Die Furcht
Die Furcht,
[
363-364] plur. car. die Unlust über ein
bevorstehendes Übel, es mag nun wirklich, oder nur in der Einbildung
bevorstehen. 1) Eigentlich, besonders über ein bevorstehendes physisches Übel.
Furcht haben, empfinden. Einem Furcht machen; im gemeinen Leben, ihm eine
Furcht einjagen. Jemanden in Furcht setzen. In Furcht gerathen. Vor Furcht
zittern. Wegen seiner Sache in Furcht seyn oder stehen. Etwas aus Furcht thun.
Einem die Furcht benehmen. Es kam ihn eine Furcht an. Voller Furcht seyn. Die
Sache, welche als ein Übel angesehen wird, oder die wirkende Ursache desselben
ist, bekommt das Vorwort vor. Die Furcht vor Gespenstern, vor dem Gewitter, vor
der Strafe, vor dem Tode. Im Oberdeutschen stehet sie mit Auslassung des
Vorwortes auch in der zweyten Endung. Die Furcht des Todes, Ps. 55, 5; Ebr. 2,
15. Die Furcht Gottes kam über alle Heiden, 1 Chron. 15, 17. Wenn Furcht die
Unlust über den möglichen Verlust eines erwarteten Guten ist, so wird sie der
Hoffnung entgegen gesetzt. Zwischen Furcht und Hoffnung schweben. Oft
bezeichnet man durch den Ausdruck Furcht die Furcht vor Gespenstern. Er weiß
von keiner Furcht. Ohne Furcht im Finstern gehen. 2) Figürlich, die
Vorsichtigkeit andere nicht zu beleidigen, Ehrfurcht. Furcht dem die Furcht
gebühret, Röm. 13, 7. Mit Furcht zur Verantwortung bereit seyn, 1 Petr. 3, 16.
Ein Mensch der weder Furcht noch Scheu hat. Die kindliche Furcht, wenn sie aus
Liebe herrühret. Die knechtische Furcht, wenn sie bloß Furcht vor der Strafe
ist. In engerm Verstande ist in der Deutschen Bibel und der
Gottesgelehrsamkeit, die Furcht vor Gott, oder nach der Oberdeutschen von
Luthern beybehaltenen Mundart, die Furcht Gottes, Gottesfurcht, die Sorgfalt,
alle Beleidigungen Gottes in seinem Thun und Lassen zu vermeiden, da denn
dieses Wort oft den ganzen innern und äußern Gottesdienst ausdruckt. In der
Furcht Gottes wandeln, Apostelg. 9, 31. Die Furcht des Herren ist der Weisheit
Anfang, Ps. 111, 10. Anm. Furcht, bey dem Ulphilas Faurht, bey dem Kero und
Ottfried Foraht, bey dem Notker Forht, im Isidor Forahta, im Angels. Ferht,
Firhto, im Nieders. mit der nicht ungewöhnlichen Versetzung des r, Frucht,
Engl. Fright, Holländ. Vrucht, Dän. Frygt. Es gehöret zu dem Geschlechte der
Wörter Befahren und Gefahr. Im Schwedis. bedeutet Fara und im Engl. Fear, noch
jetzt Furcht. Auch das Lat. Pavor und vereri, das Ital. Paura, das Franz. Peur,
und Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Schauer,
Schrecken, und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - oder
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Schauer empfinden, sind
genau damit verwandt, daher Furcht nicht von vor und achten herkommen kann, wie
sich manche wegen der alten gedehnten Schreibart Foraht eingebildet haben. Es
bedeutete ursprünglich denjenigen hohen Grad der Furcht, welcher sich durch
einen Schauer und durch Zittern an den Tag leget, daher Ottfried forahtan noch
für zittern gebraucht. Der Plural, der im Oberdeutschen wenigstens in der
zweyten und dritten Endung nicht ungewöhnlich ist, ist im Hochdeutschen
unbekannt.
Wer dich in Frieden schaut, ist aller Furchten frey, Opitz.
Erlöse dieses Land von Furchten und Beschwer, ebend.
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365-366]