Fürchten
Fürchten,
[
365-366] verb. reg. act. Furcht
empfinden. 1. In der eigentlichen Bedeutung des Hauptwortes, eigentlich vor
Furcht zittern, aber in weiterer Bedeutung auch von geringern Graden dieser
Empfindung, und zwar mit der vierten Endung der gefürchteten Sache. Ich fürchte
(fürchtete) das Volk und gehorchte ihrer Stimme, 5 Sam. 15, 24. Der so aller
Herr ist, wird keines Person fürchten, Weish. 6, 8. Fürchte den Tod nicht, Sir.
41, 5. Nur der fürchtet die Verachtung, der heimlich empfindet, daß er sie
verdienet, Hermes. Entschlossen, Bedrückungen zu ertragen, die er vermuthen
konnte, aber nicht zu fürchten schien, Sonnenf. Das Laster scheut die Ewigkeit,
weil es genöthiget ist, einen Gott knechtisch zu fürchten, Gell. Meinen Oheim
fürchte ich mehr als meine Mutter. Ein gebranntes Kind fürchtet das Feuer. Ein
Kind fürchten machen, nicht zu fürchten. Ingleichen in Gestalt eines Reciproci,
mit der vierten Endung der Person, sich fürchten. Er fürchtet sich
außerordentlich. Ich fürchte mich, zu ihm zu gehen, hier zu bleiben u. s. f.
Die Sache, welche der Gegenstand der Furcht ist, bekommt das Vorwort vor mit
der dritten Endung. Sich vor dem Tode, vor dem Gewitter, vor der Strafe, vor
einem Menschen fürchten. Wo es im gemeinen Leben oft absolute gebraucht wird,
für sich vor Gespenstern fürchten. Er fürchtet sich nicht. Sich des Lebens
fürchten, Jos. 9, 24, wegen seines Lebens in Furcht stehen, ist im
Hochdeutschen ungewöhnlich; doch sagt man im gemeinen Leben, sich der Sünde
fürchten, sich scheuen selbige zu begehen. Wenn ihr euch der Sünde nicht
scheuet, so solltet ihr euch der Schande fürchten, Hermes. 2. Figürlich. 1)
Sich fürchten, jemanden zu beleidigen, Ehrfurcht vor ihm empfinden, wo es
besonders von der Ehrfurcht vor Gott, in Gestalt eines Activi mit der vierten
Endung des Hauptwortes gebraucht wird, und so wie Furcht oft den ganzen innern
und äußern Gottesdienst in sich begreift. Da die Kinder Israel wider den Herren
sündigten - und andere Götter fürchteten, 2 Kön. 17, 7. Fürchtet keine andere
Götter und bethet sie nicht an, V. 35, 37. Im Hochdeutschen gebraucht man es
nach dem Muster der Deutschen Bibel nur von der Ehrfurcht gegen den wahren
Gott, und von der aus Liebe herrührenden Scheu, ihn zu beleidigen. Gott
fürchten, den Herrn fürchten, des Herren Nahmen fürchten, sind Ausdrücke,
welche in diesem Verstande häufig in der Bibel vorkommen. 2) Sich ein Übel mit
Furcht als möglich vorstellen, für befürchten. Was der Gottlose fürchtet, das
wird ihm begegnen, Sprichw. 10, 24. Noch mehr absolute. Ich fürchte, daß wir
verschiedene Meinungen haben werden, Gell. Ich fürchte, daß mir diese
unglückliche Entdeckung schon mehr als zu bekannt ist, ebend. Auch mit
Auslassung des daß und vermittelst des Conjunctivi. Ich fürchte sehr, er werde
nicht kommen. Ich fürchte, er möchte es erfahren. Zuweilen auch mit dem
Indicative. Ich fürchte, man irrt sich nicht. Sehr unnöthig ist es, nach dem
Muster der Lateiner noch ein nicht einzuflicken. Sie fürchtet noch, daß nicht
ihr Vater hinter die Sache komme, Gottsch. für, daß ihr Vater hinter die Sache
kommen möchte.
Ich fürcht' Achat, daß meine Schwäche nicht, Wenn ich sie
sprechen will, aus jeder Sylbe spricht, Schleg.
Das Hauptwort die Fürchtung ist nicht üblich, obgleich
befürchten dasselbe leidet. Anm. Fürchten, bey dem Ulphilas faurhtan, bey dem
Ottfried forahten, im Niedersächs. mit Versetzung des r fruchten, Angels.
frihtan, Holländ. vruchten, Dän. frygte, Schwed. frukta.
S. Furcht. Im Oberdeutschen gehet es irregulär; Imperf.
ich furchte oder forchte, Mittelw. gefurchten; welche Form mehrmahls in der
Deutschen Bibel vorkommt. Ich hörte seine Stimme und furchte mich, 1 Mos. 3,
10. In eben dieser Mundart wird das Reciprocum sich fürchten auch mit der
dritten Endung der Person verbunden. Wieo ich mir furhte, Notk. Daß ich mir
vörcht, Theuerd, Kap. 52. [
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