Einsam
, -er, -ste, adj. et adv. allein, von Dingen seiner Art
entfernt. 1. Eigentlich. Einsame Thiere, welche sich nicht paarweise, noch in
Haufen, sondern von andern ihrer Art abgesondert, aufhalten. Ich bin wie ein
einsamer Vogel auf dem Dache, Ps. 102, 8. Ganz einsam hinter dem kleinen
Lustwäldchen liegt ein altes Gebäude. In engerer Bedeutung, von der
menschlichen Gesellschaft abgesondert. Ein einsamer Mensch. Er lebt sehr
einsam. Ein einsames Leben führen. Einsam und verwaist um seine Freunde
weinen. Die biblischen Ausdrücke, einsam lassen, einsam sitzen, Es. 49,
21; Esr. 9, 4, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2. Figürlich. 1)
Der Menschen und der menschlichen Gesellschaft beraubt, von Örtern. Ein
einsamer Ort. Eine einsame Stadt, welche wenig Einwohner hat, oder in welcher
wenig Geschäftigkeit, wenig Lebhaftigkeit verspüret wird. Es ist hier
sehr einsam. Die Stadt muß einsam werden, Es. 27, 10. Einsame, stille
Wälder. 2) Von der Zeit, eine Abwesenheit des Geräusches der
menschlichen Gesellschaft zu bezeichnen. Siehe die Nacht müsse einsam
seyn, und kein Jauchzen darinnen seyn, Hiob 15, 34. Besonders bey den neuern
Dichtern. Einsame Nächte. Die einsame Stunde der Mitternacht. 3) Was in
der Einsamkeit empfunden wird; auch nur bey den neuern Dichtern. Ein einsames
stilles Vergnügen. 4) Unverheirathet, im Oberdeutschen. Sie lebt einsam,
ist einsam. 5) Kinderlos, ohne Kinder, doch nur in Luthers Deutscher Bibel. Er
hat beleidiget die Einsame, die nicht gebieret, Hiob 23, 21. Die Einsame hat
mehr Kinder u. s. f. Es. 54, 1.Anm. 1. Außer diesen Arten des Gebrauches
kommt einsam in der Deutschen Bibel noch in zwey den Hochdeutschen ganz fremden
Bedeutungen vor. (a) Für einzeln. Von Mitternacht kommt ein Rauch, und ist
kein Einsamer in seinen Gezeiten, Es. 15, 31; d. i. von Mitternacht kommt ein
großes Heer, welches nicht einzeln, sondern in ganzen Haufen einher ziehet
(b) Für einzig. Errette meine Seele von Schwert, meine Einsame von den
Hunden, Ps. 22, 21; wo es bey Herrn Michaelis heißt: Errette mein Leben
vom Schwert, und dieß mein: Einziges von den Jägern.Anm. 2. Im
Schwed. lautet dieses Wort einsam, im Dän. eensam. Im Isländ.
bedeutet einsamal allein, solum. Bey den ältesten Oberdeutschen
Schriftstellern kommt dieses Wort nicht vor, sondern sie bedienen sich statt
dessen des einfachen ein, oder auch, wie Ottfried, des einluzze. Doch
übersetzt Notker unitatem ecclesiae durch Einsamina. Es ist noch
ungewiß, ob die Endsylbe die gewöhnliche Ableitungssylbe sam ist, (
S. Sam,) oder ob sie von dem alten samman, versammeln,
herstammet, wie Wächter und Ihre behaupten. Beynahe sollte man auf die
Gedanken gerathen, daß sam in dieser Zusammensetzung noch eine dritte
Bedeutung habe, und schon für sich genommen einsam bedeute, so daß
das Zahlwort ein eine bloße Verstärkung ist. Denn in den Slavonischen
Mundarten sind sam, samy, somotne und osamety; so viel als einsam. Dieß
führet uns aufdas Goth. sama, samo, das Isländ. same, samr, das
Schwed. samme, Engl. same, und Pohln. sam, selbst, eben derselbe, auf das Goth.
sams, eins, einzig, ein, so fern dieses letztere der Artikel ist, auf das
Schwed. som, und Isländ. sem, welcher, wie auch auf das Schwed. somme,
somlige, das Angels. sum, das Engl. some, das Alemann. sum, sumilih, bey dem
Ulphilas sums, einige, und endlich auch auf das Latein. semel, Ein
Mahl. [
1733-1734]