Der Geißel
Der Geißel,
[
511-512] des -s, plur. ut nom. sing.
überhaupt ein jeder, der mit seinem Leibe für etwas Bürge wird; ehedem auch ein
Leibbürge. In dieser allgemeinen Bedeutung ist es im Deutschen veraltet, wo man
es nur noch, in engerem Verstande, von Leibbürgen gebraucht, welche im Kriege
zur Sicherheit so wohl anderer Personen als auch gethaner Versprechen, gegeben
und genommen werden, da es denn in der mehreren Zahl am üblichsten ist, ohne
doch die erste auszuschließen. - Dazu mußte er den Römern Geisseln (Geißel),
schicken, Macc. 8, 7. Und nahm der vornehmsten Leute Kinder zu Geiseln
(Geißel), Kap. 9, 53; Kap. 11, 62. Wilt du mir seine zween Söhne zu Geiseln
(Geißeln) geben, Kap. 13, 17. Einander Geißel geben. Jemanden als Geißel, oder
zum Geißel behalten. In bürgerlichen Sachen ist das Wort Bürge üblicher. Anm.
Bey dem Stryker und andern alten Oberdeutschen Schriftstellern heißt ein
solcher Geißel Gisel, Geisel, Gisele, im mittlern Lat. Gisilis und Hospes, im
alten Franz. Hoste, ein Gast, im Nieders. Gisel, Giseler, Gyßler und Geißler,
im Angels. Gisel und Gisle, im Isländ. Gisl, Gisling, im Schwed. Gissel, Gisle;
im Dän. Gidsel. Die Abstammung dieses Wortes ist noch ungewiß. Dietrich von
Stade leitet es von sellan, übergeben, ab, welches aber um deßwillen nicht
Statt findet, weil der auf der ersten Sylbe liegende Ton deutlich genug
erweiset, daß nur sie die Stammsylbe ist, el aber als die gewöhnliche Endung
angesehen werden muß, welche eine handelnde Person oder ein Werkzeug bedeutet.
Wachters Ableitung vom Angels. gyse, Engl. yes, ja, ist noch
unwahrscheinlicher. Frisch lässet es von gis, oder ger, begehren, Ihre von
gaeta, bewahren, Gäsla, Gisla, der Verhaft, und das Bremisch-Niedersächsische
Wörterbuch von dem alten gisen, können, vermögen, abstammen. Man muß dabey
merken, daß dieses Wort ehedem in einem sehr weiten Umfange der Bedeutung
genommen wurde, indem es bey den Longobarden nicht nur einen Zeugen bedeutete,
sondern auch in neuern Schriften von einem jeden Unterpfande gebraucht wird,
daher bey dem Serarius auch Geißelschlösser vorkommen, Schlösser, die man zum
Unterpfande gibt. In der Bedeutung eines Leibbürgen waren statt dieses Wortes
ehedem auch die Benennungen Leistbürge, und Pfandmann üblich. Die dieses Wort
mit einem s, Geisel, schreiben, wollen es dadurch vermuthlich von dem folgenden
Worte unterscheiden, sündigen aber wider die unläugbare Aussprache, welche sehr
deutlich ein ß hören lässet. Es scheinet, daß dieses Wort auch bey einigen im
weiblichen Geschlechte gebraucht werde, da es denn im Plural die Geißeln hat.