Das Erbe
, des -s, plur. ut nom. sing. ein altes Wort, welches seit
tausend Jahren mancherley Veränderungen in seinen Bedeutungen erlitten
hat. Dem Ihre nach folgen dessen Bedeutungen so auf einander. 1.
Ursprünglich bedeutete es die Erde, wie aus dem Latein. arvum, dem Wallis.
ar, Erde, und erw, ein Acker, dem Isländ. urfa, pflügen, und Griech.
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hier nichtlateinischer Text, siehe Image - erhellet,
S. Ären und Erde. Im Deutschen ist diese
allgemeinste Bedeutung veraltet, außer daß noch einige im Bergbaue
übliche zusammen gesetzte Wörter etwas davon aufzubehalten scheinen,
wo das Wort Erbe aber auch die Bedeutung eines Eigenthumes leidet.
S. Erbbau, Erbbereiten, Erbfluß u. s. f. 2.
Eigenthümliche Grundstücke, Grund und Boden mit seinem Zubehör,
welche Bedeutung noch in dem gemeinen Sprachgebrauche vieler Gegenden
Deutschlandes übrig ist. Diese Bedeutung hat Arbe bey dem Isidor, Erbe bey
dem Ottfried,das Angels. Yrfe, Arf, Arft, Erue bey den ältern und neuern
Schweden, und Arve, Erve im Niedersächsischen. 1) Eigenthümliche
Grundstücke überhaupt. Erbe und Eigen, wo Erbe ein ererbtes Gut
bedeutet, welches man ohne Einwilligung seiner Kinder und muthmaßlichen
Erben nicht veräußern kann, Eigen aber ein selbst erworbenes Gut,
womit man nach Belieben schalten kann; beyde im Gegensatze des Lehens.
Baide ir Erbe und ir aigen Vnd darzu alle ir varende habe,
in Strykers altem Gedichte. Darum sollen die Leviten kein
Theil noch Erbe haben mit ihren Brüdern, 5 Mos. 10, 9. Ich will euch ein
Land zum Erbe geben, darin Milch und Honig fleußt, 3 Mos. 20, 24; und so
in andern Stellen mehr, wo es auch zuweilen für ein jedes Eigenthum
gebraucht wird. Daß du unserer Missethat gnädig seyest, und
lässest uns dein Erbe seyn, 2 Mos. 34, 9. Sprichw. Biedermanns Erbe liegt
in allen Landen. 2) Ein eigenthümliches Gut, im Gegensatze eines
Lehengutes, allodium; welche Bedeutung in den vorigen Jahrhunderten häufig
vorkommt. Es ist Erbe und nicht Lehen. Sucht Pallas Liebling auf, der für
sein Erbe streitet, Raml. 3) Ein Gut, besonders ein Bauergut, welches der
Theilung unterworfen ist. Daher gibts in Thüringen ganze, halbe und
viertel Erbe. 4) Ein Haus, welches man eigenthümlich besitzet, welche
Bedeutung noch in vielen Gegenden üblich ist. Daher ein Backerbe, ein
Backhaus, ein Brauerbe, ein Brauhaus, u. s. f. in Hamburg und an andern Orten.
3. Arbeit, besonders die Feld- und Ackerarbeit; welche veraltete Bedeutung Erf
und Erfid noch bey den Isländern hat, wo auch erfida arbeiten, und arswid
arbeitsam ist. Ihre ziehet auch die Stelle aus dem Ottfried B. 1, Kap. 5
hierher, wo von der Jungfrau Maria gesagt wird: Jh bin, quad siu, Gotes thiu,
zi erbe geboraniu, ich bin, sprach sie, Gottes Magd, zur Arbeit geboren; wo es
Schilter übersetzt hatte, zu Hause geboren.
S. Arbeit. 4. Alles was man durch seine Arbeit erwirbt,
welche gleichfalls veraltete Bedeutung mit der vorigen zweyten zusammen
fließt. Daher bedeutet Yrf, Yrfe, im Angelsächsischen eine jede
erworbene Sache, selbst das Vieh, und aerfwa erwerben, welche Bedeutung auch
erben 4 Mos. 32, 19 hat: wir wollen nicht mit ihnen erben jenseits des Jordans.
Selbst das Deutsche werben scheinet hierher zu gehören. 5. Güter,
welche uns von andern erworben worden, besonders wenn sie uns nach ihrem Tode
als ein Eigenthum überlassen werden, in welchem Verstande dieses Wort noch
häufig für Erbschaft gebraucht wird. Das väterliche, das
mütterliche Erbe, dasjenige was jemand von seinem Vater, von seiner Mutter
erbet. Das dritte Gebethbuch hat sie aus dem väterlichen Erbe bekommen,
Gell. Wenn die Zeit kommt, daß er seinen Kindern das Erbe austheile, 5
Mos. 21, 16. Wenn jemand stirbt, und hat nicht Söhne, so sollt ihr sein
Erbe seiner Tochter zuwenden, 4 Mos. 27, 8; und so in andern Stellen mehr.Anm.
Vielleicht ließen sich die jetzt angeführten Bedeutungen dieses
Wortes richtiger so ordnen. 1) Erde. 2) Deren Bearbeitung. 3) Was dadurch
erworben wird, jedes Eigenthum; besonders 4) eigenthümliche
Grundstücke. 5) Fremder Erwerb, so fern er nach des Erwerbers Tode unser
Eigenthum wird. [
1857-1858]