Ent
, - eine untrennbare Partikel, welche nur in der Zusammensetzung
mit Verbis und einigen wenigen andern Partikeln üblich ist. Sie
bedeutet,1. Eine Bewegung von einem Orte, da sie denn so wohl den Verbis
neutris, als activis vorgesetzet werden kann. 1) Eigentlich, für weg, und
in einigen Fällen ach für aus und ab. Dahin gehören, entarten,
sich von seiner Art entfernen, ausarten, entfahren, entfallen, entfernen,
entfliegen, entführen, entgehen, entheben, entkommen, entlassen,
entlaufen, entlegen, entlehnen, entlocken, entnehmen, entreißen,
entrinnen, entrücken, entsagen, entschlagen, entsetzen, entsinken,
entsteigen, entwachsen, entwehren, entweichen, entwenden, entwischen,
entwöhnen, entziehen, entzücken u. s. f. 2) Figürlich, eine
Beraubung, welche durch das folgende Verbum näher bestimmt wird, oder das
Gegentheil von der Bedeutung des folgenden Verbi, für los, ab oder auch
ver. In diesem Verstande sind die mit ent zusammen gesetzten Zeitwörter in
den meisten Fällen das Gegentheil von denjenigen, welche die Partikel be
vor sich haben. Dergleichen sind, entbinden, los binden, entbrechen, entdecken,
entehren, enterben, entfalten, entfärben, entbehren, entfesseln,
enthaupten, entheiligen, enthüllen, entkleiden, entleiben,
entkräften, entladen, entlasten, entmannen, entmasten, entrathen,
enträthseln, entrunzeln, entschuldigen, entseelen, entsiegeln, entstehen,
fehlen, entsündigen, entvölkern, entwaffnen, entweihen, entwickeln,
entwölken, entwurzeln, u. s. f. In beyden Bedeutungen ist diese Partikel
schon alt. Denn es finden sich nur bey dem Ulphilas dergleichen mit and und
anda zusammen gesetzte Zeitwörter, sondern sie kommen auch bey den
Alemannischen und Fränkischen Schriftstellern von des Kero Zeiten an
beständig vor, wo aber die Partikel ant, int, unt, bald nur en und in, und
wenn ein f folgt, zuweilen inp oder emp lautet. So sagte man ehedem inpfaren,
für entfahren; empfliehen, für entfliehen u. s. f. Doch diese Form
ist veraltet, und man hat sie nur noch bey einigen Zeitwörtern in der
folgenden zweyten Bedeutung behalten. Im Angelsächsischen lautet diese
untrennbare Partikel aet, et, and, im Dänischen und und inde, im
Holländ. ont, und im Nieders. unt. Das t scheinet bloß um des
Wohlklanges willen eingeschaltet zu seyn, und es ist wahrscheinlich, daß
diese Partikel zu dem Geschlechte der Wörter un, ohne und von, vielleicht
auch zu dem Latein. inde, gehöret. Das Schwed. Nebenwort undan bezeichnet
gleichfalls eine Bewegung von einem Orte. In beyden Bedeutungen können
vermittelst dieser Partikel, [
1813-1814] neue Verba gebildet
werden. Da über dieß mit derselben zusammen gesetzten edler und
anständiger sind, als die mit den gleich bedeutenden Wörtern weg, ab,
los u. s. f. so wissen sich die Dichter dieser Freyheit sehr gut zu bedienen,
worin man sie auch nicht tadeln darf, wofern nur diese Zusammensetzung nicht
wider die Analogie geschiehet.2. In einigen, obgleich wenigen, Zeitwörtern
scheinet diese Partikel eine Bewegung in und nach einem Orte auszudrucken, und
vermittelst des t euphonici aus den Vorwörtern an und in entstanden zu
seyn. Dergleichen sind entbiethen für anbiethen, entrichten, sich
enthalten, an sich halten, enthalten, in sich halten, das Nebenwort entgegen,
ehedem ingegen, engegen, das im gemeinen Leben übliche entlang,
längs, in die Länge, und die Zeitwörter empfahen, empfangen,
empfehlen, und empfinden, wo das ent um des Wohlklanges willen in emp
verwandelt worden.
S. Em. Von mehrerer Erweislichkeit ist.3. Diejenige
Bedeutung, nach welcher ent den Ursprung, den Anfang einer Handlung oder eines
Zustandes ausdruckt. Dahin gehören, entbrennen, entglimmen, entschlafen,
einschlafen, entschlummern, entspinnen, entsprießen, entspringen,
entstehen, anfangen zu seyn, entzünden, und vielleicht auch
entrüsten. Vermutlich ist auch hier die Partikel aus dem Vorworte an
entstanden, weil man in eben der Bedeutung auch sagt, anbrennen, anglimmen,
anspinnen, und anzünden. Die erstern sind auch in dieser Bedeutung von
edlerm Gebrauche, als die mit andern gleich bedeutenden Partikeln zusammen
gesetzten Zeitwörter; nur daß diese Bedeutung so wenig als die vorher
gehende neue willkührliche Zusammensetzungen leidet.4. In vielen
Zeitwörtern scheinet die Partikel bloß eine intensive Kraft zu haben,
und die Bedeutung des folgenden Zeitwortes zu verstärken. Dergleichen
sind, entäußern, entblöden, ehedem auch erblöden,
entblößen, entledigen entleeren, entübrigen, entscheiden
entsinnen, entsprechen, entwerfen, entlernen für erlernen u. s. f. Doch
wenn man die Sache genau untersucht, so wird man finden, daß sich alle
diese Zeitwörter zu einer von den beyden Bedeutungen der ersten Classe
rechnen lassen; nur daß man auch in dieser Bedeutung mit dem ent keine
neuern Zusammensetzungen wagen darf.5. Man leget dieser Partikel vor den
Zeitwörtern noch verschiedene andere Bedeutungen bey, vornehmlich aber die
Bedeutung des Vorwortes gegen oder wider nach dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; allein diese und
andere Bedeutungen sind so erwiesen noch nicht. In entzwey, und dem veralteten
entzwischen, ist ent das Vorwort in, weil man auch sagt inzwey und inzwischen.
In entweder ist die erste Sylbe das Zahlwort ein, welches im Oberdeutschen
einte lautet,
S. Ein II. Das Oberdeutsche enthalb, auf jener Seite,
jenseit, ist aus dem Oberdeutschen Nebenworte enthen, dort, daselbst, zusammen
gesetzet, Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Anderer veralteter Bedeutungen dieser Partikel nicht zu
gedenken.Anm. Überhaupt ist noch von dieser Partikel zu merken, daß
sie in den mit derselben zusammen gesetzten Zeitwörtern niemahls den Ton
hat; dagegen die zwey noch mit ant zusammen gesetzten Wörter Antlitz und
Antwort, denselben jederzeit auf der ersten Sylbe haben.
S. diese Wörter. [
1815-1816]