach dem
Fleische wandeln, sondern nach dem Geist, Röm. 8, 1. Wandelt im Geist, Gal. 5,
16. (f) Muth, Herzhaftigkeit; auch nur in der Deutschen Bibel. Da kam er Geist
des Herrn auf Jephthah, Richt. 11, 29; darauf ging Jefta mit einem göttlichem
Muthe beseelet, u. s. f. Michael. Und der Geist des Herrn war in ihm, Kap. 3,
10; diesem gab Gott Muth, Michael. Gott erweckte den Geist eines jungen Knaben,
Hist. der Sus. V. 45. (g) Die ganze Person, vornehmlich in Ansehung ihrer
Verstandesstärke und der Art der Anwendung derselben. Glaubet nicht einem
jeglichen Geiste, 1 Joh. 4, 1. Ein jeglicher Geist, der da bekennet, V. 2, 3.
Im Hochdeutschen nur mit gewissen Beysätzen, welche die Art zu denken näher
bestimmen. Ein starker Geist, der ohne alle Vorurtheile zu denken vorgibt, im
Gegensatze eines schwachen Geistes; ein Freygeist. Der Stolz ist nicht etwa nur
ein Antheil unverständiger Seelen und kleiner Geister, Gell. Gemeine Geister
sind zufrieden, wenn sie ihren Gegnern ihre jetzigen Tage vergiften. Ein
schöner Geist, bey welchem die sinnlichen Empfindungen, die Einbildungskraft,
und der Geschmack gemeinschaftlich wirken. Es ist nicht ehe eine Anzahl von
guten Dichtern aufgestanden, als bis ein großer Geist durch ein Meisterstück
den Wetteifer erreget hat, Dusch. Der seltene und erhabene Geist, der kühn
genug ist, sein Original selbst zu werden. Ein philosophischer Geist, ein Mann,
der den Zusammenhang und die Ursachen der Dinge zu erforschen sucht. So auch
die Zusammensetzungen Flattergeist, Schwindelgeist, Irrgeist u. s. f.
[
515-516] 6. Die göttliche Natur Christi, im Gegensatze
des Fleisches, oder der menschlichen; doch nur in einigen Stellen der Deutschen
Bibel. Ein Sohn Gottes nach dem Geist, Joh. 1, 4. Und ist getödtet nach dem
Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist, 1 Petr. 3, 18. 7. Die dritte
Person in der Gottheit, nicht um ihres geistigen Wesens, sondern um des
Ausgehens willen von dem Vater und Sohne, welches in der heil. Schrift ein
Aushauchen genannt wird. So wohl schlechthin der Geist, wie Matth. 4, 1, Marc.
1, 10; als auch mit allerley Beysätzen, da er in der Deutschen Bibel der Geist
Gottes, der Geist des Herren, der Geist des Vaters, der Geist Christi u. s. f.
am häufigsten aber der heilige Geist genannt wird. Figürlich werden in der
Bibel auch wohl dessen Gaben und Wirkungen der Geist, der heilige Geist und
zuweilen auch im Plural die Geister genannt. Die sieben Geister, Offenb. 1, 4,
Und die Geister der Propheten sind den Propheten unterthan, Cor. 14, 32. 8. Ein
jedes einfaches Wesen, welches die Kraft zu denken und zu wollen besitzet. 1)
Überhaupt. Gott ist ein Geist. Die erschaffenen oder endlichen Geister, zum
Unterschiede von Gott dem unerschaffenen oder unendlichen Geiste. Swedenborg
glaubte in einem vertrauten Umgange mit den Geistern zu stehen. 2) Besonders
verschiedene Arten derselben. So werden die Engel Hebr. 1, 7, Ps. 104, 4 nur
schlechthin Geister genannt. Die guten Geister, die guten Engel, zum
Unterschiede von den bösen, oder Teufeln. Im gemeinen Leben druckt man mit dem
Worte Geist oft ein solches Wesen höherer Art aus, ohne eben zu bestimmen, ob
es zu den guten oder bösen Geistern gehöre. Es lässet sich ein Geist sehen. ein
Gespenst. Es ist ihm ein Geist erschienen. Anm. In der 5ten, 7ten und 8ten
Hauptbedeutung lautet es bey dem Kero Keist, im Isidor Gheist, bey dem Ottfried
Keist und Geist, im Angels. Gast, im Nieders. Geest, im Holländ. Gheest, im
Engl. Ghost, im Dän. Geist, im Schwed. Gast. In der Bedeutung eines Gespenstes
leitet es Ihre sehr unwahrscheinlich von dem Engl. gastly, Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , schrecklich, her. Im Plural lautet
es bey dem Tatian Geista, und noch in dem 1483 gedruckten Buche der Natur die
Geyst. Zu dem Geschlechte dieses Wortes gehöret auch das Nieders. gissen,
muthmaßen, Schwed. gissa, Engl. to guess, Angels. gaetan, wovon unser vergessen
abstammet,
S. dasselbe. [
515-516]